Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Harald K***** (im zweiten Rechtsgang) des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er am und nach dem 29.Oktober 1988 in G***** als leitender Beamter der kriminalpolizeilichen Abteilung der Bundespolizeidirektion G***** mit dem Vorsatz, den Staat in (richtig: an) seinem konkreten Recht auf Strafverfolgung zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht, daß er es unterließ, die zuständige Abteilung der Bundespolizeidirektion G***** über die seit dem 29. Oktober 1988 verschärfte Verdachtslage gegen Karlheinz A***** zu informieren.
Rechtliche Beurteilung
Der vom Angeklagten gegen dieses Urteil aus den Gründen des § 281 Abs. 1 Z 3, 5, 5 a und 9 lit. a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Zum erstgenannten Nichtigkeitsgrund wird ins Treffen geführt, die Zeugen M*****, K***** und S***** seien anläßlich ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung unter Außerachtlassung der Bestimmungen des § 151 StPO, nämlich ohne Entbindung von der sie treffenden Verpflichtung zur Wahrung des Amtsgeheimnisses, einvernommen worden.
Dem genügt es zu erwidern, daß § 151 Z 2 StPO (im allgemeinen) nicht für die zeugenschaftliche Einvernahme von Angehörigen der Sicherheitsdienststellen über deren Wahrnehmungen im Dienste der Strafrechtspflege gilt (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO3, ENr. 16 zu § 151; SSt. 56/101); daß die erwähnten Zeugen zu Beweisthemen, auf welche diese Voraussetzung nicht zutrifft und die demnach der Amtsverschwiegenheit unterliegen, vernommen worden sind, wird vom Beschwerdeführer nicht behauptet.
Entgegen dem weiteren Vorbringen in der Verfahrensrüge ist aus S 3 f des Protokolls über die Hauptverhandlung vom 27. November 1990 nicht ersichtlich, daß die Beeidigung eines der beiden Schöffen den Bestimmungen des § 240 a StPO zuwider vorgenommen worden ist, weil die Identität dieses Schöffen nicht dargetan wurde. Nach dem ungerügt gebliebenen Inhalt des Protokolls über diese Hauptverhandlung hat der Vorsitzende vielmehr die Schöffen Franz K***** und Hannelore N***** beeidigt; eine Beeidigung des Schöffen Josef H***** unterblieb, weil dieser Schöffe bereits beeidet worden ist. Die Behauptung, es sei die Vorschrift des § 240 a StPO verletzt worden, steht daher im Widerspruch zum Inhalt des vollen Beweis machenden Protokolls über die Hauptverhandlung.
In der Mängelrüge (Z 5) bezeichnet der Beschwerdeführer die Urteilsfeststellung: "Als Dr. G***** und Karlheinz A***** die Wirtshausbrauerei Gesellschaft mbH gründeten, beteiligte sich die Lebensgefährtin des Angeklagten daran als Minderheitsgesellschafterin. Der Angeklagte nahm zusammen mit Dr. G***** und A***** in diesem Zusammenhang an einer Brauereibesichtigung teil und fuhr auch mit zu einer Ausstattungsfirma (Verantwortung des Angeklagten)", als aktenwidrig, weil sie insbesonders in der in Klammerausdruck vom Gericht angeführten Fundstelle keine Deckung finde.
Demgegenüber hat jedoch der Angeklagte anläßlich seiner polizeilichen Einvernahme am 27.Oktober 1989 (S 271/I) und auch vor dem Untersuchungsrichter am 22.Dezember 1989 (S 414 f/I) sehr wohl über diese Beteiligung seiner Lebensgefährtin und die Brauereibesichtigung ausgesagt; von einer Aktenwidrigkeit kann daher keine Rede sein.
Ersichtlich als Urteilsunvollständigkeit rügt der Beschwerdeführer, daß das Gericht die Aussage des Zeugen K***** bei der Urteilsfeststellung, wonach der Angeklagte zu K***** sagte, er solle P***** am darauffolgenden Montag oder Dienstag zu ihm schicken, wenn sich aus seinen Aussagen etwas ergäbe (US 10), übergangen habe; K***** habe nämlich ausgesagt, "... dann schick ihn oder komm Du mit ihm am Montag oder Dienstag oder in den nächsten Tagen zu mir" (S 399/II). Dieser Teil der Aussage des Zeugen K***** sei deshalb von entscheidender Bedeutung, weil das Schöffengericht dem Angeklagten unterstelle, er hätte beabsichtigt, P***** gegebenenfalls mit seiner Autorität von seinen Anschuldigungen abzubringen.
Auch dieser Einwand versagt. Denn das Schöffengericht hat diese Zeugenaussage nicht übergangen. Vielmehr ist den Urteilspassagen auf US 11, 20 und 25 sehr wohl zu entnehmen, daß der Angeklagte im gegebenen Zusammenhang K***** aufgefordert hat, mit P***** zu ihm in die Polizeidirektion zu kommen.
Die Feststellung hinwieder, daß Insp. K***** mit dem Zeugen P***** vereinbart hatte, noch einmal ins Wachzimmer zu kommen, um eine Niederschrift über das vorher Besprochene aufzunehmen (US 12), ist keineswegs aktenwidrig. Nach der Aussage des Zeugen K***** (S 465 f/II) wollte P*****, daß eine Niederschrift mit ihm nicht sogleich aufgenommen werde, er sagte vielmehr, er würde K***** (zu diesem Zweck) wieder aufsuchen. Damit war dieser (ersichtlich) einverstanden. Nichts anderes aber wollte das Erstgericht mit dem Wort "vereinbart" ausdrücken: Die Willensübereinstimmung zwischen K***** und P*****, daß eine Niederschrift über das eben durchgeführte Gespräch nicht sogleich, sondern zu einem späteren Zeitpunkt aufgenommen werden solle.
Ebensowenig aktenwidrig ist die Feststellung, wonach der Angeklagte darüber informiert war, daß im Falle der Erhärtung des Verdachtes gegen A***** wegen Verstößen gegen das Suchtgiftgesetz mit seiner Verhaftung zu rechnen war. Findet sie doch in den Aussagen des Zeugen S***** (S 513 f/II) Deckung; auf dieses Beweismittel aber gründete das Gericht die bekämpfte Feststellung (US 13 f).
Das Gericht hat als erwiesen angenommen, daß es der Angeklagte am 29. Oktober 1988 ernstlich für möglich hielt, daß die ihm von K***** zugekommenen Informationen für die Ermittlungen gegen A***** von Bedeutung sein können (US 12 f). Inwiefern diese Konstatierung aktenwidrig sein soll, vermag die Beschwerde nicht aufzuzeigen; daß sie unbegründet wäre, ist schlichtweg falsch (vgl. die zusammenfassenden beweiswürdigenden Ausführungen auf US 19).
Das Vorbringen zum Punkt 6 der Mängelrüge ist - soweit ihm nicht schon im Rahmen des bisher Gesagten erwidert wurde - insoweit nicht substantiiert, als ihm nicht zu entnehmen ist, auf welche Feststellungen und Beweismittel es sich bezieht. Das Schöffengericht hat auf den US 13 bis US 24 im Rahmen einer umfangreichen Beweiswürdigung dargetan, aufgrund welcher Erwägungen und Beweismittel es die ihm entscheidungswesentlich erscheinenden Feststellungen getroffen hat und weshalb es die Verantwortung des Angeklagten als unglaubwürdig verwarf. Dem verschlägt nichts, wenn im Anschluß an die grundlegenden Erwägungen zur Beweiswürdigung ausgeführt wird, daß die bisher nicht erörterten (und deshalb nicht bedeutsamen) Zeugenaussagen in allen Verfahrensstadien im wesentlichen übereinstimmen und demnach ersichtlich glaubwürdig sind. Denn anders als in dem von der Beschwerde zitierten Fall 10 Os 49/78 zeigt die Nichtigkeitsbeschwerde keine erheblichen Widersprüche von entscheidenden Zeugenaussagen auf und anders als im Fall 4 Os 490/37 (= RZ 1937, 358), auf den sich die Beschwerde gleichfalls beruft, ist im Ersturteil angegeben, auf welche Beweismittel das Gericht die einzelnen Feststellungen gegründet hat und wie es - mit formal mängelfreier Begründung - über die diesen Feststellungen entgegenstehenden Verfahrensergebnisse hinweggekommen ist.
Nach eingehender Prüfung der in der Beweisrüge (Z 5 a) erhobenen Einwände gelangt der Oberste Gerichtshof zur Überzeugung, daß sich aus den Akten keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen ergeben. Der Sache nach unternimmt der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen nur den (im schöffengerichtlichen Verfahren nach wie vor unzulässigen) Versuch, die Beweiswürdigung der Tatrichter in Zweifel zu ziehen, ohne schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustande gekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen oder auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die intersubjektiv gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung in entscheidungswesentlichen Punkten aufkommen lassen.
In der Rechtsrüge (Z 9 lit. a) bringt der Angeklagte vor,
1. es sei "nicht ersichtlich", warum er hinsichtlich des Befugnismißbrauchs wissentlich gehandelt haben soll,
2. die Feststellung, daß für ihn feststand, daß nicht er, sondern die Suchtgiftgruppe zur Ermittlung zuständig sei, finde in den Feststellungen keine Deckung,
3. es sei zu berücksichtigen, daß er am nächsten Werktag informiert wurde, daß die gegen A***** erhobenen Vorwürfe zurückgezogen werden und auf Eifersüchtelei beruhen,
4. es sei unerfindlich, wieso er in dieser Situation seine Befugnisse wissentlich mißbraucht haben soll, auf Grund der erhaltenen und widerrufenen Informationen sei er weder objektiv zu einer bestimmten Handlung verpflichtet, noch sich subjektiv einer derartigen Verpflichtung gewiß gewesen und
5. das Erstgericht habe Wissentlichkeit hinsichtlich seiner Person offensichtlich gar nicht angenommen und nicht festgestellt, daß er sich der Verletzung seiner Befugnisse gewiß war.
Vorweg: Der Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a setzt voraus, daß Umstände dargetan werden, denenzufolge das Erstgericht die Tat rechtsirrig als strafbar oder straflos erklärt hat. Dabei ist stets vom gesamten festgestellten Sachverhalt auszugehen, und zwar auch, soweit ein Feststellungsmangel reklamiert wird.
Ausgehend von diesem Erfordernis erweist sich die Rechtsrüge des Angeklagten aber zur Gänze als nicht prozeßordnungsgemäß dargetan, denn
- mit den Ausführungen zu den oben angeführten Punkten 1., 3. und 4. wird weder eine unrichtige rechtliche Beurteilung des Sachverhalts noch - von den getroffenen Konstatierungen ausgehend - ein Feststellungsmangel behauptet;
- dem Vorbringen zu Punkt 2. zuwider ist im Urteil sehr wohl festgestellt - und dies wird von der Beschwerde negiert -, daß für den Angeklagten feststand, daß nicht er, sondern ausschließlich die Suchtgiftgruppe zur Ermittlung zuständig war (US 26 unten),
- daß der Angeklagte sich des Mißbrauchs seiner Befugnisse gewiß war, ist dem Urteil (gleichfalls) mit ausreichender Deutlichkeit zu entnehmen (vgl. insbesondere US 26). Im Zuge der (beweiswürdigenden) Erörterung der Frage, was den Angeklagten veranlaßte, seiner Dienststelle die ihm mitgeteilten Umstände nicht weiterzumelden (US 13), stellten die Tatrichter fest, daß der Angeklagte zielgerichtet vorgegangen ist (US 20), daß er verhindern wollte, daß P***** von sich aus Anzeige erstatten könnte (gleichfalls US 20), daß die Befassung der Suchtgiftgruppe mit dem Informanten P***** dem Stand der Dinge nach als ultima ratio verblieben wäre (US 21) und daß er die Information der Suchtgiftgruppe unterließ, weil er dadurch verhindern wollte, daß eine Begebenheit, die ohne seine aktive Tätigkeit keine kriminalpolizeilichen Ermittlungen nach sich zog, zum Anlaß von Erhebungen gemacht würde, die allenfalls eine Täterschaft A***** ergeben hätten (US 21). Im Kontext mit den Ausführungen zur rechtlichen Beurteilung (US 24 unten ff, insbesondere US 26) ergibt sich aus all dem die Feststellung, daß der Angeklagte wußte, daß er zur Verständigung der für Suchtgiftfragen zuständigen Abteilung der Bundespolizeidirektion Graz verpflichtet war, und daß er mit diesem Wissen pflichtwidrig diese Verständigung unterließ, sohin seine Befugnis wissentlich mißbrauchte. Auch insoweit hält der Beschwerdeführer sohin mit seinen Ausführungen zu Punkt 5. - bei welchen er im übrigen die auf die Wissentlichkeit des Befugnismißbrauchs bezogenen Urteilsdarlegungen mit jenen zum als erwiesen angenommenen bedingten Schädigungsvorsatz in unzulässiger Weise
vermengt - nicht am Urteilssachverhalt fest.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als unbegründet gemäß § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt gemäß der Z 1 der soeben zitierten Gesetzesstelle iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten fällt demnach in die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz (§ 285 i StPO).
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