OGH 6Ob542/91

OGH6Ob542/9116.5.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** Rechtspraktikant, ***** vertreten durch Dr. *****, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei ***** Student, ***** vertreten durch Dr. *****, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 29.August 1990, AZ 41 R 309/90 (ON 13), womit das Urteil des Bezirksgerichtes Hietzing vom 5.Januar 1990, GZ 6 C 366/89-8, zur Verfahrensergänzung aufgehoben wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird stattgegeben. Der berufungsgerichtliche Aufhebungsbeschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst das die Aufkündigung vom 25.September 1989 aufhebende Urteil der ersten Instanz einschließlich der Kostenentscheidung wieder hergestellt.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit 9.949,92 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten an Barauslagen 1.500 S und an Umsatzsteuer 1.408,32 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger kündigte dem Beklagten die Miete einer im Wohnungseigentum stehenden Wohnung aus dem Grund des § 30 Abs 2 Z 8 MRG zum 31.Oktober 1989 auf. Der hierüber ergangene Gerichtsbeschluß wurde dem Beklagten am 26.September 1989 zugestellt.

Der Kläger war durch Einantwortung des Nachlasses seines Bruders im Frühjahr 1988 Eigentümer des Mietgegenstandes geworden und damit in das Hauptmietverhältnis auf Vermieterseite eingetreten, das der Erblasser im Jahre 1987 mit dem Beklagten über die Wohnung geschlossen hatte. Der Erblasser seinerseits hatte das Eigentum am Mietgegenstand im Sommer 1984 durch Zuschlag in einem Zwangsversteigerungsverfahren erworben.

Der Beklagte machte unter anderem den zeitlichen Ausschluß der Kündigungsbefugnis gemäß § 30 Abs 3 Satz 2 MRG geltend.

Das Prozeßgericht erster Instanz hob auch aus diesem Grund die Aufkündigung als rechtsunwirksam auf.

Das Berufungsgericht faßte einen Aufhebungsbeschluß. Dazu sprach es aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Das Berufungsgericht erachtete nach dem erklärten Zweck der durch das Mietrechtsänderungsgesetz 1967 formulierten Vorläuferbestimmung des § 19 Abs 3 MG, den Mieter vor Spekulationskäufen der Vermieter zu schützen, die zehnjährige Sperrfrist für einen Vermieter, der den Mietgegenstand von Todes wegen erworben hat, schlechthin für unanwendbar.

Der Beklagte ficht den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem auf Wiederherstellung des die Kündigung aufhebenden Urteiles erster Instanz gerichteten Abänderungsantrag an.

Der Kläger strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Der Rekurs ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 30 Abs 3 Satz 2 MRG kann der Vermieter, der das Miethaus durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat, aus dem Grund des Abs 2 Z 8 nur kündigen, wenn zwischen dem Zeitpunkt der Erwerbung und dem Kündigungstermin mindestens zehn Jahre liegen. Diese Regelung entspricht der Bestimmung des § 19 Abs 3 MG in der Fassung des MRÄG 1967 ("Hat der Vermieter das Haus durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben, so kann er aus dem Grund des Abs 2 Z 5 nur kündigen, wenn zwischen dem Zeitpunkt der Erwerbung und dem Kündigungstermin mindestens zehn Jahre liegen."). Für Vermieter, die das Verfügungsrecht über den Mietgegenstand im Erbweg erworben haben, sollte die zehnjährige Sperrfrist nicht gelten (AB 607 BlgNR XI. GP zu Art I Z 29 der RV zum MRÄG; 500 BlgNR XI. GP 19, deren Fassung die nicht beabsichtigte Auslegung zugelassen hätte, ein Erwerber von Todes wegen könnte den Kündigungsgrund nach § 19 Abs 2 Z 5 MG überhaupt nicht geltend machen).

Die durch das MRÄG erfolgte Neuregelung ersetzte eine die Eigenbedarfskündigung beschränkende Regelung, die deshalb als nicht mehr praktikabel angesehen worden war, weil sie auf das Eigentum des Vermieters oder im Falle begünstigten Erwerbes das Eigentum der Rechtsvorgänger am Mietgegenstand im Jahr 1914 (bzw 1917) und damit auf einen damals bereits mehr als ein halbes Jahrhundert zurückliegenden Stichtag abstellte (vgl Sobalik in RZ 1968, 98 ff). Nach der auf einen Stichtag bezogenen Beschränkung der Eigenbedarfskündigung vor Inkrafttreten des MRÄG war das zeitliche Element immer gewahrt, auch in den Fällen des begünstigten Erwerbes, zu denen jede Art eines Erwerbes von Todes wegen zählte. Ein solcher begünstigter Erwerb war bloß für den Erwerber unschädlich und wahrte die bis zum Stichtag zurückzurechnende Besitzdauer, ohne sie in einer die Geltendmachung des Kündigungsgrundes ausschließenden Weise abzubrechen (vgl MietSlg 6647).

In diesem Verständnis fand auch § 19 Abs 3 MG idF des MRÄG in der Kommentarmeinung die unwidersprochene Auslegung, daß ein Erwerb von Todes wegen die Sperrfrist nicht unanwendbar mache, sondern den Erwerber nur berechtige, sich die Besitzzeit seines Vormannes anzurechnen (Sobalik aaO; Zingher MG18, 124).

Im selben Sinne lauten auch die Kommentarmeinungen zu § 30 Abs 3 MRG (Würth-Zingher Miet- und Wohnrecht19, § 30 Rz 49 lit e; Würth in Rummel ABGB1 § 30 MRG Rz 38).

In dem zur Entscheidung vorliegenden Fall hat ein Ersteher des Mietgegenstandes diesen rund drei Jahre nach seinem Erwerb vermietet. Ihm selbst wäre als Vermieter gemäß § 30 Abs 3 MRG die Geltendmachung des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 8 MRG während der gesetzlichen zehnjährigen Sperrfrist verwehrt gewesen. In dieses Mietverhältnis trat der Kläger 1989 kraft Erbganges auf Vermieterseite ein. Damit änderte sich zwar der Kreis jener Personen, deren eigener Wohnbedarf kündigungsrechtlich erheblich werden konnte, nicht aber die durch den Mietvertragsabschluß aktuell gewordene Beschränkung des Vermieters, das Vertragsverhältnis aus dem Grund des § 30 Abs 2 Z 8 MRG keinesfalls vor Ablauf von zehn Jahren ab dem Erwerb des Vermieters (Erblassers) auflösen zu können. Insoweit ist die Sperrfrist vertragsbezogen, weil auch durch den Eintritt eines begünstigten Erwerbers in das Mietverhältnis auf Vermieterseite die einmal im Interesse des Mieters aktuell gewordene Sperrfrist als gesetzlicher Vertragsbestandteil nicht aufgehoben wird.

Was rechtens wäre, hätte erst der Erbe den Mietvertrag geschlossen, ist aus Anlaß der anhängigen Streitsache nicht zu erörtern.

In Stattgebung des Rekurses war vielmehr der berufungsgerichtliche Aufhebungsbeschluß aufzuheben und das die Aufkündigung aufhebende erstinstanzliche Urteil wieder herzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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