OGH 9ObA13/91

OGH9ObA13/9113.3.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith und Dr.Jelinek sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Franz Köck und Mag.Wilhelm Patzold als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei W***** reg.Genossenschaft m.b.H., ***** vertreten durch ***** Rechtsanwälte *****, wider die beklagte Partei R***** T*****, wegen Rechnungslegung und Eidesleistung (Streitwert S 6.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 31.Oktober 1990, GZ 5 Ra 161/90-11, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 7.August 1990, GZ 43 Cga 158/90-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei begehrt mit ihrem als Klage nach § 308 EO iVm §§ 301 EO, Art XLII ZPO bezeichneten Schriftsatz den Beklagten schuldig zu erkennen, unter Vorlage prüffähiger Unterlagen über die Höhe der Dienstbezüge eines seiner Dienstnehmer Rechnung zu legen, die Höhe anzugeben und die Vollständigkeit und Richtigkeit zu beeiden; weiters solle er unter Eid die Höhe der diesem Dienstnehmer gegen ihn zustehenden Forderungen angeben. Die Geltendmachung und Präzisierung eines Zahlungsbegehrens behielt sie sich vor. Zur Begründung ihres Begehrens brachte sie vor, sie führe gegen einen Arbeitnehmer des Beklagten Exekution wegen S 50.000 sA. In diesem Verfahren sei die Pfändung und Überweisung der dem Verpflichteten als Arbeitnehmer gegen den nunmehr Beklagten zustehenden Bezüge bewilligt worden. Gleichzeitig sei dem Beklagten als Drittschuldner aufgetragen worden, sich binnen 14 Tagen über die im § 301 Abs 1 EO angeführten Punkte zu äußern. Diesem Auftrag sei der Beklagte zwar nachgekommen, es bestünden jedoch ernsthafte und begründete Zweifel über die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben. In dem Fragebogen scheine in der Spalte "laufendes Entgelt" nur ein Betrag von S 2.200 auf, obwohl der Verpflichtete bereits mehr als drei Jahre früher bei Leistung eines Offenbarungseides für seine halbtägige Beschäftigung beim Beklagten ein Einkommen von S 4.720 angegeben habe. Daß sich in der Zwischenzeit der Lohn um mehr als die Hälfte verringert habe, widerspreche der allgemeinen Lebenserfahrung und wäre nach kollektivvertragsrechtlichen und zwingenden arbeitsrechtlichen Bestimmungen auch nicht zulässig. Es bestehe sohin der ernsthafte und begründete Verdacht, daß der Beklagte nicht die volle Höhe der Bezüge des Verpflichteten angegeben und von der Verschweigung und Verheimlichung eines Vermögens vermutlich Kenntnis habe.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß die Drittschuldneräußerung nicht im Prozeßweg erzwungen werden könne und auf den Gläubiger ein Anspruch auf Rechnungslegung nicht übergegangen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Beweisaufnahme aus folgenden rechtlichen Erwägungen ab: Nach § 301 Abs 1 EO habe das Exekutionsgericht im Zuge einer Exekution auf Geldforderungen dem Drittschuldner aufzutragen, sich binnen 14 Tagen über die gepfändete Forderung zu erklären. Nach Abs 3 dieser Bestimmung hafte der Drittschuldner dem betreibenden Gläubiger für den Schaden, der aus einer Verweigerung der Erklärung sowie aus einer wissentlich unwahren oder unvollständigen Erklärung entstehe. Die Erklärung des Drittschuldners könne im Klageweg nicht durchgesetzt werden. Die Sanktion bei Unterlassung, Verweigerung oder verspäteten, unvollständigen oder wissentlich unwahren Erklärungen bestehe in der Haftung des Drittschuldners gegenüber dem betreibenden Gläubiger für den entstandenen Schaden. Die klagende Partei habe nicht behauptet, daß der verpflichtete Dienstnehmer einen Anspruch auf Rechnungslegung gegenüber dem Beklagten habe, der auf sie als Überweisungsgläubigerin hätte übergehen können.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000 nicht übersteige, die Revision aber zulässig sei, weil eine höchstgerichtliche Judikatur zu dieser Frage nicht "greifbar" sei. Zunächst sei schon die Fassung des Klagebegehrens verfehlt, weil es nicht auf die Angabe eines Vermögens, sondern auf Rechnungslegung abstelle. Im übrigen sei es zwar richtig, daß der zweite Fall des Art XLII Abs 1 EGZPO im Gegensatz zum ersten Fall eine eigene Norm des materiellen Rechtes sei, die bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen auch ohne sonstige rechtliche Verpflichtung zur Vermögensangabe und Eidesleistung zwinge. Voraussetzung sei allerdings eine bewußt absichtliche Verschweigung oder Verheimlichung eines Vermögens. Die bloße Vermutung einer Verschweigung oder Kenntnis einer solchen schaffe nicht die Voraussetzungen des Art XLII zweiter Fall EGZPO. Darüber hinaus fehle das in Art XLII EGZPO verlangte privatrechtliche Interesse der klagenden Partei an der Ermittlung des Vermögens des Schuldners. Komme der Beklagte seiner Verpflichtung zur richtigen und vollständigen Abgabe einer Drittschuldneräußerung nicht nach, so werde er schadenersatzpflichtig. Im übrigen habe nach § 306 Abs 1 EO der Verpflichtete der klagenden Partei die zur Geltendmachung der überwiesenen Forderung nötigen Auskünfte zu erteilen und die vorhandenen Urkunden herauszugeben. Daß jener diesen Anordnungen nicht nachkomme, habe die klagende Partei nicht einmal behauptet. Da ihre Behauptungen an sich ungeeignet seien, den geltend gemachten Anspruch zu begründen, sei die Überprüfung ihrer Erweislichkeit nicht erforderlich.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag.

Der Beklagte hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die klagende Partei meint, ihr Begehren entspräche den in Art XLII EGZPO gewährten Ansprüchen; im übrigen habe sie keinen Anspruch nach Art XLII erster Fall EGZPO, sondern nach dem zweiten Fall dieser Bestimmung geltend gemacht. Danach könne jeder geklagt werden, der von der Verschweigung oder Verheimlichung eines Vermögens "vermutlich" Kenntnis habe; es genüge daher der begründete Verdacht der Kenntnis des Beklagten von der Verschweigung oder Verheimlichung; diese Nachweise hätte sie durch ihre Berufung auf den Exekutionsakt erbracht. Das Berufungsgericht habe auch zu Unrecht ihr privatrechtliches Interesse verneint; dieses folge aus ihrem aus der Exekutionsordnung ableitbaren rechtlichen Interesse, daß ihre Exekutionsführung nicht durch unrichtige Angaben eines Drittschuldners vereitelt werden solle.

Diese Auffassungen sind verfehlt. Zutreffend haben die Vorinstanzen ausgeführt, daß nach ständiger Lehre und Rechtsprehung ein Anspruch nach § 301 EO im Klageweg nicht durchsetzbar ist. Der Drittschuldner macht sich bei Unterlassung, Verweigerung, wissentlich unwahren oder unvollständigen Angaben nur schadenersatzpflichtig (Heller-Berger-Stix, KommEO 2179; Fasching Komm II 94; Arb 6.741; EvBl 1974/33; SZ 54/85 ua).

Ansprüche auf Vermögensangabe, die im Exekutionsverfahren entstehen, können nicht im Klageweg nach Art XLII EGZPO, sondern nur in den in diesem Verfahren ausdrücklich vorgesehenen Formen geltend gemacht werden, weil dem betreibenden Gläubiger das nach Art XLII Abs 2 EGZPO geforderte privatrechtliche Interesse an der Ermittlung des Vermögens- und Schuldenstandes fehlt; sein Anspruch ist ein rein verfahrensrechtlicher, also öffentlich-rechtlicher Anspruch. Der betreibende Gläubiger hat daher aus dem Titel der zwangsweisen Durchsetzung seiner ihm gegen den Verpflichteten zustehenden Forderung keinen Anspruch gegen den Drittschuldner auf eidliche Angabe der dem Verpflichteten gegen jenen zustehenden Ansprüche (Fasching Komm II 94). Ein solcher Anspruch auf Rechnungslegung könnte dem betreibenden Gläubiger nur dann zustehen, wenn der Verpflichtete gegen den Drittschuldner einen solchen sich zumindest aus der Natur der privatrechtlichen Beziehungen ergebenden Hilfsanspruch (Arb 7.642; 9.164 uva) hätte, der als Nebenanspruch anläßlich der Forderungspfändung und -überweisung mitübertragen würde.

Derartiges hat aber die klagende Partei nicht behauptet. Sie stützt ihren Rechnungslegungsanspruch vielmehr ausschließlich auf den zweiten Tatbestand des Art XLII EGZPO ( ... wer von der Verheimlichung oder Verschweigung eines Vermögens vermutlich Kenntnis hat ...). Dieser setzt keinen schon bestehenden privatrechtlichen Anspruch zur Angabe des Vermögens oder der Schulden voraus, sondern schafft eine neue Norm des materiellen Rechts. Es genügt ein entsprechender Sachverhalt, um den Beklagten zur Vermögensangabe und Eidesleistung zu veranlassen. Erforderlich ist aber auch hier das nach Art XLII Abs 2 EGZPO stets erforderliche privatrechtliche Interesse an der Ermittlung des Vermögens oder Schuldenstandes; da dieses nicht wie im ersten Fall selbstverständlich ist, muß es im zweiten Fall nachgewiesen werden. Es ist nur dann zu bejahen, wenn durch Verheimlichung oder Verschweigung des Vermögens der Kläger selbst unmittelbar in seinen aus Gesetz oder Vereinbarung abgeleiteten Privatrechten beeinträchtigt wird. Eine Beeinträchtigung wirtschaftlicher Interessen allein genügt nicht (Fasching Komm II 89, 97; vgl 5 Ob 521/86 und 8 Ob 518/87).

Die klagende Partei hat als betreibende Gläubigerin mangels privatrechtlichen Interesses im Sinn des Art XLII Abs 2 EGZPO daher auch im Fall wissentlich unwahrer Angaben des Drittschuldners in der Drittschuldnererklärung, die seine Kenntnis von verheimlichten oder verschwiegenen Vermögen vermuten läßt, keinen Anspruch auf eidlich bekräftigte Angabe des Vermögens nach Art XLII EGZPO; ihr verbleibt auch in diesem Fall nur der Schadenersatzanspruch nach § 301 Abs 3 EO. Es ist daher nicht zu prüfen, ob der Beklagte vermutlich Vermögen des Verpflichteten verschwiegen hat, ob das Rechnungslegungsbegehren zu weit gefaßt ist (vgl Fasching Komm II 96) und das Klagebegehren nicht auch deshalb abzuweisen wäre, weil der betreibende Gläubiger die geforderten Daten auch anderswo, nämlich beim Schuldner, in Erfahrung bringen könnte, der auch die vorhandene Belege gemäß § 306 EO herausgeben müßte (SZ 61/165 ua).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.

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