OGH 15Os61/91

OGH15Os61/916.6.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.Juni 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Springer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Thomas F***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Kreisgericht Wiener Neustadt vom 3.April 1991, GZ 9 a Vr 872/90-45, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, der Wahrspruch der Geschwornen zur ersten Hauptfrage und das darauf beruhende Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB sowie im Strafausspruch einschließlich der Anrechnung der Vorhaft aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte hierauf verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 17 Jahre alte Thomas F***** auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen der Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB (I) und der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs. 1 StGB (II) schuldig erkannt. Darnach hat er am 13.August 1990 in Baden

(zu I) vorsätzlich Gertrude A***** durch Versetzen von mehreren Messerstichen gegen den Schulterbereich und den Kopf, Würgen und Versetzen von Fußtritten gegen Kopf, Hals und Oberkörper getötet sowie

(zu II) dadurch versucht, Gertrude A***** mit schwerer gegen sie gerichteter Gewalt, nämlich Betäubung, zur Duldung eines Beischlafes zu nötigen, daß er ihr zwei Faustschläge gegen den Kopf versetzte.

Die Geschwornen hatten die erste Hauptfrage (nach dem Verbrechen des Mordes) sowie die zweite Hauptfrage (nach dem Verbrechen der versuchten Vergewaltigung) jeweils im Stimmenverhältnis von 8 : 0 bejaht. Weitere Fragen waren ihnen nicht gestellt worden.

Nur den zuerst bezeichneten Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die auf § 345 Abs. 1 Z 6 StPO gestützt wird, und in der zutreffend eine Verletzung der in den §§ 312 bis 317 StPO enthaltenen Vorschriften gerügt wird.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 314 Abs. 1 StPO sind an die Geschwornen entsprechende Schuldfragen (Eventualfragen) zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden sind, nach denen - wenn sie als erwiesen angenommen werden - ua die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein anderes Strafgesetz fiele, das nicht strenger ist, als das in der Anklageschrift angeführte.

Nun hat sich der Angeklagte zwar eingangs der Hauptverhandlung "voll und ganz schuldig" bekannt (S 38/Band II). Im Verlaufe seiner Vernehmung zur Sache aber bestritt er den Tötungsvorsatz (vgl. S 49/Band II: "So dumm es klingt, es ist keine Tötungsabsicht gewesen, ich wollte sie zum Schweigen bringen, daß sie mich nicht wiedererkennt und daß ich davonrenne"; S 49 unten, 50 oben/Band II: "... Kopfverletzungen, das hatte ich vor. Ich habe gedacht, wenn sie schwer verletzt ist, Kopfverletzungen hat, wird sie mich nicht wiedererkennen."; S 51/Band II: "Vorsatz für die Tat hatte ich nie".)

Wie in der Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausgeführt wird, war angesichts dieses Tatsachenvorbringens des Angeklagten in der Hauptverhandlung - unbeschadet dessen, daß der Angeklagte in weiterer Folge auf die Frage, "ob er schon einsieht, daß er sie nicht nur schwer verletzen wollte", mit "Ja" antwortete (S 60/Band II), worin aber nicht eine unmißverständliche Abkehr von den angeführten Angaben erblickt werden kann - die Stellung einer Eventualfrage in Richtung des Verbrechens nach §§ 83 Abs. 1, 86 StGB indiziert. Indem der Schwurgerichtshof die Stellung dieser Eventualfrage unterließ, verstieß er gegen die Bestimmung des § 314 Abs. 1 StPO, so daß der Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z 6 StPO vorliegt.

Da sich somit die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung - in der allerdings auch eine Tatbeurteilung in Richtung des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 und Abs. 2 StGB zu beachten sein wird - als unvermeidlich erweist, war der zum Vorteil des Angeklagten ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort Folge zu geben (§§ 285 e, 344 StPO).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Kassierung des Strafausspruches zu verweisen.

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