Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 7.6.1912 geborene Klägerin bewohnt alleine ein modern ausgestattetes Einfamilienhaus mit Badezimmer und WC innerhalb der Wohnung. Das Badezimmer wird mit Holz, die übrigen Räume werden mit Öl beheizt. In der Küche ist ein Kühlschrank vorhanden. Auf Grund gesundheitsbedingter Einschränkungen kann sie keine Tätigkeiten vornehmen, die eine Belastung der Kniegelenke erfordern. Die Klägerin kann sich aber selbst an- und ausziehen, sich selbst waschen und mit Stockhilfe das WC aufsuchen. Sie kann die kleine Leibwäsche waschen und alle notwendigen Speisen selbst zubereiten. Soweit es zu keiner Belastung der Kniegelenke kommt, kann sie auch Staub aufwischen und Geschirr abwaschen. Zur Wohnungsreinigung, zum Auskehren der Räume, zum Aufbetten der Schlafstelle und - soweit hiefür eine Belastung der Kniegelenke erforderlich ist - zum Staubwischen ist sie nicht in der Lage, ebensowenig zum Beheizen des Ofens, zum Einkaufen und zum Herbeischaffen von Brennstoff. Auf Grund der Herzerkrankung ist es erforderlich, daß wenigstens einmal täglich eine Person bei der Klägerin Nachschau hält.
Das Erstgericht erkannte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter schuldig, der Klägerin den Hilflosenzuschuß im gesetzlichen Ausmaß ab 21.11.1988 zu zahlen; weiters trug es der beklagten Partei die Erbringung einer vorläufigen Zahlung in gestaffelter Höhe auf. Es war der Ansicht, daß die überschlagsmäßigen Kosten des Aufwandes der Klägerin mindestens so hoch seien wie der begehrte Hilflosenzuschuß.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im klagsabweisenden Sinne ab. Es verneinte zunächst den in der Berufungsbeantwortung von der Klägerin erhobenen Einwand der mangelnden Parteistellung der Hauptanstalt der beklagten Partei und verwies darauf, daß der in erster Instanz eingeschrittenen Landesstelle Graz keine eigene Rechtspersönlichkeit zukomme; die Berufung sei nicht von der Hauptstelle, sondern vom Sozialversicherungsträger erhoben worden und daher sachlich zu behandeln. Das Berufungsgericht verwarf sodann die geltend gemachten Berufungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen Tatsachenfeststellung wegen unrichtiger Beweiswürdigung, gab aber der Rechtsrüge Folge und legte detailliert dar, daß der Hilfskräftebedarf der Klägerin keineswegs derart hoch sei, daß die Kosten hiefür den begehrten Hilflosenzuschuß erreichen würden. Mit Rücksicht auf die Höhe der von der Klägerin bezogenen Pension komme der gesetzliche Höchstsatz des Hilflosenzuschusses zum Tragen (S 2.755,-- ab 1.7.1988, S 2.784,-- ab 1.1.1989, S 2.826,-- ab 1.1.1990, S 2.840,-- ab 1.7.1990).
Die dagegen von der Klägerin erhobene Revision ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsgrund der Nichtigkeit nach § 503 Z 1 ZPO liegt nicht vor. Zu Unrecht meint die Revisionswerberin, die Berufung hätte deshalb zurückgewiesen werden müssen, weil der sie unterfertigende Direktor-Stellvertreter H nicht von der Landesstelle Graz, sondern von der Landesstelle Wien der beklagten Partei bevollmächtigt worden sei. Dabei wird - wie schon in der Berufungsbeantwortung - verkannt, daß beklagte Partei dieses Verfahrens immer nur die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter als Trägerin der Pensionsversicherung der Arbeiter nach dem ASVG für das gesamte Bundesgebiet sein kann (§ 25 Abs 1 Z 1 lit a ASVG), und zwar als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Rechtspersönlichkeit (§ 32 Abs 1 leg cit). Bei der Hauptstelle und den Landesstellen handelt es sich, wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat (SSV-NF 1/71, zuletzt 23.10.1990, 10 Ob S 346/90), nur um Einrichtungen des Versicherungsträgers, die seine Verwaltung zu führen haben (§ 418 ASVG), aber keine Rechtspersönlichkeit besitzen. Der Direktor-Stellvertreter H erhielt seine Prozeßvollmacht von der "Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter" (Hinterlegungsanzeige Jv 3484-1a/87 des Präs.d.OLG Graz) und war somit befugt, die Berufung namens der beklagten Partei zu unterfertigen (vgl. § 40 Abs 1 Z 3 ASGG).
Auch die geltend gemachten Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit (§ 503 Z 2 und 3 ZPO) liegen nicht vor. Die Klägerin erblickt einen Verfahrensmangel darin, daß das Berufungsgericht nicht geprüft habe, ob nicht doch eine im Sommer mehr als nur eine kleine Körperwäsche erforderlich sei und inwieweit daher ein Hilfskräfteaufwand für das Herbeischaffen des Brennstoffes, das Beheizen und Entaschen des Ofens angesetzt werden müsse. Damit wird kein Verstoß gegen Verfahrensvorschriften, sondern ein - der rechtlichen Beurteilung zuzuordnender - Stoffsammlungsmangel aufgezeigt. Eine Aktenwidrigkeit liegt nur bei einem Widerspruch zwischen den Prozeßakten und den tatsächlichen Urteilsvoraussetzungen vor, nicht aber, wenn Tatsachenfeststellungen durch Schlußfolgerungen gewonnen werden (SSV-NF 3/86). Richtig ist, daß nach den - vom Berufungsgericht übernommenen - erstgerichtlichen Feststellungen der Klägerin ein Staubwischen nur insoweit zumutbar ist, als dabei die Kniegelenke nicht belastet werden müssen. Die vom Berufungsgericht daraus gezogene Schlußfolgerung auf den Bedarf an Hilfeleistung ist abermals der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen und kann eine Aktenwidrigkeit nicht begründen.
Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt ist die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, daß die von der Klägerin für die notwendigen Dienstleistungen üblicherweise aufzuwendenden Kosten nicht annähernd so hoch sind wie der begehrte Hilflosenzuschuß (vgl SSV-NF 1/46 uva) und daher ein Anspruch darauf nicht besteht, zutreffend (§ 48 ASGG). Insgesamt kommt auch der erkennende Senat innerhalb des ihm eingeräumten Ermessens (vgl SSV-NF 3/72; zuletzt 18.9.1990, 10 Ob S 254/90) zu diesem Ergebnis. Ergänzend sei den Revisionsausführungen folgendes entgegengehalten:
Was die Bedienung des holzbeheizten Badeofens betrifft, so ist nicht davon auszugehen, die Klägerin müsse täglich baden (vgl SSV-NF 2/12); eine Ganzkörperreinigung kann im allgemeinen auch auf eine andere Weise vorgenommen werden. Die Ausführungen des Berufungsgerichtes sind auch nicht so zu verstehen, daß es dem Standard eines "wohlhabenden" Pensionisten entsprechen würde, einen holzbeheizten Badeofen ganzjährige (täglich) in Betrieb zu halten. Was das Ausmaß der notwendigen Hilfeleistungen betrifft, so wurde zwar festgestellt, daß wegen der Herzerkrankung der Klägerin täglich einmal eine Person bei ihr Nachschau halten muß, doch kann dieses "Nachschauhalten" nicht dem Begriff "ständige Wartung und Hilfe" unterstellt werden: wie der erkennende Senat bereits ausgesprochen hat, handelt es sich dabei um eine Maßnahme zur Abwendung der bei Anfällen möglichen gesundheitlichen Schäden durch ständige oder auch nur gelegentliche Beobachtung des Anfallgefährdeten. Dazu ist aber der Hilflosenzuschuß, der keine Gefährdungszulage ist, nicht gedacht (SSV-NF 4/42 mwN). Damit scheidet ein täglicher Bedarf nach Wartung und Hilfe aus der Betrachtung aus. Wenn die Revisionswerberin schließlich auf die Versicherungspflicht der Hilfskräfte verweist, kann ihr auch insoweit nicht gefolgt werden. Hilfspersonen mit einer als geringfügig anzusehenden Beschäftigung
(Entgelt - 1990 - höchstens 2.658,- S monatlich) sind nämlich gemäß § 5 Abs 1 Z 2, Abs 2 ASVG von der Vollversicherung ausgenommen; die allenfalls gemäß § 7 Z 3 lit a ASVG bestehende Teilversicherung in der Unfallversicherng wurde aber vom Berufungsgericht ohnehin berücksichtigt. Da die Kosten, welche durch die der Klägerin zu leistende Wartung und Hilfe entstehen, auch dann geringer sind als der begehrte (Höchstsatz) Hilflosenzuschuß, wenn man die gemäß § 105 ASVG gebührenden Sonderzahlungen nicht berücksichtigt, muß auf die in der Revision hiezu enthaltenen Ausführungen nicht weiter eingegangen werden.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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