Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die bolivianische Staatsangehörige Rosario V***** (zu A.) des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und Abs 3 Z 3 SGG, (zu B.) des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB sowie (zu C.) des Finanzvergehens des versuchten Schmuggels nach §§ 13, 35 Abs 1 FinStrG schuldig erkannt.
Darnach hat sie am 23.Juni 1990 in Wien
(A.) den bestehenden Vorschriften zuwider 3.998 Gramm Kokain, also ein Suchtgift, dessen Menge mehr als das Fünfundzwanzigfache der in § 12 Abs 1 SGG angeführten (großen) Menge ausmacht, nach Österreich eingeführt;
(B.) einen durch das Einkleben ihres Lichtbildes verfälschten spanischen Reisepaß, sohin eine "durch Vertrag" (richtig: durch Gesetz) inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellte ausländische öffentliche Urkunde, durch dessen Vorweisen bei der Paßkontrolle zum Beweis einer Tatsache, und zwar ihrer Identität, gebraucht; sowie
(C.) durch das eingangs (unter A.) beschriebene Tatverhalten (gemeint: durch den Versuch, das dort bezeichnete, auf dem Luftweg eingeführte Suchtgift am Flughafen in einem präparierten Koffer heimlich durch die Zollkontrolle zu befördern,) eingangsabgabepflichtige Waren vorsätzlich unter Verletzung einer zollrechtlichen Stellungs-("oder Erklärungs-")pflicht dem Zollverfahren zu entziehen versucht.
Das Erstgericht schenkte der Verantwortung der Angeklagten, sie habe vermeint, Gold zu schmuggeln, keinen Glauben, sondern nahm dementgegen als erwiesen an, daß sie ernstlich mit Kokain als Schmuggelgut rechnete und sich damit auch abfand (US 6, 7).
Ihrer Nichtigkeitsbeschwerde gegen dieses Urteil, gestützt auf § 281 Abs 1 Z 5, 5 a und 10 StPO, kommt keine Berechtigung zu.
Nicht stichhältig ist die Mängelrüge (Z 5) zum Faktum A. mit der Ansicht, das Schöffengericht hätte sich bei dem gegen die Verantwortung der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Argument, der Aufwand für einen (ihrer Darstellung nach vermeintlich von ihr unternommenen) Schmuggel von einigen Kilogramm Gold würde viel zu groß gewesen sein, weil es auf der ganzen Welt einen festen Goldpreis gebe und man sich dementsprechend dabei nur Abgaben ersparen würde (US 7), mit ihrer darauf bezogenen Versicherung, sie habe keine Ahnung, was Gold koste und was man daran verdienen könne (S 152 f.), gleichwie mit ihrem bescheidenen Bildungsniveau und mit ihrem geringen Erfahrungswissen (S 154 f.) im besonderen auseinandersetzen müssen. Die der Angeklagten insoweit beweiswürdigend unterstellte Überlegung ist nämlich jedenfalls in ihrem maßgebenden Kern, daß sich der für die hier inkriminierte Schmuggelaktion aufgewendete Einsatz beträchtlicher finanzieller und organisatorischer Mittel - zur Deckung der Kosten des Fluges der Beschwerdeführerin von Bolivien nach Paraquay und von dort über Spanien nach Österreich zuzüglich ihrer Reiseausstattung und der ihr zugesicherten Entlohnung sowie zur Deckung der Kosten des Fluges einer zweiten Person von Bolivien nach Österreich, jeweils einschließlich des Aufenthalts und des Rückfluges, zur Beschaffung und Bereitstellung des präparierten Koffers und des verfälschten Reisepasses durch eine dritte Person in Paraquay etc - bei einem Schmuggel bloß von wenigen Kilogramm Gold nicht lohnen würde, selbst ohne konkrete Kenntnis von internationalen Preisrelationen und Verdienstmöglichkeiten in bezug auf Gold so naheliegend, daß sie auch einem einfachen Menschen ohne weiteres zugesonnen weden kann. Eine Unvollständigkeit des Urteils in Ansehung entscheidender Tatsachen iS des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes vermag demnach die Angeklagte solcherart nicht aufzuzeigen.
Gleichermaßen konnte das Erstgericht entgegen der Beschwerdeansicht sehr wohl auch darin, daß sie - der nach ihren eigenen Angaben die Herstellung von Suchtgift in ihrer Heimat ebenso bekannt war wie die Wirkung von Kokain (S 153 f., 155 f.) - auf einen Vorhalt hin nicht bestritt, davon gewußt zu haben, daß aus Bolivien Suchtgift geschmuggelt werde (S 151), in Verbindung damit, daß ihr bei ihrem Zwischenaufenthalt in Paraquay alles abgenommen wurde, was auf ihre Herkunft aus Bolivien hätte hinweisen können (US 5), eines von mehreren Indizien dafür erblicken, daß sich im vorliegenden Fall ihr bedingter Vorsatz auf Kokain als Schmuggelgut erstreckte (US 7). Von einer zu Lasten der Beschwerdeführerin unstatthaften bloßen Vermutung kann daher bei jener beweiswürdigenden Erwägung gewiß nicht gesprochen werden; ob aber das in Rede stehende Allgemeinwissen der Angeklagten vom Suchtgiftschmuggel aus Bolivien auch dessen Dimension, den Transportweg und die Bestimmungsländer mitumfaßte, war für die vom Schöffengericht ihrem Wissensstand beigemessene indizielle Bedeutung augenscheinlich ohne Belang.
Erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der unter anderem darauf gestützten Feststellung zur subjektiven Tatseite hinwieder vermag die Beschwerdeführerin mit ihren in Ausführung der Tatsachenrüge (Z 5 a) dagegen erhobenen, einer sorgfältigen Prüfung unterzogenen Einwänden, mit denen sie die Glaubwürdigkeit ihrer insoweit leugnenden Verantwortung darzutun trachtet, im Licht der gesamten Aktenlage nicht zu erwecken.
Rechtliche Beurteilung
Mit der (gemäß § 24 a SGG auch den Schuldpsruch lt. Pkt. C. in Frage stellenden) Rechtsrüge (Z 10) bekämpft sie zunächst die Annahme der Deliktsqualifikation nach § 12 Abs 3 Z 3 SGG, indem sie das Fehlen von - dazu vorauszusetzenden (vgl. EvBl. 1988/138 ua) - Feststellungen darüber reklamiert, ob ihr Vorsatz auch auf die Einfuhr einer iS dieser Strafbestimmung "übergroßen" Suchtgiftmenge gerichtet war. Davon indessen ist das Erstgericht, wie sich aus der Bezugnahme auf die ihr unterstellte Überlegung betreffend Art und Gewicht des Schmuggelgutes (von "einigen Kilogramm") ergibt (US 7), nach dem Kontext der Entscheidungsgründe doch mit nach Lage des Falles (noch) hinlänglicher Deutlichkeit ausgegangen. In jene Richtung hin läßt die Beschwerde demgemäß eine prozeßordnungsgemäße Ausführung vermissen, weil sie dem bei der Geltendmachung materiellrechtlicher Nichtigkeitsgründe aktuellen Erfordernis eines Vergleichs des gesamten maßgebenden Urteilssachverhalts mit den darauf angewendeten Strafbestimmungen nicht entspricht.
Verfehlt jedoch ist die weitere Rechtsansicht dahin, daß die Angeklagte das Verbrechen nach § 12 SGG nur in der Entwicklungsstufe des Versuchs (§ 15 StGB) zu verantworten habe, weil es ihr nicht gelungen sei, am Flughafen Wien-Schwechat mit dem Kokain die Paß- und Zollkontrolle zu überwinden. Denn die Einfuhr von Suchtgift ist grundsätzlich vollendet, sobald dieses über die Staatsgrenze ins Einfuhrland gelangt (vgl. NRSp 1988/283 = JE 1988/45/25 uva); im Fall einer Einfuhr im Luftweg, bei der eine Kontrolle an der Staatsgrenze (vgl. SSt. 48/42, 46/15 ua) regelmäßig nicht stattfindet, tritt demnach die Deliktsvollendung prinzipiell schon mit dem Überfliegen der Grenze ein (vgl. EvBl. 1982/56, 30 ua). Daß die Angeklagte demgegenüber beim Finanzvergehen des Schmuggels nur Versuch zu verantworten hat, liegt daran, daß sich der Begriff des österreichischen Staatsgebiets nicht mit dem des Zollinlandes deckt und daß dem Zollamt nicht gestellte oder verheimlichte Waren der Verzollung erst mit der Beendigung der (zollrechtlichen) Abfertigung entzogen sind (vgl. erneut SSt. 46/15; EvBl. 1982/56 ua).
Zum Faktum B. schließlich remonstriert die Beschwerdeführerin mit dem Einwand, das Schöffengericht sei rechtsirrig von einer auf zwischenstaatlichem Vertrag beruhenden Gleichstellung spanischer Reisepässe mit inländischen öffentlichen Urkunden ausgegangen, im Ergebnis zu Unrecht gegen die Annahme der Deliktsqualifikation nach § 224 StGB: dazu genügt ein Hinweis auf die insoweit als primäre Qualifikationsgrundlage wirksame gesetzliche Gleichstellung durch § 39 PaßG.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte die Angeklagte nach § 12 Abs 3 SGG unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren sowie gemäß § 35 Abs 4 FinStrG unter Anwendung des § 22 FinStrG zu einer Geldstrafe von 150.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einem Monat Ersatzfreiheitsstrafe; weiters erkannte es gemäß § 13 Abs 1 SGG auf Einziehung des sichergestellten Suchtgifts.
Bei der Strafbemessung wertete es die bisherige Unbescholtenheit der Angeklagten, das Geständnis zum Finanzdelikt und zum Vergehen der (Fälschung) besonders geschützter Urkunden, die Tatausführung auf Grund der Einwirkung eines Dritten und den Umstand, daß es teilweise beim Versuch geblieben ist, als mildernd, als erschwerend hingegen die exorbitant hohe Kokainmenge und das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen.
In ihrer Berufung führt die Angeklage aus, sowohl die Freiheitsstrafe als auch die Geldstrafe seien überhöht und nicht tatschuldangemessen; im Berufungsantrag wird allerdings nur die Herabsetzung der Freiheitsstrafe begehrt.
Die Berufung ist nicht begründet.
Mag der Angeklagten (überdies) auch ihre Notlage als Triebfeder für ihr strafbares Verhalten zugute zu halten sein, so wird dieser Umstand ebenso wie ihre nach der Anhaltung geäußerte Bereitschaft, an der Aufklärung der weiteren Tatumstände mitzuwirken, durch die besonders hohe kriminelle Energie, die für die Verwirklichung des aufwendigen Tatplanes erforderlich war, mehr als wettgemacht. Angesichts der übergroßen Suchtgiftmenge kann auch das von der Angeklagten ins Treffen geführte Tatmotiv wegen des Mißverhältnisses zwischen der mit der Deliktsverwirklichung verbundenen (Gemein-)Gefahr und dem angestrebten persönlichen Vorteil nicht als achtenswerter Beweggrund iS § 34 Z 3 StGB anerkannt werden. Schließlich kann aus der bisherigen Unbescholtenheit der Angeklagten - und allein auf diese stützt die Berufung das Begehren auf Annahme des Milderungsgrundes des § 34 Z 9 StGB - keineswegs mit Grund darauf geschlossen werden, die Angeklagte habe die urteilsgegenständlichen Straftaten mehr durch eine besonders verlockende Gelegenheit verleitet als mit vorgefaßter Absicht begangen. Andere Umstände aber, die einen derartigen Schluß rechtfertigen könnten, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.
Die vom Schöffengericht festgestellten Strafzumessungsgründe bedürfen demnach keiner nennenswerten Korrektur zugunsten der Angeklagten. Davon ausgehend und unter entsprechender Berücksichtigung des hohen Schuld- und Unrechtsgehalts insbesondere des der Angeklagten zur Last liegenden Suchtgiftverbrechens - das mit Freiheitsstrafe von einem bis zu fünfzehn Jahren bedroht ist - erweist sich die hiefür in erster Instanz ausgemessene Freiheitsstrafe von vier Jahren nicht als überhöht, sodaß dem Begehren um Reduzierung dieser Strafe keine Berechtigung zukommt. Das gilt gleichermaßen aber auch für die für das Finanzvergehen verhängte Geldstrafe.
Es mußte daher auch der Berufung ein Erfolg versagt bleiben, weshalb über die Rechtsmittel der Angeklagten insgesamt spruchgemäß zu erkennen war.
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