OGH 8Ob665/90

OGH8Ob665/9021.2.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Graf und Dr. Schinko als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien

1.) mj. Albert E*****, vertreten durch seine Mutter, die zweitklagende Partei, und 2.) Mag. Friederike E*****, vertreten durch Dr. Johannes Eltz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Eva Maria S*****, 2.) Ilse Gertrude W*****, 3.) Mag. Eva Maria S*****, 4.) Maria R*****,

5.) Dipl.Ing. Hugo S***** und 6.) Monique S*****, 3.-6.-beklagte Partei vertreten durch KR Friedrich C*****, dieser sowie die 1. und 2.-beklagte Partei vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer und Dr. Martin Riedl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 30.000,-) infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 7. Juni 1989, GZ 41 R 269/89-33, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Inneres Stadt Wien vom 29. Juli 1988, GZ 42 C 369/87-22, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

In Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichtes wird das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt.

Die Beklagten sind schuldig, den klagenden Parteien je zur Hälfte die mit S 13.049,29 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (einschließlich S 1.568,59 Umsatzsteuer und S 1.500,- Pauschalgebühren) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht stellte im Sinne des Klagebegehrens fest, daß der mj. Erstkläger und die Zweitklägerin nach dem Tod der vormaligen Hauptmieterin Leopoldine Z***** in deren Hauptmietrechte an der Wohnung ***** eingetreten seien. Es traf - zusammengefaßt dargestellt - folgende Feststellungen:

Die Zweitklägerin wohnte seit dem Jahr 1953 in der Wohnung ihrer Eltern Leopoldine und Franz Z*****. Es gab verschiedentliche Spannungen zwischen ihnen. Die Eltern der Zweitklägerin zogen sich schließlich auf die Benützung eines Kabinetts und des Wohnzimmers zurück; den Rest der Wohnung stellten sie dem Erstkläger sowie der Zweitklägerin und deren Ehegatten zur Verfügung. Das Verhältnis zu den Eltern blieb auch weiterhin schwierig. Es kam zu "penibler" gegenseitiger Verrechnung der Wohnkosten, dennoch bestand aber immer wieder eine Gesprächsbereitschaft zwischen den Wohnungsgenossen und es wurden weiterhin die Feiertage gemeinsam verbracht. Die zwischen der Zweitklägerin und ihren Eltern bestehenden Zwistigkeiten wurden dadurch gefördert, daß die erst- und zweitbeklagte

Partei - Schwestern der Zweitklägerin - ihrerseits Partei für die Eltern ergriffen. Die Mutter der Zweitklägerin war knapp vor dem Ableben derart verbittert, daß sie nur noch den Erstkläger den von ihr benützten Raum betreten ließ.

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß die Kläger nach § 14 Abs.3 MRG eintrittsberechtigt seien. Es sei von einem gemeinsamen Haushalt mit der verstorbenen Hauptmieterin Leopoldine Z***** auszugehen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Parteien Folge und wies das Klagebegehren in Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung ab. Es wiederholte die Beweise und traf folgende zusätzliche Feststellungen:

Die Zweitklägerin benützte mit ihrem Ehegatten zunächst zwei straßenseitig gelegene Räume. Seit der Geburt des Erstklägers im Jahre 1984 bewohnte sie auch das ehemalige Schlafzimmer ihrer Eltern, die sich seither auf die Benützung eines Zimmers und eines Kabinetts beschränkten. Das Vorzimmer, die Küche, das Bad und die Toilette wurden von allen Mitbewohnern gemeinsam benützt. Die Mitbewohner trachteten von Anfang an, die mit dem Wohnen zusammenhängenden Kosten und sonstige Zahlungen genau aufzuteilen, damit einer dem anderen nichts vorwerfen konnte; diese Aufteilung wurde im Laufe der Zeit immer "penibler" durchgeführt.

Die Miet-, die Betriebskosten und die Energiekosten für die Wohnung wurden von der Zweitklägerin und ihren Eltern gemeinsam getragen und genauest entsprechend der Benützung anteilsmäßig aufgeteilt. Bis zur Geburt des Erstklägers bezahlten die Zweitklägerin und ihr Ehegatte für Gas und Strom zunächst 50 % und dann 75 % der anfallenden Kosten; 60 % der Kosten der Nachtspeicherheizung trugen sie stets.

Bis zum Jahr 1985 waren die Eltern der Zweitklägerin durchaus imstande, den Haushalt für sich selbst zu führen und taten dies auch. Als die Mutter der Zweitklägerin im Jänner 1985 erkrankte, wurden die Eltern im wesentlichen von der erst- und zweitbeklagten Partei versorgt; sie erledigten die Einkäufe für die Eltern und kochten für sie. Gelegentlich und ausnahmsweise - aus beruflichen Gründen in erster Linie an Wochenenden - tat dies auch die Zweitklägerin. Ab Jänner 1985 führten die erst- und zweitbeklagte Partei den Wohnungsputz für ihre Eltern durch. Auch die Zweitklägerin putzte die Wohnung für ihre Eltern und hielt die gemeinsamen Räumlichkeiten sauber. Die Mahlzeiten wurden in der Regel getrennt eingenommen. Den größten Teil des Geschirrs besaßen die Wohnungsbenützer gemeinsam; es gab gemeinsame Küchengeräte und ein gemeinsames Besteck. Seit dem Jahr 1983 wusch die Zweitklägerin nur einzelne Stücke, wie Handtücher und Putzfetzen, für ihre Eltern; deren übrige Wäsche wurde von der erst- und zweitbeklagten Partei gewaschen. Ein Eisschrank wurde von den Wohnungsbenützern zunächst gemeinsam verwendet. Nach einem Streit im Jahre 1984 verwendete die Familie der Zweitklägerin einen eigenen Eisschrank.

Bis zum Jahr 1984 stand ein Telefon in gemeinsamer Verwendung, dessen Kosten nach den Aufzeichnungen über die Gesprächsdauer genau aufgeteilt wurden. Danach gab es getrennte Telefone.

Feiertage, wie Weihnachten, Ostern oder Geburtstage, wurden von allen Wohnungsbenützern gemeinsam in einem Raum gefeiert.

Das persönliche Verhältnis zwischen der Familie der Zweitklägerin und den Eltern war gespannt und distanziert. Einen letzten Konflikt führte die Zweitklägerin dadurch herbei, daß sie nach dem Tod ihres Vaters und knapp vor dem Tod der schon schwerkranken Mutter mit ihr die Verteilung des nach ihrem Ableben zu erwartenden Erbes besprechen und klären wollte, wie die angefallenen Krankenhauskosten des Vaters zu tragen seien. In die Auseinandersetzungen griffen die erst- und zweitbeklagte Partei ein und schlossen die Zweitklägerin von der Benützung des Sterbezimmers der Mutter aus. Die Mutter der Zweitklägerin war knapp vor ihrem Ableben so verbittert, daß sie den von ihr benützten Raum in Zukunft nur noch vom Erstkläger betreten ließ.

Zum Zeitpunkt des Todes der Leopoldine Z***** verfügten die Kläger über keine andere Wohmöglichkeit; der Erstkläger benützte seit seiner Geburt die umstrittene Wohnung.

Rechtlich vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, daß die Umstände des vorliegenden Falles nicht auf einen gemeinsamen Haushalt der Kläger mit den Eltern der Zweitklägerin schließen ließen; es ergebe sich vielmehr das Bild zweier getrennt nebeneinander geführter Haushalte, sodaß die Kläger daher nicht eintrittsberechtigt im Sinne des § 14 Abs.3 MRG seien.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Kläger aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil abzuändern und dem Klagebegehren stattzugeben.

Die Beklagten beantragen in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend nahmen die Kläger den Standpunkt ein, daß das Zusammenleben der Familie der Zweitklägerin mit den Eltern nicht den Schluß auf zwei getrennte Haushalte zuläßt. Unter gemeinsamem Haushalt im Sinne des § 14 Abs.3 MRG wird gemeinsames Wohnen und Wirtschaften verstanden (MietSlg. 15.402; MietSlg. 20.458 uza). Bei der Beurteilung, ob ein solches gemeinsames Wohnen und Wirtschaften anzunehmen ist, sind die Umstände des Einzelfalles maßgebend (MietSlg. 19.355; MietSlg. 27.397 uza). Es kommt insbesondere auch auf die besondere familiäre Situation an (1 Ob 593/86 ua):

Diese war im vorliegenden Fall dadurch charakterisiert, daß sich die Zweitklägerin zwar mit ihren Eltern nicht gut verstand, aber doch nach ihren beruflichen Möglichkeiten für sie Einkäufe besorgte und kochte, den Wohnungsputz besorgte und die gemeinsamen Räumlichkeiten sauber hielt. Der größte Teil des Geschirrs war gemeinsamer Besitz; es gab gemeinsame Küchengeräte und ein gemeinsames Besteck. Auch einzelne Wäschestücke der Eltern wurden von der Zweitklägerin gewaschen. Die Familienfeste wurden gemeinsam in einem Raum gefeiert und die Miet-, Betriebs- und Energiekosten wurden nach runden Prozentbeträgen untereinander aufgeteilt, sodaß jeder einen Anteil an den gemeinsamen Auslagen tragen sollte. Der Erstkläger hatte überhaupt zu allen Räumen Zutritt. Dem Umstand, daß die Mutter der Zweitklägerin kurze Zeit vor ihrem Ableben der Zweitklägerin aus Verbitterung über deren geäußerte finanzielle Interessen an dem zu erwartenden Erbe das Betreten des "Sterberaumes" verboten hat, darf für die rechtliche Beurteilung dieses Falles keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden: familiäre Zwistigkeiten sind erfahrungsgemäß im Regelfall durchaus vorübergehender Natur, sodaß auch diesfalls aus dem bloßen "Zimmerverbot", das von der Mutter in der ersten Verärgerung über die Tochter verhängt worden ist, nicht schon auf einen endgültigen und vor allem auf einen vollständigen Bruch der familiären Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft geschlossen werden kann. Auch die tätige Mithilfe der Schwester der Zweitklägerin bei der Pflege der Eltern kann nicht schon den Schluß rechtfertigen, daß in der gemeinsamen Wohnung zwei getrennt nebeneinander geführte Haushalte bestanden. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen haben vielmehr die miteinander in der Wohnung lebenden 2 Generationen der Familie zwar ihre Lebensbereiche individuell gestaltet, aber dabei doch die für einen gemeinsamen Haushalt aller Mitbewohner charakteristischen Kriterien einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft erfüllt. Die Kläger sind daher eintrittsberechtigt im Sinne des § 14 Abs.3 MRG.

Der Revision war somit Folge zu geben; die Entscheidung des Erstgerichtes war in Abänderung des Berufungsurteils wiederherzustellen.

Der Kostenausspruch beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte