OGH 6Ob525/91

OGH6Ob525/9121.3.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter betreffend die Abhandlung des Nachlasses nach der am 1. Januar 1989 gestorbenen Anna *****, zuletzt *****, in Besorgung und Verwaltung des erbserklärten Adoptivsohnes Werner *****, vertreten durch Dr. *****, Rechtsanwalt in Wien, wegen Sicherung von Legaten der minderjährigen Vermächtnisnehmer *****, geboren am *****, und *****, geboren am *****, beide vertreten durch ihren Vater Ernst *****, infolge Revisionsrekurses des Erben gegen den abändernden Teil des Punktes 2 des Beschlusses des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 12. Dezember 1990,

AZ R 259/90 (ON 57), womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Baden vom 11. Mai 1990, GZ 1 A 33/89-33, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird stattgegeben. Die angefochtene Entscheidung und der erstinstanzliche Beschluß werden in ihren die vom Gerichtskommissär in Verwahrung genommenen Schmuckstücke und Pretiosen betreffenden Aussprüchen aufgehoben. Die Abhandlung wird in diesem Umfang zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz rückverwiesen.

Text

Begründung

Die Erblasserin ist am Neujahrstag 1989 im 84.Lebensjahr als Witwe gestorben. Sie hinterließ einen Adoptivsohn und zahlreiche Seitenverwandte. Die Erblasserin hatte mehrere letztwillige Verfügungen errichtet, mit denen sie den Großteil ihres Vermögens zum Gegenstand von Vermächtnisanordnungen gemacht hatte. In einem als Nachtrag zum Testament bezeichneten letztwilligen Aufsatz vom 5. Mai 1981 bestimmte die Erblasserin, daß ihr Schmuck "an" elf namentlich genannte, als ihre "Großnichten" bezeichneten weiblichen Seitenverwandten "möglichst nach Familienherkunft aufzuteilen" sei. Zu den solcherart Bedachten zählen unter anderem die minderjährigen Enkelkinder eines Vetters der Erblasserin mütterlicherseits, die am 14.Dezember 1977 geborene ***** und ihre am 14.Februar 1980 geborene Schwester *****. Die näheren persönlichen Verhältnisse der in der letztwilligen Verfügung vom 5.Mai 1981 bedachten "Großnichten" wurden in der Abhandlung zunächst nicht geklärt.

Der Sohn eines Vetters der Erblasserin übergab am 23.Januar 1990 dem Gerichtskommissär eine größere Anzahl von Damenschmuckstücken, die am 27.April 1989 im Auftrag des Erlegers, des Adoptivsohnes sowie des Sohnes eines Vetters väterlicherseits geschätzt worden waren, im Zuge der Abhandlung aber bisher nicht inventarisiert wurden.

Der Gerichtskommissär verwahrte die ihm übergebenen Schmuckstücke nebst anderen Pretiosen und Wertpapieren in einem hiezu angemieteten Bankschließfach.

Der Adoptivsohn erklärte sich auf Grund des Gesetzes unter der Rechtswohltat des Inventars zum gesamten Nachlaß als Erbe. Das Abhandlungsgericht wies diese Erbserklärung nicht zurück, erachtete das Erbrecht des Adoptivsohns als ausgewiesen und überließ ihm antragsgemäß die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses; demgemäß enthob es den zuvor bestellten Verlassenschaftskurator.

Hierauf forderte der erbserklärte Adoptivsohn vom Gerichtskommissär die Ausfolgung der im Bankschließfach verwahrten Wertpapiere, Schmuckstücke und sonstigen Pretiosen. Der Gerichtskommissär ersuchte diesbezüglich um gerichtliche Entscheidung.

Das Abhandlungsgericht wies daraufhin den Gerichtskommissär an, die von ihm verwahrten Wertpapiere, Schmuckstücke und sonstigen Pretiosen an den erbserklärten Adoptivsohn oder dessen anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten auszufolgen.

Dagegen ergriffen unter anderen auch die von der Erblasserin in der Schmuckanordnung mitbedachten minderjährigen Enkelinnen eines Vetters mütterlicherseits Rekurs und schritten damit erstmals im Abhandlungsverfahren ein. Sie erklärten dabei - im Gleichklang mit anderen Rekurswerbern -, "die Aufrechterhaltung der Verwahrung aller beim Gerichtskommissär erlegten Gegenstände als Sicherstellung" zu begehren, wobei die beiden Minderjährigen auf die ihnen nach dem Gesetz zustehende besondere Interessenwahrungspflicht des Gerichtes hinwiesen. Gleichzeitig forderten die beiden Minderjährigen gemeinsam mit acht weiteren von der Erblasserin in ihrer Schmuckanordnung Bedachten (die Identität und Existenz der elften, mit dem als "Maria" lesbaren Namen bezeichneten "Großnichte" ist bisher ungeklärt) als Vermächtnisnehmerinnen die Ausfolgung der Schmuckstücke an sie zu Handen eines gemeinsamen Bevollmächtigten.

Das Rekursgericht gab dem von den beiden minderjährigen Enkeltöchtern eines Vetters mütterlicherseits gegen die abhandlungsgerichtliche Anweisung zur Ausfolgung der vom Gerichtskommissär in Verwahrung genommenen Pretiosen und sonstigen Schmuckstücke erhobenen Rekurs statt und wies den diesbezüglichen Ausfolgungsantrag des erbserklärten Adoptivsohnes ab. Dazu sprach das Rekursgericht aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt; weiters sprach das Rekursgericht aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht folgerte aus der Regelung des § 160 AußStrG, daß die den beiden minderjährigen Rekurswerberinnen vermachten Gegenstände von Amts wegen "gehörig zu versichern" gewesen seien. Da nicht feststehe, welche der vom Gerichtskommissär in Verwahrung genommenen Schmuckstücke den minderjährigen Vermächtnisnehmerinnen zustünden, sei die - schon vor der Überlassung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses an den erbserklärten Adoptivsohn - vorgenommene und zur gehörigen Versicherung der sogenannten privilegierten Legate erforderliche Verwahrung der Schmuckstücke und sonstigen Pretiosen in einem Bankschließfach aufrechtzuerhalten.

Rechtliche Beurteilung

Der vom erbserklärten Erben gegen den abändernden Teil der Rekursentscheidung erhobene ordentliche Revisionsrekurs ist wegen einer zur Wahrung der Rechtssicherheit gebotenen Behebung der Folgen eines offenkundigen Gedankenfehlers zulässig und in diesem Sinne auch berechtigt.

Die beiden minderjährigen Enkelkinder eines Vetters der Erblasserin zählen unbestritten zum Kreis der Personen, unter denen ("an die") nach der letztwilligen Anordnung vom 5.Mai 1981 der "Schmuck" der Erblasserin "möglichst nach Familienherkunft aufzuteilen" ist.

Das - vom Rekursgericht zutreffend aus § 160 AußStrG abgeleitete - Sicherungsgebot erfaßt sachlich jene Nachlaßstücke, auf die sich nach vertretbarer Auslegung der letztwilligen Anordnung ein vermächtnisrechtlicher Anspruch pflegebefohlener Personen beziehen könnte. Die vorzunehmende Sicherung erfaßte also beispielsweise im Falle eines dem Vermächtnisnehmer eingeräumten Wahlrechtes unter mehreren Stücken alle zur Wahl stehenden Stücke oder im Falle des Vermächtnisses ideeller Anteile an einer unteilbaren Sache die ganze Sache, nicht aber darüber hinaus Vermögensbestandteile, auf die der Vermächtnisnehmer keinesfalls Anspruch erheben könnte.

Der sprachliche Ausdruck "mein Schmuck", der Umstand, daß ausschließlich weibliche Angehörige bedacht wurden und der Textzusammenhang mit der nachfolgenden Anordnung über "die Goldmünzen" und "die goldene Herrenuhr" zwingen zur Auslegung, daß nicht alle in den Nachlaß gefallenen "Pretiosen", sondern nur persönlicher Schmuck der Erblasserin (nicht jeder Schmuck in ihrem Eigentum, sondern nur Gegenstände, mit denen sie sich als weibliche Person nach ihrer Auffassung hätte schmücken können) von der als Vermächtnis anzusehenden letztwilligen Anordnung betroffen sein sollten.

Unter den vom Gerichtskommissär im Bankschließfach verwahrten Pretiosen befinden sich nach der Aufzählung im privaten Schätzungsgutachten aber etwa neben Frackknöpfen und Manschettenknöpfen eine (dem erbserklärten Adoptivsohn vermachte?) goldene Herrenarmbanduhr, ferner Uhrketten, eine Bleistifthülse sowie Zahnkronen und Zahngold.

Soweit - nach der noch einzuholenden Stellungnahme des gesetzlichen Vertreters der minderjährigen Enkelinnen eines Vetters der Erblasserin einerseits und des erbserklärten Adoptivsohnes andererseits sowie gegebenenfalls danach vorzunehmenden Erhebungen - die Nichtzugehörigkeit einzelner im Bankschließfach verwahrter Nachlaßstücke zu der von der Erblasserin in ihrer letztwilligen Anordnung unter dem Sammelausdruck "mein Schmuck" bezeichneten Gegenstandsgruppe klargestellt werden könnte, hätte jede Sicherungsmaßnahme im Sinne des § 160 AußStrG zu unterbleiben.

In dieser Hinsicht ist das Verfahren noch ergänzungsbedürftig.

Im übrigen kann aber für die strittige Frage der Aufrechterhaltung und des Umfanges der vom Gerichtskommissär veranlaßten Verwahrung von Schmuckstücken im Bankschließfach dahingestellt bleiben, ob eine Vermächtnisnehmergemeinschaft aller als Großnichten bedachten Personen mit einer von der Erblasserin aufgestellten Teilungsanordnung als angeordnet angenommen werden soll oder eine vermächtnisrechtliche Zuweisung von Einzelstücken an die einzelnen Bedachten ohne eine nähere letztwillige Anordnung für das Bestimmungsverfahren.

Nur insoweit der sicherungspflichtige Erbe eindeutig darzutun vermöchte, daß das eine oder andere Schmuckstück der Erblasserin unter keinen Umständen auf Grund ihrer letztwilligen Anordnung an die beiden Minderjährigen fallen könnte (etwa infolge Herkunft aus der väterlichen Verwandtschaft der Erblasserin und der Zugehörigkeit der Bedachten zur mütterlichen Verwandtschaft bei zureichender Deckung der Vermächtnisansprüche der Angehörigen aus der mütterlichen Verwandtschaft mit Verlassenschaftsstücken, die von dieser Seite herrührten) entfiele eine Sicherung gemäß § 160 AußStrG.

Grundsätzlich sind aber die beiden minderjährigen Enkelkinder eines Vetters der Erblasserin im Rahmen der den Schmuck der Erblasserin betreffenden letztwilligen Anordnung als minderjährige Vermächtnisnehmerinnen nach § 160 AußStrG durch Maßnahmen zu sichern, die die seinerzeitige Erfüllung ihrer Vermächtnisansprüche gewährleisten. Solche Sicherungsmaßnahmen waren nach der Lage des Falles sofort zu treffen und sind aufrechtzuerhalten.

Dem etwa wegen der Safemieten oder aus sonstigen konkreten Gründen mit der Aufrechterhaltung der an sich gebotenen tatsächlichen faktischen Sicherung unzufriedenen Erben stünde es lediglich frei, eine nach seiner Ansicht geeignetere andere, den Interessen der Minderjährigen in gleicher Weise Rechnung tragende Sicherungsmaßnahme zu beantragen. Eine Verwahrung durch den Erben selbst oder auch seinen anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten käme allerdings als "gehörige Sicherung" nicht in Betracht.

Zwecks Klärung des sachlichen Umfanges der durch Sicherungsmaßnahmen nach § 160 AußStrG zu unterwerfenden Gegenstandsgruppe "Schmuck der Erblasserin" war die Abhandlung unter Aufhebung der angefochtenen Rekursentscheidung und des erstinstanzlichen Beschlusses hinsichtlich ihrer Aussprüche über die vom Gerichtskommissär in Verwahrung genommenen Schmuckstücke und Pretiosen zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Abhandlungsgericht rückzuverweisen.

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