OGH 10ObS168/91

OGH10ObS168/9111.6.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Josef Fellner (Arbeitgeber) und Kurt Wuchterl (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Kurt M*****, vertreten durch Dr. Karl Zerner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei PENSIONSVERSICHERUNGSANSTALT DER ARBEITER (Landesstelle Wien), 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten wegen Invaliditätspension infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. Jänner 1991, GZ 33 Rs 6/91-57, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 29. Oktober 1990, GZ 17 Cgs 109/88-54, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger, der das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, hat am 10. September 1960 die Gesellenprüfung als Koch und am 25. Jänner 1979 die Lehrabschlußprüfung als Kellner bestanden. Er war in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate nach dem ASVG während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag (1. August 1986), also überwiegend iS des § 255 Abs 2 zweiter Satz leg cit, in den erlernten Berufen tätig, und zwar 142 Monate als Koch und 11 Monate als Kellner. Aus gesundheitlichen Gründen kann er seit dem Stichtag zwar nicht mehr als Koch, wohl aber noch als Kellner arbeiten.

Im dritten Rechtsgang wies das Erstgericht die auf eine Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß vom 1. August 1986 an gerichtete Klage mit der ihm im berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß vom 29. Juli 1988, 33 Rs 117/88-21 überbundenen rechtlichen Beurteilung ab, daß der überwiegend in (zwei) erlernten Berufen tätig gewesene Kläger nicht als invalid iS des § 255 Abs 1 ASVG gelte, weil seine Arbeitsfähigkeit noch für den zweiten erlernten Beruf des Kellners ausreiche.

Das Berufungsgericht gab der nur wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers mit der überbundenen Rechtsansicht nicht Folge.

Dagegen richtet sich die nicht beantwortete Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im klagestattgebenden Sinne abzuändern.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

War der Versicherte überwiegend in erlernten (angelernten) Berufen tätig, gilt er nach § 255 Abs 1 ASVG als invalid, wenn seine Arbeitsfähigkeit infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten in jedem dieser Berufe herabgesunken ist.

Wie der erkennende Senat bereits in seiner E 6. November 1990, 10 Ob S 355/90, SSV-NF 4/143 (in Druck) ausgeführt hat, ergibt sich aus dem Wortlaut des zit Abs, daß der Versicherte danach nur dann als invalid gilt, wenn seine Arbeitsfähigkeit nicht nur im zuletzt ausgeübten, sondern in jedem der in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag ausgeübten erlernten (angelernten) Berufe auf weniger als die Hälfte derjenigen eines gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist.

Der sog "Berufsschutz" eines überwiegend in erlernten (angelernten) Berufen - § 255 Abs 1 ASVG verwendet auch im ersten Halbsatz diesbezüglich, ebenso wie Abs 2 zweiter Satz leg cit, die Mehrzahl und spricht nicht von einer überwiegenden Tätigkeit in einem erlernten (angelernten) Beruf (Einzahl)! - bezieht sich daher nicht nur auf den in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate nach dem ASVG während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag überwiegend ausgeübten erlernten (angelernten) Beruf, sondern erstreckt sich auf alle während dieses Zeitraumes ausgeübten erlernten (angelernten) Berufe.

Deshalb hat das Oberlandesgericht Wien in seiner E 14. September 1982, 33 R 180/82 SVSlg 27.604 = ZAS 1983/113 (mit zustimmendem Kommentar Johanna Schmidts) zutreffend ausgeführt, daß ein Versicherter, der in mehreren erlernten (angelernten) Berufen tätig war, über vielfältigere Ausbildung, Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt als ein nur in einem Beruf tätig gewesener. Er darf daher in allen Berufssparten verwiesen werden, auf die sich sein Berufsschutz erstreckt.

Wollte man der Meinung des Revisionswerbers folgen, daß ein Versicherter (nur) in dem (erlernten oder angelernten) Beruf Berufsschutz genieße, den er während der letzten 15 Jahre überwiegend ausgeübt habe, dann wäre ein Versicherter, der während dieses Zeitraumes zwar in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate insgesamt überwiegend zwei oder mehrere erlernte (angelernte) Berufe ausgeübt hat, keinen von ihnen aber überwiegend (zB zwei Berufe gleich lang), hinsichtlich keines Berufes geschützt.

Auch § 255 Abs 5 ASVG spricht nicht für die Richtigkeit der Rechtsansicht des Klägers, weil er nur erfolgreich rehabilitierten Versicherten einen zusätzlichen Berufsschutz einräumt.

Damit erweist sich die Rechtsrüge als nicht berechtigt, so daß der Revision nicht Folge zu geben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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