OGH 6Ob534/91

OGH6Ob534/9116.5.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bärbl *****, vertreten durch Dr. *****, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Dipl.Ing. Robert *****, 2. Gabriele *****,

3. Eveline *****, alle vertreten durch Dr. *****, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 16.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 14. November 1990, GZ 48 R 609/90-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 31. Mai 1990, GZ 4 C 1696/89t-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 3.753,60 (darin S 625,60 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagten sind Eigentümer des Hauses *****. Im Juni 1986 boten sie durch ein Zeitungsinserat eine Drei-Zimmer-Wohnung zur Vermietung an Studenten an. Die Klägerin bekundete telefonisch beim Erstbeklagten ihr Interesse an der Wohnung und teilte ihm unter anderem mit, daß sie Studentin sei, ihr Studium in spätestens drei Jahren abgeschlossen haben werde und zwei Freundinnen, ebenfalls Studentinnen, die Wohnung mitbenützen möchten. Der Erstbeklagte gab diese Information seinem Rechtsvertreter weiter und beauftragte ihn mit der Abfassung des Mietvertrages.

Am 27.6.1989 schlossen die Streitteile einen schriftlichen Mietvertrag über die Wohnung top Nr. 3 im Haus *****. Dessen Punkt II lautet:

Das Mietverhältnis beginnt am 1.7.1986 und wird auf die Dauer des von der Mieterin betriebenen Studiums, längstens jedoch auf die Dauer von drei Jahren abgeschlossen, sodaß es, ohne daß es einer gerichtlichen oder außergerichtlichen Kündigung bedarf, spätestens am 30.6.1989 endet. Sollte das Bestandverhältnis über diesen Termin hinaus verlängert werden, so gilt jedenfalls als vereinbart, daß mit Beendigung oder Abbruch der Ausbildung der Mietvertrag erlischt, sodaß dieser mit Eintritt der erwähnten Bedingung als aufgelöst anzusehen ist. Selbst wenn der Mietvertrag über den 30.6.1989 hinaus verlängert sein sollte, so endet er gemäß § 29 MRG jedenfalls nach Ablauf eines Zeitraumes von fünf Jahren, sohin spätestens zum 30.6.1991.

Die Mieterin verpflichtet sich, die Beendigung oder den Abbruch des Studiums der Vermieterin ohne Verzug mitzuteilen.

Punkt III des Mietvertrages lautet auszugsweise: Der Mietzins beträgt S 3.000 monatlich einschließlich Betriebskosten und gesetzlicher Umsatzsteuer von gegenwärtig 10 %. Die Mieterin hat die Kosten für den Eigenverbrauch (Strom, Gas, Telefon etc.) aus eigenem zu tragen.

Die dreijährige Befristung wurde nur deshalb gewählt, weil die Klägerin angab, längstens bis zu diesem Zeitpunkt ihr Studium beendet zu haben. Beide Vertragsparteien wollten einen "Studentenmietvertrag" abschließen, wobei die Klägerin darunter verstand, daß sie für die Dauer ihres Studiums in der Wohnung verbleiben könne.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß der zwischen den Streitteilen abgeschlossene Mietvertrag vom 27.6.1986 auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wurde, in eventu die Feststellung, daß der Mietvertrag vom 27.6.1986 zu Zwecken des Hochschulstudiums der Mieterin abgeschlossen wurde und dieser Mietvertrag mit Beendigung oder Abbruch der Ausbildung der Klägerin, jedenfalls aber dann endet, wenn die Klägerin das 27. Lebensjahr vollendet hat, somit spätestens am 4.9.1992.

Sie brachte dazu vor, sie sei vom Vertreter der beklagten Parteien schriftlich darauf hingewiesen worden, daß nach deren Auffassung das Bestandverhältnis am 30.6.1989 ende und zur Übergabe des Bestandobjektes zu diesem Termin aufgefordert worden. Sie habe daher ein rechtliches Interesse an der Feststellung, daß das Mietverhältnis aufrecht sei. Da der Vertrag über das dem Mietrechtsgesetz unterliegende Mietverhältnis auf die bestimmte Dauer von drei Jahren abgeschlossen sei, könne er nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen nicht durch den Ablauf der bedungenen Zeit ohne Kündigungsgrund erlöschen; er gelte vielmehr als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Selbst wenn man das Vorliegen eines Studentenmietvertrages im Sinne des § 29 Abs 2 MRG annehme, ende der Vertrag nicht mit dem dort angeführten Datum 30.6.1991, sondern mit der Vollendung des 27. Lebensjahres der Mieterin, das sei der 4.9.1992.

Die beklagten Parteien anerkannten das Eventualbegehren, bestritten aber das Hauptbegehren mit dem Einwand, der Mietvertrag sei als "Studentenmietvertrag" für die Dauer der Ausbildung abgeschlossen worden. Die in Punkt II des Mietvertrages aufgenommenen Endtermine hätte lediglich der damals erwarteten Studiendauer entsprochen.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren ab und erkannte im Sinne des - anerkannten - Eventualbegehrens.

Rechtlich sei der Vertrag nach § 914 ABGB nach der Absicht der Parteien auszulegen. Parteiabsicht und objektiv erkennbarer Zweck seien der Abschluß eines Mietvertrages für die Dauer des Studiums der Klägerin gewesen. Dem stehe auch nicht die gegen § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG verstoßende dreijährige Befristung entgegen, zumal diese in den Vertragstext nur wegen der Erklärung der Klägerin aufgenommen worden sei, in spätestens drei Jahren ihr Studium beendet zu haben bzw. nach diesem Zeitraum in ihre Heimat, die Bundesrepublik Deutschland, zurückkehren zu wollen. Der Wortlaut der getroffenen Vereinbarung bedürfe daher einer entsprechenden Korrektur im Sinne der übereinstimmenden Parteiabsicht. Es sei daher lediglich das von den beklagten Parteien anerkannte Eventualbegehren berechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei.

Ob die in Punkt II des Mietvertrages getroffene Vereinbarung § 29 Abs 2 MRG zu unterstellen sei, unterliege nur der rechtlichen Beurteilung. Die Parteien hätten nicht behauptet, daß die getroffenen Vereinbarungen nicht ihrem Willen entsprochen hätten. Aus der schriftlichen Vereinbarung gehe hervor, daß die Wohnung zum Zweck des Hochschulstudiums gemietet worden sei und der Vertrag mit Beendigung oder Abbruch der Ausbildung erlösche. Damit werde nach dem Gesetz der Mietvertrag mit dem Eintritt dieser Bedingung aufgelöst. Dem Wesen eines Studentenmietvertrages liege kein bestimmter, sondern ein ungewisser - lediglich bestimmbarer - Endtermin zugrunde. Das Gesetz normiere von den Parteien nicht beeinflußbar als zusätzlichen Endzeitpunkt die Vollendung des 27. Lebensjahres des Mieters, wenn der Mietvertrag bis dahin bereits fünf Jahre gedauert habe und die Ausbildung bis dahin weder beendet noch abgebrochen worden sei. Habe der Mietvertrag bei Erreichung des 27. Lebensjahres noch nicht fünf Jahre gedauert oder der Mieter bereits bei Vertragsabschluß das 27. Lebensjahr vollendet, nenne das Gesetz schließlich als Endzeitpunkt des Erlöschens des Mietvertrages den Zeitraum von fünf Jahren nach dessen Abschluß. In den konkreten Mietvertrag seien neben den gesetzlichen Voraussetzungen, nämlich daß dieser mit Beendigung oder Abbruch der Ausbildung erlösche, zusätzliche Befristungen, nämlich eine dreijährige und eine fünfjährige Vertragsdauer, aufgenommen worden; welche § 29 Abs 2 MRG widersprächen. Diese unwirksamen Versuche einer Befristung der Bestandzeit seien aber nicht schädlich, weil der Vertrag alle im Gesetz zwingend vorgeschriebenen Inhalte aufweise und der Zeitpunkt des tatsächlichen Erlöschens bzw. die Auflösung des Bestandverhältnisses, im konkreten Fall die Vollendung des 27. Lebensjahres durch die Klägerin, durch das Gesetz determiniert sei. Da es der Nennung konreter Endtermine nicht bedürfe, könne die unwirksame Beisetzung von Befristungen den Charakter der an sich zulässigen Vereinbarung nicht zerstören. Es sei daher nur das Eventualbegehren, nicht aber das Hauptbegehren berechtigt.

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Ist bei Wohnungen oder Wohnräumen, die vom Mieter zu Zwecken eines Hochschulstudiums, einer Lehrlingsausbildung, des Besuches einer allgemeinbildenden höheren Schule oder berufsbildenden höheren Schule oder einer vergleichbaren Ausbildung gemietet wurden, in dem Mietvertrag schriftlich vereinbart worden, daß er mit Beendigung oder Abbruch der Ausbildung erlischt, so wird der Mietvertrag gemäß § 29 Abs 2 MRG auch mit dem Eintritt dieser Bedingung aufgelöst. Ein solcher Mietvertrag erlischt aber jedenfalls dann, wenn der Mieter das 27. Lebensjahr vollendet hat, soferne aber der Mietvertrag in diesem Zeitpunkt noch nicht fünf Jahre gedauert hat oder der Mieter bei Vertragsabschluß das 27. Lebensjahr bereits vollendet hatte, jedenfalls mit dem Ablauf eines Zeitraumes von fünf Jahren nach Abschluß des Mietvertrages.

Verträge mit unbedingtem Endtermin können entweder den Endtermin kalendermäßig festlegen oder sich auch auf ein unbestimmtes Ereignis beziehen. Der in § 29 Abs 2 MRG geregelte sogenannte Studentenmietvertrag stellt eine Mischform dar, weil der Endtermin einerseits auf ein unbestimmtes Ereignis - Abschluß oder Abbruch der Ausbildung - abgestellt ist, andererseits aber auch nach dem Lebensalter und damit verbundener Höchstdauer kalendermäßig festgelegt wird.

Verträge mit unbedingtem Endtermin haben eine zweifache Wirkung (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht, Rz 4 zu § 29 MRG; 5 Ob 609/90): Zum einen liegt dem Abschluß eines Mietvertrages auf bestimmte Zeit ein stillschweigender Kündigungsverzicht für die vereinbarte Vertragsdauer, also eine Bindung beider Teile für diese Zeit zugrunde, weshalb weder der Mieter noch der Vermieter das Vertragsverhältnis - abgesehen von den Fällen der §§ 1117 und 1118 ABGB - vor der vereinbarten Zeit auflösen kann. Von dieser Rechtsfolge, die durch § 29 MRG unberührt blieb, ist das Erlöschen eines solchen Mietvertrages zum Endtermin zu unterscheiden. Nur in diese Erlöschenswirkung solcher Verträge greifen die Bestimmungen des § 29 Abs 1 und Abs 2 MRG ein, und zwar insofern, als es bei Mietverträgen mit unbedingtem Endtermin, die die Voraussetzungen des § 29 Abs 1 Z 3 oder des Abs 2 nicht erfüllen, zur Durchsetzbarkeit einer den Bestimmungen der §§ 30 bis 33 MRG entsprechenden Kündigung bedarf. Nur wenn die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind, erlischt das Mietverhälntis nach § 1113 ABGB; eine Forsetzung kommt in diesen Fällen nur nach § 1114 Satz 2 ABGB zustande. Bei allen anderen befristeten Verträgen (mit undurchsetzbarem Endtermin oder mit bedingtem Endtermin iSd § 1114 Satz 1 ABGB) richtet sich die Vertragsverlängerung seitens des Mieters nach § 1114 ABGB, während auf das Auflösungsbegehren des Vermieters die materiellrechtlichen Vorschriften über die Kündigung sinngemäß anzuwenden sind (Würth-Zingher aaO Rz 16 zu § 29;

MietSlg. 33.424/16, 1 Ob 687/87).

Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin kann Punkt II des abgeschlossenen Mietvertrages nicht dahin verstanden werden, daß damit zunächst - unabhängig von ihrem Studium - ein befristeter Mietvertrag auf drei Jahre geschlossen wurde, der wegen Überschreitung der in § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG normierten Höchstdauer faktisch auf unbestimmte Zeit als verlängert gilt, und daß nur für den Fall einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Verlängerung die Bestimmungen des § 29 Abs 2 MRG zur Anwendung kommen sollten. Schon einleitend ist im Vertrag ausdrücklich vereinbart, daß das Mietverhältnis am 1.7.1986 beginnt und, wie dies von den Parteien auch gewollt war, für die Dauer des von der Mieterin betriebenen Studiums, längstens jedoch auf die Dauer von drei Jahre abgeschlossen wird. Es kann also keine Rede davon sein, daß nicht schon von vornherein der Vertrag auf die Dauer des Studiums der Klägerin eingeschränkt worden wäre. Berücksichtigt man, daß die dann zunächst im Vertrag enthaltene Befristung von drei Jahren gewählt wurde, weil die Klägerin erklärt hatte, ihr Studium innerhalb dieser Zeit voraussichtlich zu beenden, dann kann auch die daran anschließende Formulierung "sollte das Bestandverhältnis über diesen Termin hinaus verlängert werden, so gilt jedenfalls als vereinbart, daß mit der Beendigung oder dem Abbruch der Ausbildung der Mietvertrag erlischt ...." nur so verstanden werden, daß der Vertrag, sollte das Studium der Klägerin nach der zunächst in Aussicht genommenen Frist noch nicht beendet sein und fortgesetzt werden, nicht aufgelöst sein sollte, sodaß es einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Verlängerung bedurfte, sondern entsprechend der noch erforderlichen Studienzeit weiterlaufen sollte, der Vertrag wirtschaftlich also eine Einheit bildet.

Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß der Vertrag den zwingend im § 29 Abs 2 MRG vorgeschriebenen Inhalt aufweist, nämlich neben der Schriftform das Erlöschen mit Beendigung oder Abbruch des Hochschulstudiums und daß die Erlöschenswirkungen, von den Parteien nicht beeinflußbar, durch das Gesetz selbst normiert werden, ohne daß es einer besonderen Festlegung eines Endzeitpunktes im Vertrag bedarf. Im vorliegenden Fall ist wesentlich, daß die dem Gesetz nicht entsprechenden vereinbarten Befristungen in beiden Fällen vor dem gesetzlich vorgesehenen Endzeitpunkt des in Frage stehenden Mietvertrages liegen. Es ist zulässig, in Mietverträgen, welche durchsetzbar nur bis zu einer bestimmten Höchstfrist abgeschlossen werden können, sei es von vornherein oder durch Verlängerung ("Kettenverträge") kürzere Endzeitpunkte festzulegen. Dies hat nicht die Ungültigkeit der vereinbarten Befristung, sondern nur zur Folge, daß diese als wirtschaftliche Einheit zu betrachtenden Verträge erst bei Überschreiten der gesetzlichen Höchstfristen die Rechtsfolge eines auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Mietvertrages auslösen (vgl Würth in Rummel ABGB Rz 7 zu § 29 MRG). Ebenso muß es auch zulässig sein, innerhalb der gesetzlich festgelegten Dauer eines Studentenmietvertrages weitere Befristungen zu vereinbaren. Diese haben dann allerdings - wie eingangs ausgeführt - nur die Wirkung der mangelnden Durchsetzbarkeit seitens des Vermieters. Es finden auf dessen Auflösungsbegehren die Bestimmungen über die Kündigungsbeschränkungen Anwendung, während sie dem Mieter die Möglichkeit geben, durch die Erklärung, das Mietverhältnis nicht fortzusetzen, das Bestandverhältnis aufzulösen (vgl MietSlg XXXIX/19, Würth aaO Rz 8 zu § 29 MRG). Die vollen Rechtsfolgen des § 29 Abs 3 MRG mit der Wirkung, daß der Mietvertrag als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gilt, treten erst bei Fortsetzung des Mietverhältnisses über die vom Gesetz festgelegte Dauer hinaus ein. Dies trifft im vorliegenden Fall aber nicht zu.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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