OGH 6Ob544/91

OGH6Ob544/9125.4.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Erwin *****, geboren am 25. Juni 1986, infolge Revisionsrekurses des Vaters *****, vertreten durch Dr. *****, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen den Beschluß des Jugendgerichtshofes Wien als Rekursgericht vom 1. März 1991, GZ 22 R 1/91-54, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom 13. September 1990, GZ P 27/89-47, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Kirchberg am Wagram vom 24.1.1989 gemäß § 55 a EheG geschieden. In dem anläßlich der Scheidung geschlossenen Vergleich vereinbarten die Eltern, daß der aus der Ehe stammende mj. Gerhard *****, geboren 26.10.1983, in der Obsorge des Vaters verbleiben, während die Obsorge für den mj. Erwin der Mutter zukommen solle. Dieser Vergleich wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Kirchberg am Wagram vom 4.8.1989 pflegschaftsgerichtlich genehmigt.

Am 17.10.1989 beantragte der Vater, ihm die elterlichen Rechte für den mj. Erwin zu übertragen, weil es diesem bei ihm besser gehen würde. Er wies darauf hin, daß die Mutter das Kind schlecht behandle, es angeblich schlage und jedenfalls nächtelang nicht zu Hause sei.

Die Mutter sprach sich gegen den Antrag des Vaters aus und bestritt die gegen sie erhobenen Vorwürfe.

Das Erstgericht entzog der Mutter die Obsorge für den Minderjährigen, übertrug diese dem Vater, trug der Mutter auf, das Kind dem Vater an ihrem Wohnort zu übergeben und ordnete an, daß der Beschluß erst nach Eintritt der Rechtskraft zu vollziehen sei. Es erachtete diese Maßnahme für das Wohl des Kindes als erforderlich.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter Folge und wies den Antrag des Vaters, der Mutter die Obsorge zu entziehen und ihm zu übertragen, ab, weil es zu dem Ergebnis kam, daß es dem Kindeswohl besser entspreche, wenn es in den bisher bestehenden Pflege- und Erziehungsverhältnissen belassen werde und eine Neuregelung im Interesse des Kindes nicht dringend geboten erscheine. Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es ergebe sich aus der Natur der Sache, daß Entscheidungen im Sinne des § 176 ABGB auf den Einzelfall abzustimmen seien, die Rechtsprechung daher uneinheitlich sein müsse.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig, weil es entgegen der Meinung des Rekursgerichtes an den Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG fehlt. Dieses ist bei seiner Entscheidung der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gefolgt, daß Maßnahmen nach § 176 ABGB nur dann gerechtfertigt sind, wenn der Elternteil, dem die Obsorge zukommt, die Erziehung vernachlässigt oder die Erziehungsgewalt mißbraucht, nicht aber schon dann, wenn die Erziehung beim anderen Elternteil oder einer dritten Person besser wäre als die an sich ordnungsgemäße bestehende Erziehung. Eine einmal getroffene Regelung, welchem Elternteil alle aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten allein zustehen sollen, darf nicht bereits bei geringfügigen Veränderungen der Interessenlage, sondern nur dann geändert werden, wenn das Wohl des Kindes gefährdet ist, wenn also besonders wichtige Gründe vorliegen, die eine Änderung dringend geboten erscheinen lassen. Dabei ist ein besonders strenger Maßstab anzulegen (EvBl 1979/185; EFSlg 51.284 ua; Pichler in Rummel ABGB2 Rz 1 zu § 176).

Das Rekursgericht ist unter Anwendung dieser Grundsätze ohne Rechtsirrtum zu dem Ergebnis gelangt, daß solche besonders wichtigen Gründe für eine Entziehung der Obsorge im Interesse des Kindeswohles nach den Umständen des hier vorliegenden Falles nicht gegeben sind. Der Entscheidung kommt auch keine über den konkreten Einzelfall hinausreichende Bedeutung für die Rechtssicherheit, Rechtseinheit oder Rechtsentwicklung zu. Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

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