OGH 12Os32/91

OGH12Os32/9125.4.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.April 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sauer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Siegfried T***** wegen des Finanzvergehens der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs. 1 und 13 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Siegfried T***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 7.November 1990, GZ 15 Vr 54/90-15, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Siegfried T***** wurde des Finanzvergehens der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs. 1 (irrig auch: Abs. 3 lit a; siehe LSK 1984/97 uva) und 13 FinStrG schuldig erkannt, weil er durch Abgabe unrichtiger Steuererklärungen für die Jahre 1981 bis 1983 eine Verkürzung der Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer sowie der Abgabe von alkoholischen Getränken bewirkt und für die beiden folgenden Jahre eine Verkürzung der Umsatz- und der Gewerbesteuer sowie der Abgabe von alkoholischen Getränken zu bewirken versucht hat (Summe der strafbestimmenden Wertbeträge 1,036.899 S).

Vom weiteren Anklagevorwurf einer Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG wurde der Angeklagte unangefochten freigesprochen.

Den Schuldspruch bekämpft T***** mit Nichtigkeitsbeschwerde nach § 281 Abs. 1 Z 4, 5, 5 a sowie 9 lit a und 10 StPO, wobei er - wie noch näher ausgeführt werden wird - jedoch in Ausführung der beiden letztgenannten Nichtigkeitsgründe keinen Rechtsirrtum des Schöffengerichts, sondern abermals nur einen Begründungsmangel des Urteils aufzuzeigen sucht.

Rechtliche Beurteilung

Die etwaige Berechtigung der Verfahrensrüge (Z 4) ist nicht nach den weitwendigen Rechtsmittelausführungen (S 187-193/II), sondern nach dem Wortlaut des in erster Instanz gestellten Beweisantrages zu beurteilen. Darnach wurde die zeugenschaftliche Vernehmung des Ehepaares H***** allein dafür beantragt, daß beim Verkauf ihrer Liegenschaften an T***** kein Schilling schwarz geflossen sei und der Kaufvertragsverfasser Rechtsanwalt Dr. Walter B***** ausschließlich darüber aussagen sollte, daß beim Kauf der gegenständlichen Grundstücke alles korrekt abgelaufen sei (S 162 ff/II). Die Einvernahme des Zeugen Dr. B***** war schon deshalb entbehrlich, weil der Schöffensenat ohnehin davon ausgegangen ist, daß mit dessen Wissen kein Teil des Kaufpreises "schwarz" bezahlt wurde (US 8 f). Was aber allenfalls ohne Wissen Dris. B***** geschehen ist, darüber kann dieser nichts aussagen.

Josef und Elisabeth H***** wiederum haben schon bei ihrer ersten Vernehmung im Jahre 1983 einbekannt, einen höheren als den im schriftlichen Kaufvertrag genannten Preis für ihre Liegenschaft von T***** erhalten zu haben; sie wurden dafür auch rechtskräftig finanzbehördlich bestraft. Hernach haben sie ihre Angaben als Zeugen aufrecht erhalten und sich zu deren Beeidigung bereit erklärt (ON 11). Dies hätte den Antragsteller veranlassen müssen, konkret darzutun, weshalb nunmehr Josef und Elisabeth H***** etwas anderes als damals aussagen sollten. Der Umstand, daß der gesamte im schriftlichen Vertrag festgehaltene Kaufpreis zur Lastenfreistellung der Grundstücke des erwähnten Ehepaares erforderlich war, spricht nicht im mindesten dagegen, daß die Verkäufer noch zusätzlich Bargeld für sich selbst gefordert und erhalten haben. Es bestand daher auch kein Grund gemäß dem weiteren Antrag des Verteidigers (S 164/II) bestimmt bezeichnete Straf- und Zivilakten gegen "u.T." zum Beweis dafür beizuschaffen, daß das Ehepaar H***** sich bereits zum Zeitpunkt des gegenständlichen Verkaufs ihrer Liegenschaft in einer Lage befunden habe, daß der gesamte (gemeint: im schriftlichen Vertrag ausgeworfene) Kaufpreis unbedingt für die Lastenfreistellung der Grundstücke finanziell erforderlich war. Inwieweit aber das Ehepaar H***** sonst noch über seine eigene Schulden- und Vermögenslage informiert war, wofür ebenfalls die Aktenbeischaffung beantragt worden war, ist für die verfahrensrelevante Steuer(un)ehrlichkeit des Angeklagten T***** ohne Bedeutung.

Im übrigen überschätzt der Angeklagte, wie auch die Rechtsmittelausführungen zeigen, weiterhin die Bedeutung dieses Grundstückskaufs und eines dabei allfällig bezahlten "Schwarzgeldes" für den vorliegenden Straffall. Denn es wird ihm gar nicht vorgeworfen, dadurch Abgaben hinterzogen und ein Finanzvergehen begangen zu haben. Die aufgebrachten Geldmittel für den Liegenschaftsankauf dienten im vorliegenden Fall - und das auch nur untergeordnet (US 8) - bloß der Vermögensdeckungsrechnung. Das Wesen einer solchen liegt aber darin, zu prüfen, inwieweit das während eines Vergleichszeitraumes zur Verfügung stehende Geld ausgereicht haben kann, sämtliche Ausgaben desselben Zeitraumes zu decken. Ist das im Vergleichszeitraum festgestellte Vermögen größer als das, welches sich aus den Angaben des Steuerpflichtigen ergibt, dann läßt dies den Schluß zu, daß er Einkünfte bezogen hat, die er steuerlich nicht erklärt hat. Die im vorliegenden Fall festgestellte Unterdeckung wurde aber vor allem auf das eingeholte umfassende (I.Bd.) Gutachten des Sachverständigen Dkfm. B***** gegründet (siehe Zeuge W***** S 160/II), dem auch das Schöffengericht Glaubwürdigkeit und überragende Bedeutung zuerkannte, nicht aber schwergewichtig auf den für den genannten Grundstücksankauf aufgewendeten Bargeldbetrag (US 8 f).

Die Mängelrüge (Z 5) hinwieder kann nicht damit begründet werden, daß der Angeklagte aus dem vorliegenden Beweismaterial einfach andere Schlüsse zieht als die Erstrichter und dann beides miteinander vergleicht und mangels Übereinstimmung meint, damit einen formellen Fehler des Erstgerichts aufgezeigt zu haben. Unrichtig ist sogar die Beschwerdebehauptung, es wäre, ausgehend von der von der Rechtsprechung anerkannten "Bindungswirkung" rechtskräftiger Abgabenbescheide, im Urteil eine Begründung der subjektiven Tatseite überhaupt unterblieben. Es hat nämlich das Strafgericht ohne irgendwelche Bindungen an die Auffassung der Abgabenbehörde zu entscheiden, ob den Angeklagten an den festgestellten Abgabenverkürzungen ein strafrechtliches Verschulden trifft (SSt 48/36 verstärkter Senat). Zutreffend hat dies aber auch das Schöffengericht getan, indem es das Gesamtverhalten des Angeklagten, insbesondere seine in einem gesonderten Strafverfahren abgehandelten betrügerischen Malversationen, einer umfassenden Würdigung unterzogen hat und als deren Ergebnis nicht Sorglosigkeit und Schlamperei, sondern den Vorsatz des Angeklagten zur Abgabenverkürzung als Schuldform feststellte (US 9 f). Darüber hinaus hat der Schöffensenat sich nicht einmal zur Frage der Abgabenverkürzung selbst auf die "Bindungswirkung der rechtskräftigen Abgabenbescheide" beschränkt, sondern vielmehr zusätzlich das zugrundeliegende Beweismaterial, insbesondere das umfassende Sachverständigengutachten und die Ausführungen des Betriebsprüfers, einer Prüfung und Würdigung unterzogen (US 7 f). Wenn dabei die Richter dem Gutachten des Sachverständigen (Bd. I) gefolgt sind und dieses als ausreichend und schlüssig bezeichnet haben, so haben sie im Rahmen der ihnen zukommenden Beweiswürdigung gehandelt (Mayerhofer-Rieder2 ENr 120 f zu § 258 StPO) und damit ihr Urteil keinesfalls mit einem Begründungsmangel belastet.

Die Verletzung der Pflicht zur Beschaffung von Exportbescheinigungen sowie des jeweiligen Ausfuhrnachweises (US 5) wird dem Angeklagten nicht als Finanzvergehen angelastet (siehe Spruch US 1 f), sondern bloß im Rahmen der Feststellung des Vorsatzes zur Abgabenhinterziehung mit dem Hinweis verwertet, daß derjenige, der die Beobachtung dieser Vorschriften vorsätzlich unterläßt, auch bezüglich der abzuführenden Abgaben wohl gleichermaßen vorsätzlich handelt (US 10). Dies verkennt die Beschwerde, wenn sie in der Nichterfüllung der Verpflichtung zur Beschaffung entsprechender Bescheinigungen für die Exportgeschäfte ein nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG strafbares Verhalten negiert, einer Abgabenhinterziehung, von der übrigens der Angeklagte rechtskräftig freigesprochen wurde. Auf diesen Freispruch mangels Erweislichkeit eines wissentlichen Vorgehens des Angeklagten (siehe US 6) ist der Rechtsmittelwerber zu verweisen, wenn er eine nähere Begründung für diese Schuldform im Urteil vermißt. Damit ist aber auch ein möglicher weiterer Irrtum des Angeklagten aufgezeigt, der in der Beschwerde wiederholt in diesem Zusammenhang von Vorsteuerabzügen statt von Umsatzsteuervoranmeldungen spricht.

Soweit der Angeklagte im übrigen sich aber in seiner Beschwerde wiederholt gegen die Ansichten des Finanzamtes in den ihm zugegangenen Steuerbescheiden wendet, sei er darauf verwiesen, daß diese in Rechtskraft erwachsen sind, das Urteil aber - wie dargetan - mit keinem formellen Begründungsmangel behaftet ist.

Schließlich wurden die Ausführungen der Vertreterin des Finanzamts (Privatbeteiligtenvertreterin) in der Hauptverhandlung gar nicht im Urteil als Beweisgrundlage genannt (US 3), das "Vorbringen der Privatbeteiligtenvertreterin", der Beschwerde zuwider, also keineswegs "als Beweisergebnis übernommen" (S 205/II).

Soweit schließlich auf eine schriftliche "Entgegnung" zum Sachverständigengutachten im seinerzeit gesondert gegen den Angeklagten geführten Betrugsverfahren verwiesen wird, ist diese nicht Gegenstand des vorliegenden Beweisverfahrens gewesen und daher im prozeßgegenständlichen Verfahren unverwertbar. Ein wissentliches Handeln bei der festgestellten Abgabenverkürzung ist - wie bereits ausgeführt - nicht nötig (siehe §§ 33 Abs. 1, 8 Abs. 1 FinStrG). Die Beschwerdebehauptung, daß daher ein Vorsatz in Form der Wissentlichkeit nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte, ist somit unbeachtlich und stellt ersichtlich abermals auf den Freispruch vom Anklagevorwurf der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 FinStrG ab. Es erfolgte auch nicht ein teilweiser (bestimmte Zeiträume erfassender) Freispruch vom Vorwurf der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1, sondern ausschließlich ein solcher von derjenigen nach § 33 Abs. 2 FinStrG, der eben damit begründet wurde, daß die besondere Schuldform der Wissentlichkeit nicht zu erweisen war.

Aus den Akten selbst ergeben sich keinerlei Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen (Z 5 a). Im übrigen ist durch den Hinweis des Beschwerdeführers, daß zumindest bezüglich der "Untergrenze in Richtung der inneren Tatseite" (S 205/II) erhebliche Bedenken vorliegen müßten, zu erkennen, daß dieser abermals einem Irrtum über den Verkürzungsvorsatz unterliegt. Dieser muß sich nämlich auf die Höhe des außerhalb des Tatbestands gelegenen strafbestimmenden Wertbetrages nicht erstrecken; genug daran, daß die tatbestandsmäßige Verkürzung als solche vorsätzlich bewirkt wird. Ein Zurückbleiben des Tätervorsatzes hinter der objektiven Höhe des Verkürzungsbetrages kann daher nur beim Abwägen der Strafzumessungsschuld innerhalb des Strafrahmens Berücksichtigung finden und ist dementsprechend mit Berufung geltend zu machen (RZ 1989/10 S 46).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) erklärt einleitend durchaus zutreffend, daß hinsichtlich der inneren Tatseite die ergangenen finanzbehördlichen Bescheide keine Bindungswirkung zu entfalten vermögen. Damit argumentiert aber die Nichtigkeitsbeschwerde gar nicht gegen eine im Urteil enthaltene anderslautende Ansicht. Vielmehr wurde - wie schon in Erledigung der Mängelrüge erwähnt - der Vorsatz des Angeklagten bei seiner Abgabenverkürzung sehr einläßlich begründet. Diesen Vorsatz aber hätte die Rechtsrüge ihren weiteren Ausführungen zugrundelegen müssen, nicht aber ihre Zweifel an den diesbezüglichen Feststellungen zur Schuldform.

Wie aber das Erstgericht zu diesen Feststellungen gelangt ist, kann nicht Gegenstand der Rechtsrüge sein. Die Ausführungen hiezu gehen aber auch aus dem Gesichtspunkt einer Mängelrüge fehl, weil das Schöffengericht keineswegs unter Übergehung sämtlicher Beweisergebnisse eine "Bindungswirkung" abgabenbehördlicher Bescheide bejaht hat. Vielmehr wurden vorliegend die Feststellungen über die Abgabenverkürzungen und deren Höhe beweismäßig vor allem auf das Buchsachverständigengutachten, die Steuerakten und die Aussage des für glaubwürdig befundenen Betriebsprüfers gestützt (US 7 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung teils als unbegründet gemäß § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt nach § 285 d Abs. 1 Z 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO zurückzuweisen.

Damit aber hat gemäß § 285 i StPO über die Berufung das zuständige Oberlandesgericht zu entscheiden.

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