OGH 5Ob110/90

OGH5Ob110/9030.4.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Klinger, Dr. Schwarz und Dr. Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Maria L*****, Geschäftsfrau, ***** vertreten durch Walter Jaros,

Mieter- Interessengemeinschaft Österreichs (MIM), 1100 Wien, Antonsplatz 23/3, gegen die Antragsgegnerin N.V. M*****, vertreten durch Dr. Rudolf Holzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 21. August 1990, GZ 41 R 295/90-24, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 17. Jänner 1990, GZ 6 Msch 16/89-18, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antrag der Antragsgegnerin auf Zuspruch von Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Antragstellerin begehrt - nach vorausgegangenem Verfahren vor der Schlichtungsstelle - die Feststellung, der vereinbarte und tatsächlich vorgeschriebene Hauptmietzins von monatlich S 5.500,-

für das von der Antragstellerin im Hause Wien 2, ***** gemietete Geschäftslokal übersteige die Angemessenheitsgrenze nach § 16 Abs 1 MRG.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Das an der Ecke P*****straße - ***** M*****gasse gelegene Geschäftslokal weist in zwei Etagen eine Gesamtfläche von 83,5 m2 auf. Es befindet sich in gutem, gebrauchsfähigem Zustand. Nach Abschluß des Mietvertrages nahm die Antragstellerin gewisse zweckmäßige Umgestaltungen und Ergänzungen der Heizungsanlage vor und baute weiters wegen der windoffenen Lage im Geschäftsbereich Thermogläser ein. Das Lokal kann ohne wesentliche Aufwendungen außer für den Espressobetrieb der Antragstellerin auch zu Verkaufs- und Repräsentationszwecken in vielen Branchen verwendet werden.

Die Lage des Geschäftslokales unmittelbar gegenüber dem Zentralbüro der B*****versicherung, ca. 100 m von der T*****straße entfernt, im freien Sichtbereicht der Sch*****brücke ist als mäßig gute Geschäftslage einzustufen, wobei sich der Passantenstrom zwischen T*****straße und dem guten Teil der P*****straße ab der A*****gasse sowie zum ersten Bezirk hin auswirkt.

Für Geschäftslokale in vergleichbarer Lage sowie von ähnlicher Größe, Art und Ausstattung wurden zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages und werden auch jetzt noch durchschnittlich Hauptmietzinse von S 75 pro m2 bis S 85 pro m2 erzielt (gegenüber dem von den Streitteilen vereinbarten Hauptmietzins von knapp S 66 pro m2).

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß der angemessene Mietzins seine Grundlage im ortsüblichen Mietzins für Lokale ähnlicher Größe, Beschaffenheit und Ausstattung habe, wobei allerdings als Vergleichsobjekte nur solche herangezogen werden dürften, die den mietzinsrechtlichen Schranken des § 16 Abs 1 MRG unterlägen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses aus.

Da der Gesetzgeber eine Methode zur Ermittlung des angemessenen Mietzinses nicht vorgegeben habe, werde in Lehre und Rechtsprechung (zutreffend) die vergleichende Wertermittlung als die vorzüglichste Methode angesehen: Dadurch könne die Freiheit der Parteien, selbst zu bestimmen, welchen Mietzins sie für ein bestimmtes Objekt als äquivalente Gegenleistung ansehen (subjektive Äquivalenz), eine objektive Grenze finden.

Das Rekursgericht könne aber die in der Rechtsprechung vertretene Meinung, daß als Vergleichsobjekte nur solche Mietgegenstände in Betracht kämen, die ihrerseits den mietzinsrechtlichen Schranken des § 16 Abs 1 MRG unterworfen seien, nicht in dieser Allgemeinheit, und die Forderung, daß dabei auf die Angemessenheit der Höhe des vereinbarten Mietzinses Bedacht genommen worden sein müsse, überhaupt nicht aufrecht erhalten.

Eines der in § 16 Abs 1 MRG genannten Kriterien zur Ermittlung des angemessenen Hauptmietzinses sei die Lage des Geschäftslokales. In der Anführung dieses Kriteriums liege der Hinweis des Gestzgebers auf die Notwendigkeit der Berücksichtigung ortsüblicher Preisentwicklungen bei Ermittlung des angemessenen Mietzinses. Das Übliche könne empirisch festgestellt werden. Es sei eines der gesetzlichen Kriterien des angemessenen Mietzinses; der Sachverständige habe sodann, da völlig gleichartige und gleichwertige Vermietungsfälle in der Regel nicht gegeben seien, auf Grund der zusätzlichen abstrakten Bewertungskriterien auf die Besonderheit des zur Beurteilung stehenden Falles Bedacht zu nehmen. Letzteres sei die eigentliche gutachtliche Tätigkeit, die auf der dem Sachverständigen bekanntgewordenen oder auf andere Weise erhobenen Marktsituation aufbaue. Die Forderung nach einem empirischen Vergleich (Vergleichswertmethode) sei nur sinnhaft, wenn die Vergleichsgegenstände nicht ihrerseits als Vorfrage durch wertende Beurteilung (Angemessenheitsprüfung) verändert werden, zumal für deren Überprüfung wieder nur Wertungsvorgänge ausschlaggebend wären. Es würde ja sonst genügen, den Wertungsvorgang ebensowenig objektivierbar auf das konkret zu überprüfende Objekt zu beschränken. Der zur Ermittlung des Kriteriums "Lage" zu Vergleichszwecken heranzuziehende ortsübliche Mietzins sei der tatsächlich bezahlte, der auf dem Markt trotz gesetzlicher Schranken erzielte. Dies sichere im übrigen auch allein die Anpassung des künftig vereinbarungsmöglichen, weil angemessenen Mietzinses einerseits an die Geldwertminderung und andererseits an die Veränderungen des Marktes. Durch Tradition jeweils des als angemessen erachteten Mietzinses von Vermietungsfall zu Vermietungsfall würde, bis zur letzten Konsequenz durchgezogen, eine im Gesetz für Geschäftslokale gerade nicht angeordnete starre Mietzinsobergrenze geschaffen. Ergebnis des vorzunehmenden Vergleiches seien somit die in vergleichbarer Lage für vergleichbare Geschäftsräumlichkeiten (einen wesentlichen Einfluß habe erfahrungsgemäß die Größe, aber auch der Umstand, ob es sich um Gassenlokale oder Büroräumlichkeiten handle - insoweit könnten es allerdings nicht Mietobjekte sein, welche den für Wohnungen geltenden Kategoriezinsgrenzen des § 16 Abs 2 MRG unterlägen) tatsächlich erzielten Hauptmietzinse pro m2 Nutzfläche.

Sei nicht die freie Preisfindung, sondern die wertende Anwendung empirisch gefundener Marktpreise auf den konkret zu überprüfenden Mietvertrag Aufgabe des allgemein gerichtlich beeideten Sachverständigen, so sei auch dem Argument der Antragstellerin hinsichtlich der Betrauung von Sachverständigen aus dem Immobilienverwalter- und Maklerkreis der Boden entzogen. Sie seien es vorzüglich, die diesen Wertungsvorgang auf Grund ihrer Berufserfahrung darlegen könnten. Berücksichtige die MA 40, deren dort tätiger Sachverständiger (Beamter) als Zeuge vernommen wurde, in ihrer Stellungnahme ausdrücklich nicht die am Markt üblichen Mietzinse, so sei das wiederholt beobachtete Auseinanderklaffen zwischen den von ihr bekanntgegebenen und jenen durch den im Gerichtsverfahren betrauten Sachverständigen bekanntgegebenen Mietzinsen vorprogrammiert.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil das Rekursgericht bezüglich der Art der heranzuziehenden Vergleichsobjekte von der bisherigen Rechtsprechung abgewichen sei.

Gegen den rekursgerichtlichen Sachbeschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Begehren, ihn aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen bzw. "in der Sache selbst zu entscheiden".

Die Antragsgegnerin begehrt, den Revisionsrekurs mangels Unterfertigung durch einen Rechtsanwalt zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

1.) Zum behaupteten Formmangel:

Gemäß § 37 Abs 3 Z 16 MRG bedürfen schriftliche Rekurse im besonderen Außerstreitverfahren nach dem MRG nicht der Unterfertigung durch einen Rechtsanwalt. Es ist daher davon auszugehen, daß die Walter Jaros, einem Funktionär der MIM, seitens der Antragstellerin erteilte Vollmacht diesen zur Vertretung der Antragstellerin im Rechtsmittelverfahren berechtigt. Die Bestimmung des § 37 Abs 3 Z 11 MRG, wonach zur Vertretung der Parteien in erster und zweiter Instanz auch die Funktionäre und Angestellten derjenigen Vereine befugt sind, zu deren satzungsmäßigen Zwecken der Schutz und die Vertretung der Interessen der Vermieter oder der Mieter gehört und die sich mit der Beratung ihrer Mitglieder in Mietangelegenheiten in mehr als zwei Bundesländern regelmäßig befassen, dient lediglich der Abgrenzung gegenüber der unzulässigen Winkelschreiberei (MietSlg. 39.527, 40.534; Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19 § 37 MRG Rz 40; jüngst 5 Ob 101-107/89).

Die Aktenlage bietet keinen Anhaltspunkt dafür, daß Walter Jaros als Winkelschreiber tätig wird, so daß kein Anlaß besteht, ihn gemäß § 29 Abs 3 ZPO - die analoge Anwendbarkeit dieser Bestimmung im außerstreitigen Verfahren nach MRG einmal unterstellt - als Vertreter nicht zuzulassen.

2.) Zur Sachentscheidung:

Nach § 16 Abs 1 Z 1 MRG sind Vereinbarungen zwischen dem Vermieter und dem Mieter über die Höhe des Hauptmietzinses eines Geschäftslokales - soweit überhaupt die zinsrechtlichen Bestimmungen des MRG anzuwenden sind - nur bis zu dem für den Mietgegenstand nach Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs- und Erhaltungszustand angemessenen Betrag zulässig. Durch den Begriff "angemessen" wird kein abstrakter Wertbegriff ausgedrückt, sondern nur die Verbindung zwischen den vom Gesetzgeber genannten Wertkriterien und dem daraus zu ermittelnden Betrag hergestellt; angemessen bedeutet also in diesem Sinn nichts anderes als "entsprechend" (Würth in Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG 346). Die Angemessenheit kann daher nur im Einzelfall unter Heranziehung der genannten gesetzlichen Komponenten geprüft werden. Hiezu sind nach kritischer Ermittlung des für gleichwertige (nicht öffentlich geförderte) Objekte nach Art, Größe und Lage üblichen Mietzinses Zu- und Abschläge entsprechend den anderen Wertfaktoren vorzunehmen (Würth in Rummel, § 16 MRG Rz 8). Dem folgte die Rechtsprechung insoweit, als sie die dabei in Betracht kommenden Vergleichsobjekte auf solche Mietgegenstände beschränkte, die ihrerseits den mietzinsrechtlichen Schranken des § 16 Abs 1 MRG unterworfen sind und bei deren Vermietung daher auf die Angemessenheit der Höhe des vereinbarten Mietzinses Bedacht genommen wurde (MietSlg XXXVII/34 ua). Diese Methode setzt freilich voraus, daß entweder ein Markt besteht, der brauchbare Vergleiche bietet, um das Übliche als Angemessenheitsgrenze zu ermitteln, oder daß doch zumindest einige vergleichsfähige Vermietungsfälle unter annähernd gleichen Verhältnissen im näheren Umkreis herangezogen werden können. Da aber eine völlige Gleichartigkeit und Gleichwertigkeit der Beschaffenheit der zu vergleichenden Vermietungsfälle in der Regel nicht gegeben ist, kann der Sachverständige ohne zusätzliche abstrakte Bewertungskriterien, die auf die Besonderheit des zur Beurteilung stehenden Falles Bedacht nehmen, nicht auskommen

(MietSlg XXXIX/5).

Bei Geschäftslokalen ist vor allem die Lage des Mietobjektes für die Höhe des begehrten bzw. gebotenen Mietzinses entscheidend (so auch der in diesem Verfahren beigezogene Sachverständige in seinem Gutachten ON 8). Welcher Mietzins für ein Geschäftslokal in bestimmter Lage erzielbar ist, hängt aber ausschließlich davon ab, welchen Mietzins ein Unternehmer, dessen geschäftliche Tätigkeit auf Gewinn gerichtet ist und dessen Bereitschaft zur Zahlung eines Mietzinses in bestimmter Höhe wesentlich von dem von ihm prognostizierten Geschäftserfolg abhängt, unter Berücksichtigung des gesamten für ihn attraktiven Angebotes auf dem Markt zu zahlen bereit ist, also von einer rein subjektiven Komponente. Das für die Angemessenheit des Mietzinses - wenn auch nicht allein - wertbestimmende Kriterium der Lage des Mietgegenstandes ist daher nach dem Gesagten davon unabhängig, ob der Mietgegenstand dem § 16 Abs 1 MRG unterliegt oder nicht, weil eben gerade der in dieser Gesetzesstelle gebrauchte Begriff "angemessen" für sich allein keine, über die wertbestimmenden Faktoren hinaus wirksame Bedeutung hat. Dazu kommt, daß die Geltung des § 16 Abs 1 MRG für die Mietzinsbildung im wesentlichen vom länger zurückliegenden Baujahr des Gebäudes abhängt, in dem sich der Mietgegenstand befindet (s § 1 Abs 4 Z 1 und 3 MRG). Mietgegenstände in sogenannten Altbauten unterscheiden sich aber von Neubauten meist wesentlich durch Beschaffenheit, Ausstattungs- und Erhaltungszustand, also durch weitere, die Angemessenheit des Mietzinses beeinflussende Merkmale. Erst durch die Berücksichtigung dieser Bewertungskriterien (wie oben unter Hinweis auf MietSlg XXXIX/5 dargelegt) kann der angemessene Mietzins endgültig ermittelt werden. Deshalb wird es im großen und ganzen zum gleichen Ergebnis führen, wie wenn bei der Ermittlung von Vergleichswerten zwecks ziffernmäßiger Festlegung des bloß vom Merkmal der Lage abhängigen angemessenen Mietzinses nur sogenannte Altbauten in den Vergleich einbezogen werden. Der Oberste Gerichtshof will daher die in seiner Entscheidung MietSlg XXXVII/34 zum Ausdruck gebrachte Ansicht, daß als Vergleichsobjekte Mietgegenstände in Betracht kommen, die ihrerseits den mietzinsrechtlichen Schranken des § 16 Abs 1 MRG unterworfen sind, nunmehr nicht so verstanden wissen, daß als Vergleichsobjekte nur solche Mietgegenstände in Betracht kämen. Insoweit wird eine in der genannten Entscheidung ausgedrückte andere Rechtsansicht nicht aufrecht erhalten, hingegen die vom Rekursgericht ausgesprochene Rechtsmeinung gebilligt.

Verfahrensrechtlich unbedenklich ist auch die Vorgangsweise der Vorinstanzen, den ortsüblichen Mietzins für Geschäftslokale durch das Gutachten eines Sachverständigen aus dem Immobilienfach zu ermitteln. Ob die Vorinstanzen die Aufnahme anderer Beweise oder die Beiziehung weiterer Sachverständiger für notwendig erachten, ist vom Obersten Gerichtshof, der selbst nicht Tatsacheninstanz ist, nicht weiter überprüfbar.

Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die von der Antragsgegnerin verzeichneten Anwaltskosten gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 19 MRG.

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