OGH 14Os9/91

OGH14Os9/9112.3.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.März 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Winge als Schriftführer, in der Strafsache gegen Wilfried J***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 2 und Abs. 3 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Karl Heinz B***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 26. November 1990, GZ 38 Vr 2361/90-52, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertretes des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und des Verteidigers zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 24-jährige Karl Heinz B***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und hiefür nach dieser Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er am 25.Mai 1990 in Innsbruck dem Roland M***** mit Gewalt, indem er ihm Schläge (ersichtlich gemeint: "einen Schlag" - vgl. US 7) versetzte und ihn gegen eine Mauer drückte, sowie durch die sinngemäße Drohung mit weiteren Schlägen (M***** solle Arme und Hände nicht erheben, dies sei besser für ihn - US 7) eine Halskette im Wert von ca. 300 S mit Bereicherungsvorsatz weggenommen.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer (nominell) auf die Z 5 a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Weiters hat er gegen den Strafausspruch Berufung ergriffen. Da dem Angeklagten die Ladung nicht zugestellt werden konnte, wurde der Gerichtstag auf die Verhandlung und Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde eingeschränkt (vgl. hiezu Mayerhofer/Rieder StPO3 ENr. 16 a zu § 296).

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Das Schöffengericht stützte die Feststellung, daß der Angeklagte dem Roland M***** die Kette mit Gewalt weggenommen hat, insbesondere auf die als glaubwürdig beurteilten Bekundungen des genannten Zeugen, durch welche es im Zusammenhalt mit den Angaben des Mitangeklagten Wilfried J***** die leugnende Verantwortung des Angeklagten als widerlegt erachtete (US 9 f).

Was die Beschwerde in der Tatsachenrüge (Z 5 a) dagegen vorbringt, ist nicht geeignet, sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Mit den bezüglichen Beschwerdeausführungen wird vielmehr der Sache nach insgesamt lediglich nach Art einer Schuldberufung die tatrichterliche Beweiswürdigung bekämpft, indem versucht wird, den Beweiswert der Aussage des Tatopfers in Zweifel zu ziehen und der vom Schöffengericht abgelehnten Verantwortung des Angeklagten, Roland M***** habe ihm die Kette freiwillig ausgehändigt, doch noch zum Durchbruch zu verhelfen. Die Beschwerde übergeht indes jene Erwägungen mit Stillschweigen, auf die das Schöffengericht seine diesbezüglich (gemäß § 258 Abs. 2 StPO) gewonnene Überzeugung gestützt hat. Dabei ließen die Tatrichter die Widersprüche zwischen den in der Anzeige (S 25, 27) wiedergegebenen Angaben des Roland M***** und seiner Zeugenaussage in der Hauptverhandlung keineswegs unerörtert; sie gelangten jedoch unter Berücksichtigung der gerichtsnotorischen und auch dem Roland M***** bekanntgewesenen Neigung des Angeklagten (und dessen Brüdern) zu Gewalttätigkeiten zum Ergebnis, daß der Zeuge in der Hauptverhandlung den Angeklagten zwar anfangs ersichtlich nicht belasten wollte und den Vorfall deshalb zunächst "abschwächend" schilderte, über Vorhalt der Anzeige dann aber das Tatgeschehen wahrheitsgemäß wiedergegeben hat (US 9 f).

Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang ins Treffen führt, das Ersturteil stehe "in Anbetracht dieser widersprüchlichen Akteninhalte" mit dem Grundsatz "in dubio pro reo" nicht im Einklang, genügt der Hinweis, daß dem österreichischen Strafprozeß jede Beweisregel fremd ist und demnach auch der zuvor bezeichnete Grundsatz keineswegs die Bedeutung einer "negativen" Beweisregel hat, derzufolge sich das Gericht bei Verfahrensergebnissen, die mehrere Deutungen und Schlußfolgerungen zulassen, grundsätzlich die für den Angeklagten günstigste der sich anbietenden Varianten zu eigen machen muß. Denn das Gericht hat darüber, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist, stets nach seiner freien, aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider den Angeklagten vorgebrachten Beweismittel gewonnenen Überzeugung zu entscheiden (§ 258 Abs. 2 StPO), wobei es sich jede Meinung bilden kann, die den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung nicht widerspricht. Insoweit ist es jedenfalls nicht erforderlich, daß Schlußfolgerungen aus (zweifelsfrei festgestellten) Prämissen zwingend sind; genug daran, daß sie den Denkgesetzen entsprechen (Mayerhofer/Rieder StPO3 ENr. 40 ff zu § 258).

Mit dem bezüglichen Beschwerdevorbringen wird sohin weder eine Urteilsnichtigkeit gemäß § 281 Abs. 1 Z 5 a StPO aufgezeigt (EvBl. 1989/24 ua) noch - der Sache nach - ein formaler Begründungsmangel (Z 5) dargetan.

Nicht berechtigt ist aber auch die Subsumtionsrüge (Z 10), mit welcher der Angeklagte die Tatbeurteilung als minderschweren Raub nach § 142 Abs. 2 StGB anstrebt.

Die gelindere Strafdrohung nach der zuletzt bezeichneten Gesetzesstelle setzt voraus, daß der Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen wird, die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und es sich um keinen schweren Raub (§ 143 StGB) handelt. Sämtliche Voraussetzungen müssen kumulativ gegeben sein; dies ist indes vorliegend nicht der Fall.

Der Raub wurde zwar, worauf die Beschwerde an sich zutreffend

hinweist, an einer Sache geringen Wertes begangen, zumal der

Richtwert für die Geringwertigkeit einer Sache nach der neueren

Rechtsprechung mit etwa 1.000 S anzunehmen ist (EvBl. 1989/112 =

RZ 1989/60 = JBl. 1990, 55; NRsp 1990/253 ua).

Die vorliegende Raubtat wurde jedoch nicht ohne Anwendung erheblicher Gewalt verübt, es wurde vielmehr beachtliche physische Kraft in vehementer Weise eingesetzt, indem der Angeklagte, der dem Roland M***** in der selben Nacht nur kurze Zeit vorher bereits Schläge versetzt hatte (US 6, 7), den Genannten gegen eine Mauer drückte und ihm einen Schlag versetzte, wobei M***** zudem eine Verletzung (nämlich Kratzspuren am Hals - S 29/I, 5/II) erlitten hat (US 9). Die vom Schöffengericht festgestellte "erhebliche Gewaltanwendung" des Angeklagten gegen den von ihm kurz zuvor bereits durch Schläge attackierten und durch die Ankündigung weiterer Mißhandlungen eingeschüchterten Roland M***** lag daher nicht mehr unter der Erheblichkeitsschwelle; sie hat diese vielmehr bei Anwendung des hier zu beachtenden objektiv-individualisierenden Maßstabs unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls überschritten (vgl. hiezu JBl. 1986, 486; Kienapfel BT II2 RN 107 ff; Leukauf-Steininger Komm.2 RN 34 ff; Mayerhofer/Rieder StGB3 ENr. 39 ff; Zipf WK Rz 46 ff je zu § 142). Ein Eingehen auf die Bedeutung der Verletzungsfolgen ist demzufolge nicht mehr erforderlich.

Die Beurteilung der vorliegenden Tat als Raub im Sinn des § 142 Abs. 1 StGB erfolgte sohin frei von Rechtsirrtum, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen war.

Nach Ausforschung des Aufenthaltsortes des Angeklagten werden die Akten zur Entscheidung über seine Berufung dem zuständigen Gerichtshof zweiter Instanz vorzulegen sein.

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