OGH 5Ob526/91

OGH5Ob526/9128.5.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ferdinand B*****, Pensionist,*****,vertreten durch den Sachwalter Dr. Maximilian Ganzert, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei Annemarie B*****, Hausfrau,*****,vertreten durch Dr. Günther Geusau, Rechtsanwalt in Wels, wegen Ehenichtigkeit (in eventu Aufhebung der Ehe oder Ehescheidung) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 20.März 1991, GZ 1 R 75/91-146, womit der Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 14.Jänner 1991, 1 Cg 101/90-30, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Verfahrens über den Revisionsrekurs sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Das Verfahren über die am 27.9.1985 vom Kläger, vertreten durch dessen Sachwalter Rechtsanwalt Dr. Maximilian Ganzert, dieser damals vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Walter Holme, eingebrachte Klage auf Nichtigerklärung (in eventu Aufhebung oder Scheidung) seiner mit der Beklagten geschlossenen Ehe befindet sich nach Aufhebung des seinerzeitigen erstgerichtlichen Urteiles (ON 79) durch das Berufungsgericht (ON 93) im zweiten Rechtsgang.

Zur Tagsatzung zur (fortgesetzten) mündlichen Streitverhandlung vom 11.1.1991 war für den Kläger niemand erschienen. Eine Ladung war Rechtsanwalt Dr. Holme (noch vor Bekanntgabe der Aufkündigung des Vollmachtsverhältnisses durch ihn) und dem Kläger selbst zugestellt worden. Der Sachwalter, zu dessen Aufgabenkreis die Einleitung und Durchführung von Verfahren jeder Art vor Gericht oder vor Verwaltungsbehörden gehört, hatte vom Verhandlungstermin Kenntnis erhalten, war aber dennoch erst 20 Minuten später erschienen.

Das Erstgericht erklärte über sogleich nach Beginn der Tagsatzung gestellten Antrag der Beklagten die Klage gemäß § 460 Z 5 ZPO als ohne Verzicht auf den Anspruch zurückgenommen.

Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es diesen Antrag der Beklagten abwies und dem Erstgericht die Fortsetzung der mündlichen Streitverhandlung auftrug. Es sprach die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses aus.

Rechtliche Beurteilung

Das Rekursgericht äußerte im wesentlichen folgende Rechtsmeinung:

Da die Ladung des bisherigen Klagevertreters, Rechtsanwalt Dr. Holme, gemäß § 36 Abs. 1 ZPO trotz der Vollmachtskündigung gültig erfolgte, sei der Kläger im Zeitpunkt der Stellung des Antrages der Beklagten, die Klage als zurückgenommen zu erklären, säumig gewesen. Lehre und Rechtsprechung zu § 79 Abs. 1 der

1. DVEheG, der inhaltsgleich durch § 460 Z 5 ZPO in der Fassung der Zivilverfahrensnovelle 1983 abgelöst wurde, hätten jedoch die Säumnisfolgen auf das Ausbleiben von der ersten zur mündlichen Streitverhandlung anberaumten Tagsatzung beschränkt, nicht aber auf das Ausbleiben von einer zur Fortsetzung der mündlichen Streitverhandlung anberaumten Tagsatzung bezogen (Fasching, Kommentar II 719 und 812, III 152; Schwind, Kommentar zum Eherecht1 319; SZ 35/19 = JBl. 1963/160; Schalich, Das neue streitige Eheverfahren, RZ 1985, 26 - dies bereits zu § 460 Z 5 ZPO).

Die mündliche Streitverhandlung stelle ein einheitliches Ganzes dar. Es bestehe kein Grund, den Kläger im Scheidungsverfahren ungünstiger zu stellen als in einem anderen Rechtsstreit, in welchem die Versäumung einer späteren Tagsatzung nur bedeute, daß ein Urteil nach § 399 ZPO gefällt werden könne. Dies bedeute in der Regel keinen erheblichen Nachteil für den Kläger, weil auf den Inhalt der Klage und sein Vorbringen Bedacht genommen werden müsse.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Bestimmung des § 460 Z 5 ZPO eine veröffentlichte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht gegeben sei.

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

1. Zum Verfahren:

Zutreffend unterließ das Rekursgericht einen Bewertungsausspruch. Zwar ist nach § 528 Abs. 2 Z 1 ZPO der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert 50.000 S nicht übersteigt; auch fehlt für das Revisionsrekursverfahren eine dem § 502 Abs. 3 ZPO (betreffend das Revisionsverfahren) entsprechende Ausnahmebestimmung, wonach für gewisse Streitsachen der sonst vorgesehene unbedingte Ausschluß eines Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof bei einem 50.000 S nicht übersteigenden Wert des Entscheidungsgegenstandes nicht gilt.

Da der Entscheidungsgegenstand in Personenstandssachen (nicht in allen familienrechtlichen Streitigkeiten) keinen Geldeswert hat, ist die auf einen solchen abstellende Bestimmung des § 528 Abs. 2 Z 1 ZPO in Personenstandsstreitigkeiten (hier Ehenichtigkeit, Eheaufhebung, Ehescheidung) - im Unterschied zu familienrechtlichen Streitigkeiten vermögensrechtlichen Charakters - nicht anwendbar, sodaß die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nur vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs. 1 ZPO abhängt (s. Petrasch, Der Weg zum Obersten Gerichtshof nach der Erweiterten Wertgrenzennovelle 1989, ÖJZ 1989, 751). Noch weiter geht Fasching in Lehrbuch2 Rz 2004, der aus rechtspolitischen und rechtssystematischen Erwägungen für Revision und Revisionsrekurs die Zulässigkeitsbestimmungen des § 502 Abs. 3 ZPO gleichermaßen angewendet wissen will. Zu dieser Auffassungsdifferenz ist nicht weiter Stellung zu nehmen, weil nach beiden Meinungen in einer Personenstandssache die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nicht vom Streitwert abhängt.

Zweiseitig ist das Rekursverfahren unter anderem dann, wenn sich das Rechtsmittel gegen einen Beschluß richtet, mit dem eine Klage nach Eintritt der Streitanhängigkeit zurückgewiesen oder ein Antrag auf Zurückweisung der Klage verworfen worden ist (§ 521 a Abs. 1 Z 3 ZPO). Diese Bestimmung wurde von der Rechtsprechung analog auf Fälle angewendet, in denen abschließend der Rechtsschutz verweigert wurde, wie im Fall der Zurückweisung eines Antrages auf Fortsetzung des unterbrochenen Verfahrens unter gleichzeitiger Nichtigerklärung des Verfahrens (SZ 61/197) oder überhaupt im Fall der Verneinung des Fortbestehens des ehemals unzweifelhaft rechtmäßig begründeten Prozeßrechtsverhältnisses (6 Ob 641-644/86 = JUS-Extra 24, 13). Auch die Lehre (Fasching, Lehrbuch2 Rz 1966) erachtet die Erweiterung der Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens auf andere als die in § 521 a ZPO ausdrücklich geregelten Sachverhalte als zulässig, wenn es sich um Beschlüsse handelt, die über die Zulässigkeit des Verfahrens absprechen. Es ist daher konsequent, auch im Falle der Entscheidung über einen Antrag nach § 460 Z 5 ZPO ein zweiseitiges Rekursverfahren für erforderlich zu halten. Demgemäß wurde richtigerweise dem Kläger die Erstattung einer Rekursbeantwortung ermöglicht, wovon dieser auch Gebrauch machte.

2. Zur Sachentscheidung:

Der Oberste Gerichtshof billigt die vom Rekursgericht getroffene Entscheidung dem Ergebnis und der juristischen Ableitung nach. Er kann sich daher darauf beschränken, auf die Richtigkeit der oben wiedergegebenen rekursgerichtlichen Begründung (samt Lehrmeinungen und Judikaturzitaten; ferner Fasching, Lehrbuch2 Rz 2338) zu verweisen (§ 528 a ZPO iVm § 510 Abs. 3 Satz 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs. 1 letzter Satz ZPO.

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