OGH 9ObA34/91

OGH9ObA34/9110.4.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dkfm.Dr.Franz Schulz (Arbeitgeber) und Winfried Kmenta (Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Angestelltenbetriebsrat der ***** AG, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwältinnen *****, wider die beklagte Partei ***** AG, ***** vertreten durch ***** Sekretär *****, dieser vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG (Streitwert S 51.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. November 1990, GZ 33 Ra 108/90-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 8.August 1990, GZ 5 Cga 1026/90-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Arbeitsrechtssache wird an das Gericht erster Instanz zur Verhandlung und Urteilsfällung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Im Punkt XI des Kollektivvertrages für die Handelsangestellten Österreichs (kurz KV) ist unter der Überschrift "Jubiläumsgelder" folgendes angeordnet:

Für langjährige Dienste werden den Arbeitnehmern nach einer Beschäftigung im gleichen Betrieb von

20 Jahren mindestens 1 Brutto-Monatsgehalt,

25 Jahren mindestens 1,5 Brutto-Monatsgehälter,

35 Jahren mindestens 2,5 Brutto-Monatsgehälter,

40 Jahren mindestens 3,5 Brutto-Monatsgehälter

als einmalige Anerkennungzahlung gewährt.

Der Arbeitnehmer wird im Zusammenhang mit seinem Jubiläum an zwei Arbeitstagen unter Fortzahlung seines Entgelts vom Dienst befreit.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der klagende Angestelltenbetriebsrat die Feststellung, daß für Angestellte der Beklagten ein Anspruch auf Jubiläumsgeld gemäß Punkt XI des KV auch dann bestehe, wenn die "langjährigen Dienste" nicht in einem ununterbrochenen Dienstverhältnis zur Beklagten erbracht wurden, sondern in zwei oder mehreren Dienstverhältnissen zur Beklagten, wobei die Dauer der Unterbrechung (Unterbrechungen) unbegrenzt ist.

Im Betrieb der Beklagten seien mehr als drei Dienstnehmer über mehr als ingesamt 20 Jahre hindurch beschäftigt, die ihr Dienstverhältnis ein oder mehrmals (zB wegen Karenz) unterbrochen hätten. Während die Beklagte Dienstnehmern mit einem weniger als 5 Jahre unterbrochenen Dienstverhältnis das Jubiläumsgeld zahle, verweigere sie anderen Dienstnehmern dieses Jubiläumsgeld unter Hinweis auf die mehrmalige Unterbrechung ihrer Tätigkeit. Dem Punkt XI des KV sei dazu aber nicht zu entnehmen, daß es sich bei dem Erfordernis der "langjährigen Dienste" um einen ununterbrochenen Zeitraum handeln müßte. Die klagende Partei habe die Auszahlung der jetzt fälligen Jubiläumsgelder ergebnislos urgiert. Das Feststellungsinteresse ergebe sich aus dem unmittelbaren aktuellen Anlaß und daraus, daß die berechtigten Dienstnehmer noch keine Leistungsklage erhoben hätten.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Das Feststellungsbegehren sei unzulässig, da es nicht von einem konkreten Sachverhalt ausgehe und die klagende Partei keine Angaben darüber gemacht habe, aus denen ersichtlich sei, daß der behauptete Anspruch mindestens drei Dienstnehmer betreffe. Soweit Dienstverhältnisse karenziert worden seien, seien sie ohnehin nicht unterbrochen gewesen. Im übrigen hätten Dienstnehmer mit mehreren jeweils vollständig beendeten Dienstverhältnissen, die durch beträchtliche Zeiträume unterbrochen worden seien, keinen Anspruch auf Jubiläumsgeld. Schon der Begriff des "Jubiläums" deute darauf hin, daß die Anerkennungszahlung nur gebühren soll, wenn ein langer ununterbrochener Zeitverlauf vorliege. Die Berücksichtigung von Vordienstzeiten erfolge aber sowohl nach dem Gesetz als auch dem Kollektivvertrag grundsätzlich nur in jenen Fällen, in denen dies ausdrücklich angeordnet sei.

Die Beklagte habe trotz dieser Rechtslage bisher Jubiläumsgelder an ihre Dienstnehmer auch dann ausgezahlt, wenn mehrere Dienstverhältnisse vorgelegen seien, die nicht länger als 5 Jahre voneinander getrennt gewesen seien, wobei die Zeiten der Abwesenheit selbst naturgemäß keine Berücksichtigung gefunden hätten. In den Anlaßfällen sei es aber so, daß die betroffenen Dienstnehmerinnen Abwesenheitszeiten von teilweise über mehr als 10 Jahren aufwiesen und fallweise bereits im dritten Dienstverhältnis zur Beklagten stünden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Beweisaufnahme ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß sich der geltend gemachte Feststellungsanspruch der klagenden Partei nur auf die Beurteilung einer abstrakten Rechtsfrage und nicht auf die Feststellung eines konkreten Rechtsverhältnisses beziehe. Die klagende Partei habe auch nach der Modifizierung ihres Begehrens keinen Sachverhalt behauptet, aus dem sich ihr Begehren ableite. Sie begehre im Ergebnis lediglich ein Rechtsgutachten im Sinne einer Normeninterpretation, wofür aber die besondere Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 ASGG nicht geschaffen worden sei, sondern ökonomischerweise eine Feststellungsklage (richtig: Feststellungsantrag) gemäß § 54 Abs 2 ASGG beim Obersten Gerichtshof einzubringen gewesen wäre. Da es diesen billigeren, rascheren und sichereren Rechtsbehelf gebe, sei auch das Vorliegen eines rechtlichen Interesses an der begehrten Feststellung zu verneinen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach (entgegen §§ 45 Abs 4 iVm 46 Abs 3 ASGG) aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000 übersteige. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte ergänzend aus, daß sich auch das modifizierte Klagebegehren nur auf die Beurteilung einer abstrakten Rechtsfrage und nicht auf die Feststellung eines konkreten Rechtsverhältnisses zwischen den Streitteilen beziehe. Die gegenständliche Bestimmung des Kollektivvertrags sei nicht eindeutig und bedürfe daher der Auslegung. Eine solche arbeitsrechtliche Frage sei aber auf Grund eines entsprechenden Antrags einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft gemäß § 54 Abs 2 ASGG unmittelbar an den Obersten Gerichtshof heranzutragen, nicht jedoch im Wege einer Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 ASGG zu lösen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Abgesehen davon, daß inter partes eine Subsidiarität der Feststellungsklage zur Leistungsklage ohnehin nicht in Betracht kommt (so § 54 Abs 5 ASGG; Kuderna ASGG § 54 Erl. 23; Gamerith,

Die besonderen Feststellungsverfahren nach § 54 ASGG, DRdA 1988, 303 ff, 308), steht der Zulässigkeit der gegenständlichen Feststellungsklage mangels Parteienidentität auch nicht entgegen, daß über denselben Gegenstand allenfalls ein Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 2 ASGG anhängig gemacht werden könnte (vgl. Gamerith aaO, 307; 9 Ob A 202/90). Neben den übrigen Voraussetzungen einer Feststellungsklage (vgl. Kuderna ASGG § 54 Erl. 1 bis 7; ZAS 1990/17 mwH) setzt diese unter anderem voraus, daß mindestens drei Dienstnehmer von den Rechten oder Rechtsverhältnissen konkret betroffen sind, deren Bestehen oder Nichtbestehen festgestellt werden soll. Es genügt somit nicht, daß mindestens drei Dienstnehmer betroffen sein könnten; es muß vielmehr bei wenigstens drei Dienstnehmern ein unmittelbarer Anlaß zur Klageführung gegeben sein (vgl. Kuderna aaO Erl. 7; Gamerith aaO 308; Eypeltauer, Das besondere Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 1 ASGG, JBl 1987, 490 ff, 495).

Nach den bisherigen Verfahrensergebnissen wurde hinsichtlich der Dienstverhältnisse von Dienstnehmern der Beklagten weder ein bestimmter Sachverhalt außer Streit gestellt noch wurden die von den Parteien zu ihren Vorbringen angebotenen Beweise aufgenommen. In einem Verfahren über eine Feststellungsklage sind aber alle Sachverhaltsfeststellungen in bezug auf jeden der berechtigten Dienstnehmer, deren Rechte oder Rechtsverhältnisse den Gegenstand des Prozesses bilden, zu treffen und diese Feststellungen rechtlich zu beurteilen (vgl. Kuderna aaO Erl. 6, S. 297). Eine solche Konkretisierung des Sachverhalts ist auch für die faktische Wirkung der Entscheidung auf allfällige von den Dienstnehmern zu erhebende Leistungsansprüche erforderlich (ZAS 1990/17).

Das Erstgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren vorerst Feststellungen über den konkreten Beschäftigungsverlauf von mindestens drei von der Feststellungsklage betroffenen Dienstnehmer zu treffen und und anhand dieser Feststellungen jeweils zu prüfen haben, ob diesen Dienstnehmern die geltend gemachten Ansprüche zustehen. Dabei handelt es sich dann nicht mehr um die bloße Beurteilung abstrakter Rechtsfragen, sondern im Sinne des § 54 Abs 1 ASGG um die Feststellung konkreter Rechte von Dienstnehmern.

Die Kostenentscheidung ist in § 52 ZPO begründet (vgl. Kuderna, ASGG § 58 Erl. 2).

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