OGH 16Os35/90 (16Os36/90)

OGH16Os35/90 (16Os36/90)15.2.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Februar 1991 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Melnizky als Vorsitzenden sowie durch die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Kießwetter und Hon.Prof. Dr. Steininger und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hofer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Josef S***** und andere Angeklagte wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG, teilweise auch als Beteiligte gemäß § 11 (dritter Fall) FinStrG, über den Antrag der Angeklagten Josef S*****, Franz S***** und Viktor S***** auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wider die Versäumung der Frist zur Ausführung der angemeldeten Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung sowie über diese Rechtsmittel der Genannten gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 28. März 1990, GZ 9 Vr 616/86-40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

I. Den Angeklagten wird die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wider die Versäumung der Frist zur Ausführung der angemeldeten Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung erteilt.

II. Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

III. Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten gemäß § 285 i StPO dem Oberlandesgericht Wien zugemittelt.

IV. Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten die Kosten des Verfahrens über ihre Nichtigkeitsbeschwerden zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der nunmehr 61-jährige Josef S***** und der nunmehr 58-jährige Franz S***** des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG, teilweise auch als Beteiligte gemäß § 11 (dritter Fall) FinStrG, sowie der nunmehr 49-jährige Viktor S***** des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung als Beteiligter nach §§ 11 (dritter Fall), 33 Abs. 1 FinStrG schuldig erkannt und hiefür gemäß § 33 Abs. 5 FinStrG zu Geldstrafen verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs haben im Sprengel des Finanzamtes O***** zu nachstehend angeführten Zeiten vorsätzlich, wobei der strafbestimmende Wertbetrag (§ 53 Abs. 1 lit. b FinStrG) bei Josef S***** 500.000 S übersteigt,

A/ unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine Verkürzung bescheidmäßig festzusetzender Abgaben bewirkt, und zwar

I. Josef S*****

1. im Jahr 1977 durch die Abgabe unrichtiger Umsatz-,

Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen eine Verkürzung

der Umsatzsteuer 1976 um 4.356,-- S;

der Einkommensteuer 1976 um 91.695,-- S;

der Gewerbesteuer 1976 um 30.250,-- S;

2. im Jahr 1982 durch die Abgabe einer unrichtigen bzw.

unvollständigen Einkommensteuererklärung eine Verkürzung der

Einkommensteuer 1981 um 23.029,-- S;

II. Franz S***** im Jahr 1982 durch die Abgabe einer unrichtigen

bzw. unvollständigen Einkommensteuererklärung eine Verkürzung der

Einkommensteuer 1981 um 25.305,-- S;

III. Josef S***** und Franz S***** in den Jahren 1981 und 1982

als Geschäftsführer der Firma "Autoreisen S*****-GesmbH" im

bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter durch die

Abgabe unrichtiger Umsatz-, Körperschafts- und

Gewerbesteuererklärungen des genannten Unternehmens eine

Verkürzung

der Umsatzsteuer 1980 um 9.644,-- S;

der Umsatzsteuer 1981 um 12.196,-- S;

der Körperschaftssteuer 1980 um 77.200,-- S;

der Körperschaftssteuer 1981 um 102.795,-- S;

der Gewerbesteuer 1980 um 32.602,-- S;

der Gewerbesteuer 1981 um 37.915,-- S;

B/ Josef S***** und Franz S***** als Geschäftsführer der Firma

"Autoreisen S*****-GesmbH" im bewußten und gewollten

Zusammenwirken als Mittäter unter Verletzung einer

abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht

durch die Abgabe unrichtiger bzw. unvollständiger

Kapitalertragssteuererklärungen eine Verkürzung von Abgaben

bewirkt, und zwar

für 1980 um 48.750,-- S;

für 1981 um 62.000,-- S;

C/ in den Jahren 1981 und 1982 zu einer Abgabenhinterziehung (§ 33 Abs. 1 FinStrG) durch andere beigetragen, und zwar

I. durch die Verschleierung der Einnahmen der Firma "Autoreisen S*****-GesmbH" aus dem Bosniengeschäft sowie durch die Nichtverbuchung von anderen Gesellschaftern des genannten Unternehmens zugeflossenen Gewinnanteilen

1. Josef S***** und Franz S***** zu einer Verkürzung der

Einkommensteuer

a) der Anna S***** für 1980 um 17.935,-- S;

und für 1981 um 9.329,-- S;

b) der Karoline S***** für 1981 um 838,-- S;

2. Josef S***** zu einer Verkürzung der Einkommensteuer des Franz

S***** für 1981 um 25.305,-- S;

3. Franz S***** zu einer Verkürzung der Einkommensteuer des Josef

S***** für 1981 um 23.029,-- S;

II. Viktor S***** durch die unvollständige Verbuchung von Autobusfahrten in den bosnischen Raum und die unvollständige Abführung der Einnahmen aus den genannten Fahrten in die Firmenkasse sowie durch die Stärkung des Tatentschlusses des Franz S***** und des Josef S***** zu den unter A/I/2, II/ und III/ sowie B/ beschriebenen Tathandlungen.

I. Zum Wiedereinsetzungsantrag:

Rechtliche Beurteilung

Nach der Urteilsverkündung haben alle drei Angeklagten die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung angemeldet (S 474/Bd. I), worauf ihrem (gemeinsamen) Verteidiger am 20.Juni 1990 eine Urteilsausfertigung zugestellt wurde (S 492/Bd. I). Der mit 4.Juli 1990 datierte Schriftsatz des Verteidigers, mit welchem die angemeldeten Rechtsmittel hinsichtlich aller drei Angeklagten ausgeführt wurden, wurde erst am 5.Juli 1990 - somit einen Tag nach Ablauf der 14-tägigen Ausführungsfrist der §§ 285 Abs. 1, 294 Abs. 2 StPO - zur Post gegeben (s. Amtsvermerk vom 9.Juli 1990 S 3 h). Die Vorsitzende des Schöffengerichtes wies daher mit Beschluß vom 27.Juli 1990 (ON 44) die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten gemäß § 285 a Z 2 StPO zurück. Dieser Beschluß wurde dem Verteidiger der Angeklagten am 16.August 1990 zugestellt (S 16/Bd. II).

Die Angeklagten beantragen nunmehr die Erteilung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wider die Versäumung der Frist zur Rechtsmittelausführung mit der Begründung, ihr Verteidiger habe die Rechtsmittelausführung am 4.Juli 1990, somit fristgerecht, unterfertigt und kuvertiert zu den rekommandiert aufzugebenden Poststücken gegeben; die Postaufgabe hätte an diesem Tag von der Kanzleileiterin Vera L***** besorgt werden sollen; da die Genannte jedoch Überstunden leisten mußte, wäre es notwendig gewesen, die Post am Hauptpostamt aufzugeben, wobei Frau L*****, um diesen Weg nach Möglichkeit zu vermeiden, die rekommandierten Schreiben auf ihre Dringlichkeit überprüfte; dabei habe sie die im gegenständlichen Fall einzuhaltende Frist übersehen, weshalb es geschehen konnte, daß das Poststück mit der Rechtsmittelausführung erst am 5.Juli 1990 zur Post gegeben wurde. Frau L***** verfüge über eine ca. 15-jährige Praxis in Rechtsanwaltskanzleien; ein derartiges Versehen sei ihr bisher nicht unterlaufen, es könne nur auf die hohe Klientenfrequenz am 4. Juli 1990 und ihre durch die geleisteten Überstunden verminderte Konzentration zurückzuführen sein, weshalb das unterlaufene Versehen ein unabwendbares Ereignis dargestellt habe. Daß die Frist versäumt wurde, sei erst durch die Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses bemerkt worden.

Das Antragsvorbringen wird durch eine eidesstattliche Erklärung der Vera L***** sowie durch deren Angaben anläßlich ihrer Einvernahme beim Landesgericht Eisenstadt (ON 47) bestätigt. Im Anschluß an diese Vernehmung hat Rechtsanwalt Dr. K***** ausdrücklich darauf hingewiesen, daß Frau L***** eine außerordentlich verläßliche und gute Arbeitskraft sei, die bisher noch nie Anlaß zu einer Klage gegeben habe.

Da kein Grund besteht, an der Richtigkeit des Antragsvorbringens - das durch die erwähnte Erklärung und die Einvernahme der Vera L***** bescheinigt wird - zu zweifeln, ist davon auszugehen, daß die Fristversäumnis nur auf ein einmaliges Versehen einer bisher zuverlässig arbeitenden Kanzleiangestellten zurückzuführen ist, das einen unabwendbaren Umstand darstellt, der dem Rechtsanwalt nicht als Verschulden angelastet werden kann (ein Verschulden der Angeklagten selbst scheidet vorliegend von vornherein aus).

Es war den Angeklagten daher die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erteilen, zumal diese auch gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung rechtzeitig angemeldeter Rechtsmittel zulässig ist (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr. 4 ff zu § 364), der Wiedereinsetzungsanrag fristgerecht gestellt wurde und die angemeldeten Rechtsmittel zugleich ausgeführt wurden.

II. Zu den Nichtigkeitsbeschwerden:

Die Angeklagten stützen ihre (gemeinsam ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerden auf die Gründe der Z 5, 5 a und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO.

Entgegen dem eine Unvollständigkeit reklamierenden Vorbringen in der Mängelrüge (Z 5) hat das Schöffengericht die Aussagen der als Zeugin vernommenen Betriebsprüferin Ingrid A***** (geborene ST*****) in den Urteilsgründen erörtert; dabei war es - entsprechend der Vorschrift des § 270 Abs. 2 Z 5 StPO, die Entscheidungsgründe in gedrängter Darstellung abzufassen - nicht verhalten, sämtliche Angaben der genannten Zeugin im Urteil wiederzugeben. Mithin bedurfte es im Urteil keines gesonderten Hinweises darauf, daß die Zeugin A***** angegeben hat, den Betriebsprüfern sei zu Ohren gekommen, daß es "im Pool" ***** eine von einzelnen beteiligten Busunternehmen nicht eingehaltene Preisabmachung gebe. Dazu kommt, daß mit dieser Bekundung lediglich der Grund dafür angesprochen wurde, aus welchem bei den Busunternehmen Betriebsprüfungen vorgenommen wurden; daß es tatsächlich zu einer Unterbietung der vereinbarten Preise gekommen ist, kann daraus nicht entnommen werden.

Die als unzureichend begründet bekämpfte Urteilsfeststellung, wonach im Rahmen der Betriebsprüfung bei den Beschwerdeführern keine Belege über das sog. Bosniengeschäft aufgefunden werden konnten (US 8), steht mit den Ergebnissen der Betriebsprüfung, auf welche sich das Urteil bezieht, im Einklang; davon ausgehend ist aber der Schluß, es seien keine derartigen Belege in der Buchhaltung vorhanden gewesen, durchaus denkrichtig und lebensnah.

Desgleichen formal mängelfrei begründet ist die Urteilsargumentation, wonach anhand der Preislisten der Firma A***** sowie der Busgestellungspläne die (wahren) Einnahmen aus dem Bosniengeschäft ermittelt werden können (US 11).

Schließlich vermögen die Beschwerdeführer aber auch in Ansehung der Urteilskonstatierungen zur subjektiven Tatseite keine formalen Begründungsmängel aufzuzeigen; in Wahrheit bekämpfen sie mit ihren Einwänden lediglich die tatrichterliche Beweiswürdigung, weshalb der Mängelrüge zur Gänze keine Berechtigung zukommt.

Das Vorbringen in der Tatsachenrüge (Z 5 a) ist, wovon sich der Oberste Gerichtshof überzeugt hat, nicht geeignet, sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld der Beschwerdeführer zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen, insbesondere auch in Ansehung der subjektiven Tatseite, zu erwecken. Derartige Bedenken können (auch) daraus nicht abgeleitet werden, daß die Betriebsprüfer (die Zeugen Ingrid A***** und Robert S*****) bei ihrer Prüfungstätigkeit den Eindruck gewonnen haben, die festgestellten Mängel könnten auf Schlamperei und nicht auf Vorsatz zurückzuführen sein. Das Schöffengericht hat sich mit diesem Eindruck der Betriebsprüfer auseinandergesetzt; daß es zu anderen Schlußfolgerungen gekommen ist, stellt einen im schöffengerichtlichen Verfahren (nach wie vor) unbekämpfbaren Akt tatrichterlicher Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO) dar.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit. a) schließlich, mit welcher Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite reklamiert werden, geht nicht vom festgestellten Urteilssachverhalt aus; negiert sie doch die ausdrückliche Urteilskonstatierung, derzufolge alle drei Beschwerdeführer vorsätzlich gehandelt haben (US 9, 12, 13 und 17). Entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen ist dem Urteil aber auch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, worin der Tatbeitrag des Angeklagten Viktor S***** bestanden hat (US 10). Indem die Beschwerde dies übergeht, führt sie die Rechtsrüge (abermals) nicht prozeßordnungsgemäß aus. Sie vermag in diesem Zusammenhang aber - dem hilfsweise auf die Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Beschwerdevorbringen zuwider - auch keine formalen Begründungsmängel aufzuzeigen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden sind demnach teils offenbar unbegründet, teils nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt; sie waren darum schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen, woraus folgt, daß zur Entscheidung über die Berufungen der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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