Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 21.5.1955 geborene Klägerin ist Hauptschullehrerin für die Fächer Deutsch und Geschichte. Sie erlitt am 28.5.1988 einen Dienstunfall und bezog vom 29.8. bis 4.9.1988 eine vorläufige Versehrtenrente von 100 % der Vollrente einschließlich Zusatzrente für Schwerversehrte, vom 5.9.1988 bis 28.2.1989 eine vorläufige Versehrtenrente von 25 % der Vollrente und vom 1.3. bis 31.12.1989 eine solche von 20 % der Vollrente. Mit Bescheid vom 12.12.1989 lehnte die beklagte Partei die Gewährung einer Versehrtenrente als Dauerrente ab 1.1.1990 ab. Die durch die Unfallsfolgen bedingte dauernde Verminderung ihrer Erwerbsfähigkeit sei mit 15 v.H. anzusehen und liege daher als Dauerzustand unter der gesetzlichen Mindestgrenze.
Das Erstgericht wies das dagegen erhobene, auf Gewährung einer Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß ab 1.1.1990 gerichtete Klagebegehren ab. Es stellte folgenden weiteren Sachverhalt fest:
Die Klägerin ist Lehrerin am Polytechnischen Lehrgang. Am 28.5.1988 spielte sie während einer Schullandwoche als "Sportbeauftragte" mit Schülern Basketball. Dabei rutsche sie aus und zog sich einen Riß des vorderen Kreuzbandes, des Innenmeniskus und des inneren Seitenbandes im rechten Kniegelenk zu. Die Verletzung wurde operativ versorgt, die Wunden sind bland verheilt. Die Klägerin befindet sich in gutem Ernährungs- und Allgemeinzustand, es besteht keine Gangstörung und keine offensichtliche Muskelverschmächtigung. Die Beweglichkeit der Kniegelenke beträgt rechts SO-O-150 und links SO-O-160. Die Hüft-, Sprunggelenks- und Zehenbeweglichkeit erweist sich als frei. Das rechte Kniegelenk zeigt eine geringe vordere Schublade (Lockerung des vorderen Kreuzbandes). Es besteht noch ein Unsicherheitsgefühl und Wetterfühligkeit im Bereich des rechten Kniegelenkes. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit beträgt ab 1.1.1990 15 v.H.
In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht den geltend gemachten Anspruch auf Versehrtenrente gemäß § 101 Abs 1 B-KUVG, weil die Minderung der Erwerbsfähigkeit unter dem berentungsfähigen Ausmaß liege.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer zutreffenden Beweiswürdigung. Ausgehend von den Feststellungen lägen die Voraussetzungen für die Gewährung einer Versehrtenrente nach § 101 Abs 1 B-KUVG nicht vor. Die auf Grund des Dienstunfalles festgestellte Minderung der Erwerbsfähigkeit betrage ab 1.1.1990 nur 15 v.H. Entgegen der in der Rechtsrüge vertretenen Ansicht beziehe sich in der Unfallversicherung der Begriff der Minderung der Erwerbsfähigkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Es sei daher nicht relevant, ob die durch den Arbeitsunfall erlittenen Schädigungen sich auf den vom Versicherten konkret ausgeübten Beruf auswirken oder nicht. Bei Beurteilung, ob und in welchem Ausmaß eine im Rahmen der Unfallversicherung abzufindende Minderung der Erwerbsfähigkeit vorliege, sei grundsätzlich nicht vom ausgeübten Beruf des Versicherten auszugehen. Mit der Versehrtenrente solle keine Entschädigung dafür geboten werden, daß ein Versicherter gewisse Berufe auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr erlangen könne; die Unfallversicherung stelle keine Berufsversicherung dar (SVSlg 32.896, 32.897). Dabei könne in aller Regel, insbesondere wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit nur ein geringes Ausmaß erreiche, mit dem Gutachten des medizinischen Sachverständigen das Auslangen gefunden werden. In diesem Bereich reiche die allgemeine medizinische Erfahrung aus. Es genüge hier die allein vom ärztlichen Sachverständigen vorgenommene Abschätzung der Minderung der Arbeits- und Einsatzfähigkeit, weil sie in erster Linie von dem Mehraufwand an Mühe ausgehe, der vom Versehrten zu erbringen sei (vgl SVSlg 32.918). Auf die konkreten Verdienstmöglichkeiten der Klägerin in ihrem Beruf vor und nach dem Unfall sei nicht abzustellen. Auch ein Ausnahmefall, der die Anwendung der zur Vermeidung unbilliger Härten herausgebildete Rechtsprechung rechtfertigen würde, liege nicht vor: Diese Grundsätze seien nur bei einem höheren Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit anzuwenden, jedenfalls nicht in Fällen wie dem vorliegenden, bei denen dieser Grad unter 20 v.H. liege. Dazu komme, daß die Klägerin weiterhin als Lehrerin eines polytechnischen Lehrganges Dienst versehe.
Die dagegen von der Klägerin erhobene Revision ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (§ 503 Z 2 ZPO) liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Revisionswerberin behauptet Mängel des Verfahrens erster Instanz, nämlich die Unterlassung der Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens und der Parteienvernehmung der Klägerin, die vom Berufungsgericht mit ausreichender Begründung nicht für gegeben erachtet wurden und daher nach ständiger Rechtsprechung mit Revision nicht mehr geltend gemacht werden können (SSV-NF 1/32 = SZ 60/197; SSV-NF 3/115 = JBl 1990, 535 uva). Soweit die Klägerin meint, durch ihre Parteienvernehmung hätte die konkrete Einkommenssituation vor und nach dem Unfall bewiesen werden können, macht sie einen Feststellungsmangel geltend, der aber nicht vorliegt.
Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, daß der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit objektiv-abstrakt zu prüfen ist und die Unfallversicherung keine Berufsversicherung darstellt, ist zutreffend (§ 48 ASGG) und entspricht der
ständigen höchstgerichtlichen Judikatur (SSV-NF 1/64 = SZ 60/262
= JBl 1988, 259 = DRdA 1989, 128; ebenso SSV-NF 2/104, 3/22,
3/128 und 4/3; SVSlg 32.893, 32.894 ua; vgl auch Grillberger, Österreichisches Sozialrecht 53 f). Die Revisionsausführungen, die - entgegen der herrschenden Auffassung (vgl nur Bydlinski in Rummel ABGB2 Rz 25 zu § 6 mwN) - lediglich das Primat einer wörtlichen Auslegung des § 101 Abs 1 B-KUVG ("des Versehrten" statt "eines Versehrten") behaupten, sind nicht geeignet, den Obersten Gerichtshof zu einem Abgehen von seiner ständigen Rechtsprechung zu veranlassen. Die Textierung des § 203 Abs 1 ASVG zwingt nämlich keineswegs zu den von der Revision gezogenen Schlüssen: auch nach der oben dargestellten ständigen Rechtsprechung wird die Erwerbsfähigkeit "des Versehrten" (also "des" Klägers) - wenn auch objektiv-abstrakt - und nicht die "irgendeines" Versehrten (Klägers) untersucht. Das Berufungsgericht hat auch zutreffend dargelegt, daß ein Härtefall, der ein Abweichen von der ärztlichen Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit geboten erscheinen läßt, schon deshalb nicht vorliegt, weil die Klägerin ihren Beruf einer Hauptschullehrerin weiterhin ausübt.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG:
Gründe, die einen Kostenzuspruch als Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden weder geltend gemacht, noch sind solche Gründe aus dem Akt ersichtlich.
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