OGH 3Ob511/91

OGH3Ob511/9110.4.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei "F*****" Handelsgesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. "W*****" Handelsgesellschaft mbH & Co, 2. "W*****" Handelsgesellschaft mbH, ***** beide vertreten durch Dr. Rudolf Schuh, Rechtsanwalt in Linz, wegen Erwirkung unvertretbarer Handlungen (Streitwert S 500.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 19. November 1990, GZ 20 R 91/90-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 14. August 1990, GZ 9 C 2110/89z-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 20.976,12 (darin S 3.496,02 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei betreibt ein Handelsgewerbe der Unterhaltungselektronik.

Die erstbeklagte Partei, deren persönlich haftender Gesellschafter die zweitbeklagte Partei ist, betreibt in P***** ein Selbstbedienungs-Warenhaus unter der Bezeichnung "P*****-Kauf-Park" (auch "P*****-Kaufhaus"). Die Liegenschaft, auf der dieses Kaufhaus errichtet ist, steht im Alleineigentum der P*****-Kauf-Warenhandelsgesellschaft mbH & Co. Diese hat der erstbeklagten Partei das gesamte Grundstück mit dem darauf befindlichen Warenhaus zur geschäftlichen Verwertung überlassen.

Am 1. März 1982 haben die klagende Partei und die erstbeklagte Partei einen Mietvertrag zum Betrieb eines F*****-Geschäftes über eine Verkaufsfläche von 107 m2 und eine Lagerfläche von 16 m2 im P*****-Kaufhaus abgeschlossen. Dieser Vertrag hat folgenden entscheidungswesentlichen Wortlaut:

"Grundsätzliches:

Der Mieter übergibt der W*****-Handelsgesellschaft mbH & Co ein vollständiges Verzeichnis der von ihm zum Vertrieb im P***** vorgesehenen Warenarten. In einem besonderen Punkt dieses Verzeichnisses werden jene Artikelgruppen festgelegt, welche für den Mieter geschützt sind, d.h. welche von keinem anderen Mieter geführt werden dürfen. Dies gilt auch für die W*****-Handelsgesellschaft mbH & Co. Es sind dies jeweils nur die Hauptartikel, weil sich eine Überschneidung in Nebenarktikel und Einzelgegenstände nicht gänzlich vermeiden läßt. Dieses Verzeichnis stellt einen wesentlichen Bestandteil des Mietvertrages dar. Der Mieter darf außer den in diesem Verzeichnis angeführten Warenarten weitere Warenarten nur dann vertreiben, wenn und insoweit der Vermieter dem vorher schriftlich zugestimmt hat.

Der Vermieter erklärt, daß er das gesamte Areal des P*****-Kaufhauses ***** in Bestand genommen hat und verpflichtet sich, dieses Bestandrecht während des aufrechten Bestehens des vorliegenden Vertrages mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrecht zu erhalten und zu verteidigen."

In der Beilage zu diesem Mietvertrag sind folgende Artikel angeführt:

"Kundenschutz:

Folgende Artikel sind für den Mieter (F*****-Handelsgesellschaft mbH) gegenüber anderen Mietern sowie der W*****-Handelsgesellschaft mbH geschützt:

Foto, Film, Rundfunkgeräte, Uhren, Rechner, Stereoanlagen, Video- und Fernsehgeräte, elektronische Spiele, Computer, Schallplatten, Bild- und Tonträger aller Art, d.h. der gesamte Bereich der Unterhaltungselektronik."

Zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Mietvertrages am 1. März 1982 stand eine Erweiterung oder Neugestaltung des P*****-Kauf-Parkes nicht in Rede.

Im Jahr 1986 begann die

P*****-Kauf-Warenhandelsgesellschaft mbH & Co, weitere Grundstücke um das Areal des bestehenden P*****-Kauf-Parkes zu kaufen. Sie beabsichtigte nämlich, in diesem Bereich ein neues Geschäftszentrum, die "S*****-P*****" zu errichten. Zu diesem Zwecke wurde im Jahr 1987 die

"S*****-P*****-Gesellschaft mbH & Co KG", deren Komplementär die S*****-P*****-Gesellschaft mbH wurde, gegründet. Dieser Firma verpachtete die P*****-Kauf-Warenhandelsgesellschaft mbH & Co die entsprechenden Grundstücke zum Betrieb der S*****-P*****. Auch wenn bei all den sechs Gesellschaften eine gewisse Gesellschafterverflochentheit besteht, ist die Firmenkonstruktion so gewählt, daß sämtliche Komplementär- und Kommanditgesellschaften untereinander in keiner Weise weisungsberechtigt sind; es handelt sich um vollkommen selbständige, voneinander unabhängige Unternehmen.

Am 19. Oktober 1989 eröffnete die "S*****-P*****". Beide Grundstücke, nämlich jenes, auf welchem der P*****-Kauf-Park errichtet ist, und jenes, auf dem nunmehr die S*****-P***** errichtet wurde, stehen im Alleineigentum der P*****-Kauf-Warenhandelsgesellschaft mbH & Co. Baulich wurde zwischen diesen beiden Komplexen eine Verbindung geschaffen, so daß man vom Selbstbedienungswarenhaus der erstbeklagten Partei direkt - ohne das Freie betreten zu müssen - in die S*****-P***** gelangen kann und umgekehrt. Der gesamte Komplex wird nunmehr als "S*****-P*****" beworben, innerhalb der der ursprüngliche P*****-Kauf-Park besteht. Dieser von der erstbeklagten Partei betriebene Verbrauchermarkt verfügt über eigene kleine Fachgeschäfte, die schon ursprünglich darin angesiedelt waren. Der P*****-Kauf-Park wurde lediglich so umgebaut, daß er in das Konzept der S*****-P***** paßte, ohne von der Struktur her eine Änderung zu erfahren. Bei der S*****-P***** hingegen handelt es sich um ein Einkaufszentrum mit rund 100 Fachgeschäften aller Branchen und untereinander konkurrierender Einheiten. Im neu erbauten Teil dieser S*****-P***** haben Konkurrenzunternehmen der klagenden Partei, ***** Geschäftslokale von der S*****-P*****-Gesellschaft mbH & Co als Vermieterin angemietet. Auch der klagenden Partei wurde ein derartiger Mietvertrag, betreffend ein Geschäftslokal außerhalb des Verbrauchermarktes angeboten.

Mit der am 12. Dezember 1989 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die klagende Partei die Verurteilung der beklagten Parteien, sowohl selbst zu unterlassen als auch zu erwirken, daß im gesamten Bereich der S*****-P***** in keinen anderen Räumlichkeiten als den von der klagenden Partei gemieteten Foto, Film, Rundfunkgeräte, Uhren, Rechner, Stereoanlagen, Video- und Fernsehgeräte, elektronische Spiele, Computer, Schallplatten, Bild- und Tonträger aller Art, somit der gesamte Bereich der Unterhaltungselektronik, angeboten und verkauft werde. Sie begründet ihr Begehren im wesentlichen damit, daß die beklagten Parteien die im Mietvertrag vom 1. März 1982 vereinbarte Konkurrenzklausel insofern verletzt haben, als im Bereich rund um den P*****-Kauf-Park in der S*****-P***** Mietverträge mit Firmen abgeschlossen worden seien, die derselben Branche wie die klagende Partei angehörten. Dieser Konkurrenzschutz habe sich zwar ursprünglich nur auf das Areal des P*****-Kauf-Parkes erstrecken können. Dieser sei aber nunmehr vollkommen in die neue S*****-P***** integriert worden, wobei die begehbaren Flächen eine Einheit darstellten. Es könne kein Zweifel daran bestehen, daß der Konkurrenzschutz auch auf die S*****-P***** anzuwenden sei. Es handle sich nämlich bei der S*****-P***** lediglich um eine Erweiterung des bisherigen P*****-Kauf-Parkes. Ohne Zustimmung der erstbeklagten Partei hätte eine Erweiterung des P*****-Kauf-Parkes und Integrierung desselben in die S*****-P***** nicht stattfinden können, weil die Liegenschaftseigentümerin

P*****-Kauf-Warenhandelsgesellschaft mbH & Co von sich aus das Bestandobjekt gegen den Willen der erstbeklagten Partei nicht dahingehend hätte verändern können, daß Durchbrüche hätten geschaffen und damit eine nahtlose Verbindung mit dem neuen Zubau hätte hergestellt werden können.

Die beklagten Parteien beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. Die auf dem Areal ***** tätigen Gesellschaften stünden zueinander in keinerlei weisungsberechtigten Beziehungen; es handle sich um vollkommen selbständige, voneinander unabhängige Unternehmen. Die beklagten Parteien hätten nicht die Möglichkeit gehabt, bestimmend auf die Gestion der S*****-P*****-Gesellschaft mbH oder die S*****-P*****-Gesellschaft mbH & Co einzuwirken. Auf Grund der Verschiedenheit der Gesellschaften könne nicht von einer Erweiterung des bisherigen P*****-Kauf-Parkes gesprochen werden, zumal es sich dabei um ein Selbstbedienungswarenhaus handle, während die S*****-P***** ein Gebäudekomplex mit

103 selbständigen Geschäften sei. Innerhalb des P*****-Kauf-Parkes selbst seien keinerlei Konkurrenzunternehmungen der klagenden Partei angesiedelt, sodaß die beklagten Parteien ihren vertraglichen Verpflichtungen aus dem Mietvertrag vom 1. März 1982 nachkämen.

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, die Auslegung des Mietvertrages vom 1. März 1982 ergebe, daß sich der Konkurrenzschutz zugunsten der klagenden Partei allein auf den P*****-Kauf-Park beziehe. Die beklagten Parteien hätten ihre Vertragspflichten nicht verletzt. Auch eine ergänzende Vertragsauslegung führe zu keinem anderen Ergebnis, weil redliche und vernünftige Parteien in Kenntnis des Umstandes, daß später im Bereich um den P*****-Kauf-Park ein Geschäftszentrum mit mehr als 100 Fachgeschäften aller Branchen mit untereinander konkurrierenden Einheiten errichtet werde, niemals einem einzigen Mieter einen derart weitreichenden Konkurrenzschutz gewährt hätten.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes, die auf Grund eines mängelfreien Verfahrens getroffen worden seien, und führte in seiner rechtlichen Beurteilung aus, es liege ein Konfliktsfall vor, den die Parteien bei Abschluß des Mietvertrages nicht bedacht hätten; denn damals sei noch keine Rede von einer "Erweiterung" des P*****-Kauf-Parkes auf einen Gebäudekomplex mit Einbindung mehrerer zueinander im Wettbewerbsverhältnis stehender Unternehmen auf das doppelte Ausmaß gewesen. Es sei daher eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen. Danach aber könne keinesfalls angenommen werden, daß sich die beklagten Parteien in Kenntnis der nunmehrigen Situation verpflichtet hätten, den der klagenden Partei eingeräumten Gebietsschutz auf sämtliche Fachgeschäfte und Bereiche der S*****-P***** auszudehnen. Der Gebietsschutz der klagenden Partei erstrecke sich daher nur auf das Areal des P*****-Kauf-Parkes. Die Mitwirkung der beklagten Parteien am Umbau zur Erweiterung des Areals zur S*****-P***** lasse keine Vertragsverletzung erkennen, die den geforderten Unterlassungsanspruch rechtfertige. Die Revision sei zuzulassen gewesen, weil der ergänzenden Vertragsauslegung in einem Fall wie hier, in dem ein ursprünglich kleiner Verbrauchermarkt durch Um- oder Zubau in größere Einkaufszentren eingebunden werde, erhebliche Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt. Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens führt die klagende Partei aus, sie habe im erstinstanzlichen Verfahren darauf hingewiesen, daß der P*****-Kauf-Park in die neue S*****-P***** integriert worden sei, und sich zum Beweis hiefür auf die Durchführung eines Lokalaugenscheines berufen. Unter "Integrierung" sei nicht zu verstehen, daß eine überdachte Verbindung zwischen dem alten und dem neuen Gebäude geschaffen worden sei, sondern daß nunmehr der P*****-Kauf-Park mit der neu geschaffenen S*****-P***** eine Einheit darstelle. Dies habe die zweite Instanz zufolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung nicht erkannt, so daß das Beweisverfahren hinsichtlich der Lösung der Integrationsfrage mangelhaft geblieben sei.

Die "Integrierung" des P*****-Kauf-Parkes in die S*****-P***** im Sinne der Darstellung der klagenden Partei wurde von den Vorinstanzen keineswegs verkannt. Schon das Erstgericht hat festgestellt, daß der gesamte Komplex nunmehr als S*****-P***** beworben wird, und die zweite Instanz hat darauf hingewiesen, daß der ursprüngliche P*****-Kauf-Park nach der Errichtung der S*****-P***** "faktisch genau so ein sogenannter 'Einleger' ist wie alle anderen in diesem Gebäudekomplex untergebrachten Fachgeschäfte", daß die Errichtung des Gebäudekomplexes in der vorliegenden Form nur mit Zustimmung der beklagten Parteien habe erfolgen können, weil auch der von ihnen betriebene P*****-Kauf-Park durch die Umbauarbeiten in das gesamte S*****-P*****-Gebäude eingebunden worden sei, so daß der Verbrauchermarkt als "Teil des Ganzen" zu betrachten sei; und daß dies faktisch auf ein von der klagenden Partei bei Abschluß des Mietvertrages vom 1. März 1982 nicht beabsichtigtes Wettbewerbsverhältnis in dem erweiterten Bereich hinauslaufe (S 12 f der angefochtenen Entscheidung).

Das Berufungsgericht hat daher keinesfalls unter "Integrierung" verstanden, daß lediglich eine überdachte Verbindung zwischen dem alten und dem neuen Gebäude geschaffen wurde. Ein Mangel des berufungsgerichtlichen Verfahrens ist daher nicht gegeben.

Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung meint die klagende Partei, die zweite Instanz übersehe, daß es nicht darauf ankomme, was seitens eines Vertragsteiles, nämlich der beklagten Parteien, bei Vorhersehbarkeit der eingetretenen Verhältnisse beabsichtigt gewesen wäre, sondern was beide Teile für diesen Fall vereinbart hätten. Hätte aber die S*****-P***** bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestanden, wäre die klagende Partei nicht bereit gewesen, für die Einräumung des Exklusivitätsrechts nur im "P*****-Kauf-Park" einen erhöhten Mietzins zu bezahlen, wie es tatsächlich geschehen sei.

Es mag durchaus zutreffen, daß die klagende Partei, hätte sie die - 1982 noch nicht beabsichtigte - Errichtung der S*****-P***** vorhergesehen, nicht bereit gewesen wäre, einen höheren Bestandzins für die Einräumung von Konkurrenzschutz nur auf dem Gebiet des P*****-Kauf-Parkes zu bezahlen. Nach Treu und Glauben und redlicher Verkehrsanschauung (vgl. Rummel in Rummel, ABGB2, Rz 17 zu § 914) kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, daß die beklagten Parteien der klagenden Partei für diesen Fall Konkurrenzschutz in der gleichen Weise zugesichert hätten. Derartiges könnte zwar bei einem im Verhältnis unbedeutenden, von den beklagten Parteien selbst errichteten Zubau oder bei einem von ihnen vorgenommenen Umbau angenommen werden; keinesfalls aber bei einer von einem anderen Unternehmen durchgeführten Erweiterung der Anlage auf das doppelte Flächenausmaß, auf der eine große Anzahl von Fachgeschäften aller Branchen eine entsprechend größere Anzahl von Kunden anzieht. Die Ausdehnung des Konkurrenzschutzes vom vormaligen P*****-Kauf-Park auf das jetzt bestehende Einkaufszentrum würde eine wesentliche Aufwertung dieses Schutzes bedeuten. Sie kann ohne entsprechende Zusicherungen der beklagten Parteien oder Vereinbarungen der Vertragspartner nach Treu und Glauben nicht als übereinstimmend gewollt angenommen werden. Die beklagten Parteien sind daher nicht verpflichtet, den Konkurrenzschutz der klagenden Partei bei der S*****-P***** zu erwirken.

Zu einer vorbeugenden Unterlassungsklage hinsichtlich des von den beklagten Parteien betriebenen Kaufparkes besteht kein Anlaß, ein solcher wurde auch gar nicht behauptet (vgl. hiezu Fasching, Komm. III 15 sowie Fasching, Lehrbuch2 Rz 1070).

Mit Recht haben daher die Vorinstanzen das Klagebegehren insgesamt abgewiesen.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

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