OGH 9ObA29/91

OGH9ObA29/9110.4.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter

Dkfm. Dr. Franz Schulz (Arbeitgeber) und Winfried Kmenta (Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei REPUBLIK ÖSTERREICH, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wider die beklagte Partei ***** H***** L*****, vertreten durch ***** Rechtsanwälte *****, wegen 2,900.000 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 5. November 1990, GZ 31 Ra 103/90-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 20. Juni 1990, GZ 22 Cga 1503/89-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 25.549,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 4.258,20 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte führte als Vorsitzender eines Schöffensenates ein Strafverfahren nach dem Finanzstrafgesetz, das am 5. Dezember 1984 mit einer Verurteilung der beiden Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Schmuggels endete. Das Ersturteil wurde vom Obersten Gerichtshof mit Urteil vom 20. Juni 1985 - abgesehen vom Ausspruch über die Wertersatzstrafe - bestätigt. Auf Verfall der geschmuggelten Schmuckstücke konnte damals nicht erkannt werden, weil die diesbezüglichen Bestimmungen vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehoben worden waren. Der von den Angeklagten nach Österreich geschmuggelte Schmuck wurde vom Zollamt beschlagnahmt und sodann von der Verwahrungsstelle des Landesgerichtes für Strafsachen Wien in Verwahrung genommen. Das Zollamt Wien wies den Beklagten mehrfach darauf hin, daß die beschlagnahmten und noch unverzollten Tatgegenstände der Sachhaftung für den Zoll unterlägen und daher nur mit Zustimmung des Zollamtes freigegeben werden dürften. Am 6. August 1985 verfügte der Beklagte die Ausfolgung des beschlagnahmten Schmuckes an den Verteidiger der beiden Angeklagten. Von der Ausfolgung der Schmuckstücke erlangte das Zollamt Wien spätestens am 23. Dezember 1985 Kenntnis. Der darüber angelegte Aktenvermerk wurde noch an diesem Tag vom Erhebungsabteilungsleiter und vom Abteilungsleiter zur Kenntnis genommen.

Am 26. August 1988 wurde der Beklagte zur Stellungnahme gemäß § 7 OrgHG aufgefordert. Seine Stellungnahme langte am 6. Dezember 1988 beim Bundesministerium für Justiz ein.

Die klagende Partei begehrt vom Beklagten die Zahlung eines Betrages von 2,9 Mio S sA. Der Beklagte sei mit Schreiben des Zollamtes Wien vom 14. Dezember 1984 darauf hingewiesen worden, daß die mit Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom

28. und 29. Dezember 1983 gemäß § 54 Abs 2 FinStrG beschlagnahmten und noch unverzollten Gegenstände gemäß § 178 ZollG der Sachhaftung für den Zoll unterliegen und daher nur mit Zustimmung des Zollamtes Wien freigegeben werden dürfen. Der Beklagte habe dies nicht beachtet und am 6. August 1985 die gerichtliche Zustimmung zur Ausfolgung des Schmuckes erteilt. Aus dem Wert der beschlagnahmten Schmuckstücke resultierten Abgabenschuldigkeiten von 9,698.311 S, zu deren Leistung die Angeklagten aufgrund vollstreckbarer Bescheide des Zollamtes Wien verpflichtet seien. Der Schaden der klagenden Partei sei nach dem Scheitern der letzten Versuche bekanntgeworden, diese Abgabenschuldigkeiten im Amtshilfeweg über die Oberfinanzdirektion Berlin hereinzubringen. Erst mit dem Einlangen des Schreibens der Oberfinanzdirektion Berlin vom 25. September 1986 sei daher die Verjährungsfrist in Lauf gesetzt worden. Das Verhalten des Beklagten sei als grob fahrlässig zu qualifizieren, doch habe die klagende Partei unter Vorwegnahme des richterlichen Mäßigungsrechtes den vom Beklagten begehrten Ersatzbetrag auf 30 % des Schadens reduziert und abgerundet.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Entgegen den einschlägigen Zollvorschriften sei ein Zollverschluß bezüglich des beschlagnahmten Schmuckes nicht vorgenommen worden. Am 6. August 1985 habe der Verteidiger der beiden Angeklagten den Beklagten um Ausfolgung des Schmuckes ersucht. Der Beklagte habe den Verteidiger darauf hingewiesen, daß hinsichtlich der Modalitäten der Ausfuhr des Schmuckes in die Bundesrepublik Deutschland mit dem Zollamt Wien Kontakt herzustellen sei, was der Verteidiger auch getan habe. Er habe dort am 6. oder 7. August 1985 vorgesprochen, um die legale Ausfuhr des Schmuckes nach Deutschland zu erörtern. Er habe über Anraten des Zollamtes den Schmuck dort deponiert und ihn entweder am selben Tag oder am nächsten Tag wieder ausgefolgt erhalten. Es bestehe kein Ersatzanspruch nach dem OrgHG, weil das Zollamt Wien zumindest mehrere Stunden über den bereits freigegebenen Schmuck verfügen konnte. Weiters wandte der Beklagte Verjährung des Klagsanspruches ein, weil das Zollamt Wien bereits im Oktober oder November 1985 Kenntnis von der Ausfolgung des Schmuckes erhalten habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß der Schaden dem Rechtsträger spätestens am 23. Dezember 1985 und daher mehr als drei Jahre vor der Einbringung der Klage am 26. Jänner 1989 bekanntgeworden sei. Der Anspruch sei daher gemäß § 5 OrgHG verjährt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und teilte dessen Rechtsauffassung. Die Kenntnis des Schadens sei der Gebietskörperschaft dann zuzurechnen, wenn das zur Besorgung der entsprechenden Angelegenheiten zuständige Organ diese Kenntnis erlangt habe. Es sei Sache der klagenden Partei, dafür Sorge zu tragen, daß die zur Anspruchsverfolgung zuständigen Behörden - hier das Bundesministerium für Justiz bzw die Finanzprokuratur - unverzüglich von diesem Sachverhalt verständigt werden. Andernfalls hätte es jede Gebietskörperschaft in der Hand, mit der Behauptung mangelnder oder nicht vorhandener Kommunikation zwischen ihren verschiedenen Organen den Beginn des Laufes einer Verjährungsfrist für sich nach Belieben festzulegen. Eine Hemmung der Laufes der Verjährungsfrist sei durch das Aufforderungsschreiben des Bundesministeriums für Justiz nicht ausgelöst worden, weil eine § 6 Abs 1 dritter Satz AHG entsprechende Bestimmung in das OrgHG nicht übernommen worden sei. Auch die Schreiben der Oberfinanzdirektion Berlin vom 25. September 1986 und 22. Oktober 1986 über die Erfolglosigkeit der Betreibungsmaßnahmen zur Hereinbringung der hinterzogenen Abgaben wegen unbekannten Aufenthaltsortes der Abgabenschuldner seien für den Lauf der Verjährung ohne Bedeutung, weil die Verjährungsfrist nicht erst mit dem Schadenseintritt, sondern - sofern der künftige Schaden zu diesem Zeitpunkt bereits mit Sicherheit vorhergesehen werden könne - schon mit der Kenntnis des Geschädigten von der schädigenden Handlung in Lauf gesetzt werde.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Soweit die Revisionswerberin weiterhin die Ansicht vertritt, der Lauf der Verjährungsfrist werde erst durch die Kenntnis des nach Art 77 iVm Art 104 B-VG vertretungsbefugten Organs der klagenden Partei in Lauf gesetzt, genügt es, auf die zutreffende Begründung des Berufungsurteiles und die Entscheidung SZ 60/204 hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Aus der unterschiedlichen Textierung von § 1489 ABGB ".... der

Schade und die Person des Beschädigers dem Beschädigten bekannt

wurde ..." und von §§ 6 AHG und 5 OrgHG ".... an dem der

Schaden ... bekannt geworden ist ...." läßt sich entgegen der

Ansicht der Revisionswerberin nicht folgern, daß der Lauf der Verjährungsfrist nach den letztzitierten Bestimmungen erst mit Eintritt aller Schadensfolgen beginnt (siehe Schragel, Kommentar AHG2 Rz 222); ganz im Gegenteil führt das Fehlen einer der beiden im § 1489 ABGB genannten Voraussetzungen (Kenntnis von der Person des Schädigers) bei unveränderter Beibehaltung der weiteren Voraussetzung (Kenntns des Schadens) dazu, daß die Anforderungen für den Beginn der Verjährungsfrist nach dem AHG und dem OrgHG eher geringer anzusetzen sind als im allgemeinen Schadenersatzrecht. Der Schaden - Verlust der Sicherstellung für die hinterzogenen Eingangsabgaben - trat bereits mit der Freigabe und Ausfolgung der verwahrten Schmuckstücke ein. Der Umstand, daß es der klagenden Partei - durchaus vorhersehbar - nicht gelang, dem durch Verlust der Sicherstellung entstandenen Schaden nachträglich durch Erlangung einer anderen Befriedigungsmöglichkeit zu mindern oder auszugleichen, ist für den die Verjährungsfrist auslösenden Eintritt des Schadensfalles ohne Bedeutung. Soweit die Revisionswerberin vermeint, der Name des Schädigers sei den Zollbeamten am 23. Dezember 1985 noch nicht bekannt gewesen, ist ihr zu erwidern, daß die Beamten aufgrund der ihnen bekannten Umstände ohne nennenswerte Mühe binnen kurzer Frist hätten in Erfahrung bringen können, daß der Beklagte für die Ausfolgung des beschlagnahmten Schmuckes verantwortlich war (siehe SZ 44/115; SZ 50/87 ua), sodaß selbst bei analoger Anwendung des § 1489 ABGB der Lauf der Verjährungsfrist jedenfalls vor Ende des Jahres 1985 begonnen hätte. Davon abgesehen stellt aber § 5 OrgHG ebensowenig wie § 6 AHG auf die Kenntnis des Schädigers ab. Was das AHG betrifft, ist dies offensichtlich auf § 2 Abs 1 AHG zurückzuführen, wonach bei Geltendmachung des Amtshaftungsanspruches ein bestimmtes Organ nicht genannt werden muß (siehe Schragel aaO Rz 223). Daß auch im Organhaftpflichtrecht nicht Kenntnis des Schädigers gefordert wird, erscheint im Hinblick darauf sachlich gerechtfertigt, daß der geschädigte Rechtsträger die Zuordnung des Schadens an ein schuldtragendes Organ lediglich im eigenen, abgegrenzte Kompetenzen aufweisenden Organisationsbereich vorzunehmen hat.

Schließlich vermag der Oberste Gerichtshof auch nicht die Ansicht der Revisionswerberin zu teilen, die Vorschrift über die Hemmung der Verjährungsfrist im § 6 Abs 1 Satz 3 AHG sei analog auch auf das Organhaftpflichtverfahren anzuwenden. Durch das im § 8 AHG vorgeschriebene Aufforderungsverfahren wird die Einbringung der Klage des Geschädigten entsprechend verzögert; durch die Anordnung der Hemmung der Verjährungsfrist wird daher lediglich eine Privilegierung der Körperschaften des öffentlichen Rechtes gegenüber anderen einem geschädigten Dritten haftenden Personen vermieden. Im vorliegenden Fall liegt dem Klagsanspruch jedoch nicht die Schädigung eines außenstehenden Dritten, sondern die Schädigung des Arbeitgebers durch eine Verletzung der dem bei diesem im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses beschäftigten Arbeitnehmer obliegenden Dienstpflichten zugrunde. Die Haftung des Beamten gegenüber dem Rechtsträger entspricht anders als die des Rechtsträgers gegenüber dem Dritten nicht der deliktischen Haftung gegenüber jedermann, sondern der Haftung aus der Übertretung einer Vertragspflicht. Für die völlig verschiedenen Tatbestände der Haftung aus Delikt und aus Vertragsverletzung erscheint schon im Hinblick auf die unterschiedliche Regelung der Beweislast in den §§ 1296 und 1298 ABGB auch eine entsprechende Differenzierung bezüglich der Verjährung sachlich gerechtfertigt. So regelt insbesondere § 6 DHG die Verjährungsfrist für auf einem Versehen minderen Grades beruhende Schadenersatz- oder Rückgriffsansprüche zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer abweichend von der für Schadenersatzansprüche des geschädigten Dritten gegen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geltenden allgemeinen Verjährungsfrist.

Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin kann schließlich auch das Aufforderungsverfahren gemäß § 7 OrgHG nicht als "zwingend angeordnete Vergleichsverhandlung" qualifiziert werden, sondern nur als dem Rechtsstreit vorgeschaltetes Mahnverfahren (vgl Schragel aaO Rz 240). Da dieses Verfahren anders als Vergleichsverhandlungen nicht eine Mitwirkung des Gegners, sondern nur eine Willensbetätigung des Gläubigers erfordert, hat es weder Einfluß auf Beginn noch auf Ablauf der Verjährungsfrist (vgl Harrer in Schwimann ABGB § 1478 Rz 7).

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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