OGH 6Ob537/91

OGH6Ob537/9125.4.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei *****Gesellschaft mbH & Co Kommanditgesellschaft, ***** vertreten durch Dr. *****, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei ***** Kommanditgesellschaft, ***** vertreten durch Dr. *****, Rechtsanwälte in Wien, wegen 179.451,48 S sA, infolge Revisionsrekurses der ***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. *****, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 22. November 1990, GZ 41 R 540/90-19, womit der Rekurs der ***** Aktiengesellschaft gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 13. April 1990, GZ 47 C 772/88h-15, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die ***** Aktiengesellschaft ist schuldig, der beklagten Partei die mit 8.154 S (darin 1.359 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die klagende Kommanditgesellschaft - Komplementärin war die ***** Beteiligungsgesellschaft mbH, einzige Kommanditistin die ***** Aktiengesellschaft (im folgenden aufnehmende Gesellschaft; die Revisionsrekurswerberin) - war seit 6. Juli 1987 Eigentümerin der Liegenschaft *****; die beklagte Partei ist Mieterin des Geschäftslokales top.Nr. 1. Die klagende Partei brachte mit Einbringungsvertrag vom 28. September 1988 Beilage 6 ihren Betrieb als Ganzes mit allen Aktiva und Passiva gemäß Art III § 8 Abs 1 lit. b StruktVG (einschließlich der genannten Liegenschaft und 17 weiterer Liegenschaften) zum 31.Dezember 1987 in die aufnehmende Gesellschaft ein. Im Vertrag ist statuiert:

"II. ... Im Zusammenhang mit der Einbringung des Betriebes der Kommanditgesellschaft als Ganzes in die Aktiengesellschaft werden von der Aktiengesellschaft an die Kommanditgesellschaft beziehungsweise deren Gesellschafter keine Gesellschaftsanteile gewährt, weshalb eine Kapitalerhöhung der Aktiengesellschaft aus diesem Grunde unterbleibt; die Einbringung des Betriebes der Kommanditgesellschaft erfolgt vielmehr gegen Aufgabe der Beteiligung der Aktiengesellschaft an der Kommanditgesellschaft. An die ***** Beteiligungsgesellschaft mbH, welche am Vermögen der Kommanditgesellschaft nicht beteiligt, sondern als Arbeitsgesellschaft tätig ist, wird keine Gegenleistung erbracht.

....

IV. Mit dem Stichtag der Einbringungsbilanz (31. Dezember 1987) gilt der Betrieb der Kommanditgesellschaft auf die Aktiengesellschaft übergegangen. Alle von diesem Tag an eingetretenen Veränderungen im Vermögen des Betriebes gelten für Rechnung der Aktiengesellschaft geschehen."

Die klagende Partei wurde am 24. Oktober 1988 im Handelsregister (jetzt Firmenbuch) des Handelsgerichtes Wien gelöscht und nach dem Grundbuchsauszug Beilage 7 die aufnehmende Gesellschaft am 6. März 1989 in Ansehung der genannten Liegenschaft als Eigentümerin eingetragen.

Die beklagte Partei wendete gegen das von der klagenden Partei mit ihrer am 12. Dezember 1988 eingebrachten Klage auf die Behauptung, Eigentümerin der genannten Liegenschaft zu sein, gestützte Klagebegehren auf Zahlung rückständigen angemessenen Mietzinses u.a. ein, daß die klagende Partei ihr gesamtes Unternehmen einschließlich der genannten Liegenschaft noch vor Stellung ihres Mietzinserhöhungsantrages (§ 12 Abs 3 MRG) und noch vor Klagseinbringung in die aufnehmende Gesellschaft eingebracht habe, demnach auch eine allfällige Mietzinsforderung gegen die beklagte Partei.

Die klagende Partei änderte hierauf in der Tagsatzung vom 15. September 1989 ihre Bezeichnung in die der aufnehmenden Gesellschaft. Die beklagte Partei stimmte dem nicht zu.

Das Erstgericht hob sein bisheriges Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück, weil die Klage von einer nicht mehr parteifähigen Gesellschaft eingebracht worden sei. Zwar habe der gesellschaftsrechtliche Vorgang der Einbringung des Betriebes der klagenden Partei als Ganzes mit allen Aktiven und Passiven gemäß Art III § 8 Abs 1 lit. b StruktVG in die aufnehmende Gesellschaft dieser in analoger Anwendung der Regeln über die Geschäftsübernahme nach § 142 HGB die prozessuale Stellung eines Gesamtrechtsnachfolgers verschafft, doch sei die Klage von einer nicht mehr existenten Gesellschaft eingebracht worden.

Das Rekursgericht wies den Rekurs der aufnehmenden Gesellschaft "als Rechtsnachfolgerin der klagenden Partei" mangels deren Parteistellung zurück. Nach seiner Rechtsauffassung begründe die Einbringung in die aufnehmende Gesellschaft keine Gesamtrechtsnachfolge.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der aufnehmenden Gesellschaft ist nicht berechtigt.

Die Parteifähigkeit eines Rechtsgebildes ist eine absolute

Prozeßvoraussetzung vom Beginn des Rechtsstreites bis zu ihrem

Ende (Fasching, Lehrbuch2, Rz 337). Der Verlust der

Parteifähigkeit ist von Amts wegen zu beachten und führt

jedenfalls zur Nichtigkeit des Verfahrens ab dem Eintritt der

Parteiunfähigkeit. Nach § 157 Abs 1 HGB - der gemäß § 161 Abs 2

HGB auch für Kommanditgesellschaften gilt - ist nach der

Beendigung der Liquidation der Gesellschaft das Erlöschen der

Firma von den Liquidatoren zur Eintragung in das Firmenbuch

(vormals Handelsregister) anzumelden. Die Löschung der

Personenhandelsgesellschaft im Firmenbuch wirkt allerdings nur

deklarativ und beeinträchtigt solange ihre Partei- und

Prozeßfähigkeit nicht, als verwertbares Gesellschaftsvermögen

unverteilt vorhanden ist (ÖBl 1990, 73; GesRZ 1984, 50; HS X,

XI/1; 4 Ob 101-103/90 uva; Torggler-Kuczko in Straube, § 157 HGB

Rz 3). Zum Zeitpunkt der Klagseinbringung war die klagende Partei

jedenfalls noch Liegenschaftseigentümerin - wann die übrigen

Unternehmensbestandteile einschließlich der übrigen

17 Liegenschaften übergeben wurden, steht nicht fest - und damit

parteifähig. Erst während des Verfahrens wurde die aufnehmende

Gesellschaft Eigentümerin der genannten Liegenschaft, sodaß erst

während des erstgerichtlichen Verfahrens die Vollbeendigung der

klagenden Partei eintreten konnte, wenn zu diesem

Zeitpunkt - abgesehen von der genannten Liegenschaft - kein

Gesellschaftsvermögen der klagenden Partei mehr vorhanden gewesen

wäre, was freilich nicht feststeht. Dieser Feststellungsmangel

ist aber hier ebenso unerheblich wie die Beantwortung der in

jüngster Zeit divergierend beantworteten Frage, ob eine während

des Verfahrens voll beendete Personenhandelsgesellschaft

parteifähig bleibt (dafür: SZ 62/43 = GesRZ 1990, 153 = WBl 1990,

83; dagegen: SZ 62/127 = GesRZ 1990, 156 = WBl 1990, 85

= RdW 1990, 11; vgl. dazu auch Mahr, Rechtsprobleme bei

Vollbeendigung einer Personenhandelsgesellschaft während eines Rechtsstreites in GesRZ 1990, 148 ff). Denn die allein rekurrierende aufnehmende Gesellschaft ist nicht Gesamtrechtsnachfolger, wie darzustellen sein wird, und damit nicht Prozeßpartei. Ob die klagende Partei zur Weiterführung des Verfahrens berechtigt sein müßte, wie nun im Revisionsrekurs ausgeführt wird, ist mangels Anfechtung der erstgerichtlichen Entscheidung durch sie nicht zu beurteilen.

Eine privat-(handels-)rechtliche Einzel- und keine Gesamtrechtsnachfolge liegt vor, wenn ein Betrieb (oder Teilbetrieb) eines Einzelunternehmers oder einer Gesellschaft, bei der die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, iS des Art. III des Bundesgesetzes vom 23. Jänner 1969 über abgabenrechtliche Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur, BGBl. 1969, 69 idgF (StruktVG) - auch nach dem AbgÄG 1980 BGBl 1980/563, womit das Wort "abgabenrechtlich" in § 1 Abs 5 erster Satz StruktVG entfiel (SZ 59/20 = JBl 1986, 454 mit Anm von Reich-Rohrwig = EvBl 1986/180 = GesRZ 1986, 99 = RdW 1986, 143 = NZ 1987, 102) - als Sacheinlage in eine inländische Kapitalgesellschaft eingebracht wird (SZ 61/182 = RdW 1988, 450; WBl 1987, 276; SZ 59/20; GesRZ 1983, 221 ua; Kastner-Mayer-Frint, Kommentar zum StruktVG 80 Anm 222; Helbich, Umgründungen, Erläuterungen zum Strukturverbesserungsrecht4, 299, 467; Helbich, Neuerungen im StruktVG2, Heft 4 der von Stoll herausgegebenen Aktuellen Beiträge zum österr. Abgabenrecht, 44 ff; Reich-Rohrwig, Zivilrechtliche Fragen bei Einbringung von Unternehmen nach dem StruktVG in Festschrift für Franz Helbich, 149 ff, 153 f; Hügel, Gesamtrechtsnachfolge und StruktVG, Heft 6 der vorgenannten Aktuellen Beiträge, 39; Schiemer, AktG2, § 20 Anm. 2.2). Es handelt sich dabei nicht um eine "Umwandlung" in eine Kapitalgesellschaft, nicht um die Fortführung des bisherigen Unternehmens in einer anderen Gesellschaftsform (SZ 61/182; GesRZ 1983, 221). Eine analoge Anwendung der Gesamtrechtsnachfolge, wie sie der neunte Teil des AktG für (echte) Verschmelzungen vorsieht, wird von der Rechtsprechung im Hinblick auf die grundlegenden Haftungsverschiedenheiten zwischen einer Kommandit- und einer Aktiengesellschaft abgelehnt (SZ 37/132).

Durch das Ausscheiden eines von zwei Gesellschaftern einer OHG oder Kommanditgesellschaft geht das Unternehmen ohne Liquidation mit seinen Aktiven und Passiven auf den verbleibenden Gesellschafter über und das bisherige Gesamthandeigentum an der Gesellschaft wird dadurch Eigentum in der Hand des Übernehmers; das führt zu einer Gesamtrechtsnachfolge des Übernehmers im Wege der Anwachsung (SZ 62/127 mwN; SZ 44/171; 4 Ob 89/90, insoweit nicht veröffentlicht in ecolex 1990, 765; Koppensteiner in Straube, § 142 HGB Rz 10). In einem solchen Fall ist die Parteibezeichnung auf den Namen des Rechtsnachfolgers richtigzustellen (§ 235 Abs 5 ZPO; SZ 52/50; 4 Ob 89/90 ua). Der in der Entscheidung JBl 1983, 438 = GesRZ 1982, 164 mit krit. Anm. von Ostheim in GesRZ 1982, 174 ff vertretene Auffassung, daß bei Einbringungen nach § 8 StruktVG handelsrechtlich zwar keine Gesamtrechtsnachfolge eintrete, daß aber in analoger Anwendung des § 142 HGB die aufnehmende Kapitalgesellschaft (dort Gesellschaft mbH) als Geschäftsübernehmerin für den Fall anzusehen sei, daß infolge Einbringung sämtlicher Geschäftsanteile der Personenhandelsgesellschaft alle Aktiven und Passiven auf sie übergegangen seien, und einem Gesamtrechtsnachfolger "prozessual gleichgestellt werden könnte", vermochte der erkennende Senat schon in seiner eingehend begründeten Entscheidung SZ 59/20 nicht beizutreten. Daran ist festzuhalten.

Da somit handelsrechtlich und prozessual die Revisionsrekurswerberin nicht Gesamtrechtsnachfolgerin der klagenden Partei geworden ist, stellt sich die von der klagenden Partei vorgenommene Berichtigung ihrer Parteibezeichnung als unzulässiger Parteiwechsel, gegen den sich die beklagte Partei ausgesprochen hat, dar. Die zweite Instanz hat demnach den Rekurs eines Verfahrensfremden zu Recht zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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