OGH 16Os40/90 (16Os41/90)

OGH16Os40/90 (16Os41/90)15.2.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Februar 1991 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Melnizky als Vorsitzenden sowie durch die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Kießwetter und Hon.Prof. Dr. Steininger und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hofer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Wolfgang S***** wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 6.September 1990, GZ 8 Vr 1432/90-19, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluß des bezeichneten Gerichtes vom selben Tag, GZ 8 Vr 1432/90-20, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Andreewitch zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

II. Der Berufung wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Strafe auf 9 (neun) Monate herabgesetzt.

III. Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und gemäß § 494 a Abs. 1 Z 2 StPO ausgesprochen, daß vom Widerruf der dem Angeklagten im Verfahren 8 E Vr 817/88 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz (Urteil vom 28.März 1988) und im Verfahren 8 E Vr 658/89 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz (Urteil vom 8.Mai 1989) gewährten bedingten Strafnachsicht aus Anlaß der neuen Verurteilung abgesehen wird; gemäß § 53 Abs. 2 StGB wird die zu 8 E Vr 658/89 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz bestimmte Probezeit auf 5 (fünf) Jahre verlängert.

IV. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der nunmehr 29-jährige Wolfgang S***** des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB schuldig erkannt und hiefür (nach § 129 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 1 (einem) Jahr verurteilt. Unter einem wurde mit Beschluß gemäß § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO der Widerruf der dem Genannten zu 8 E Vr 817/88 und zu 8 E Vr 658/89 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz gewährten bedingten Strafnachsicht ausgesprochen.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat der Angeklagte am 24. Mai 1990 in Graz fremde bewegliche Sachen, nämlich einen Steinkrug, einen Teppich und mehrere Schallplatten im Gesamtwert von ca. 1.000 S, der Dr. Gabriele S***** nach Aufbrechen der Türe ihres Kellerabteiles, daher durch Einbruch in einen Raum, der sich in einem Gebäude befindet, mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Der Angeklagte bekämpft das Urteil im Schuldspruch mit einer nominell auf die Z 5, 5 a und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung; weiters hat er gegen den Widerrufsbeschluß Beschwerde erhoben.

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Die in der Mängelrüge (Z 5) reklamierte Undeutlichkeit des Ausspruchs darüber, daß der Beschwerdeführer durch Aufbrechen einer versperrten Türe in das Kellerabteil der Dr. Gabriele S***** eingedrungen ist, haftet dem Urteil nicht an; denn ungeachtet der von der Beschwerde ins Treffen geführten, bei isolierter Betrachtung mißverständlichen, weil ohne direkten Bezug auf den Beschwerdeführer nur die Möglichkeit eines Einbruchs zum Ausdruck bringenden Formulierung, die Kellerabteiltüre sei "offensichtlich aufgebrochen" worden (US 2), ist den Urteilsgründen in ihrer Gesamtheit mit hinreichender Deutlichkeit die Feststellung zu entnehmen, daß es der Beschwerdeführer war, der die (im Tatzeitpunkt versperrt gewesene zweite) Türe zu dem in Rede stehenden Kellerabteil aufgebrochen hat (vgl. insbesondere US 2 verso und US 3 verso). Diese Feststellung ist aber - entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen - auch formal mängelfrei begründet. Mit dem Hinweis, daß die Kellerabteiltüre (schon) zu einem früheren Zeitpunkt von einem anderen Täter aufgebrochen worden sein könnte, unternimmt der Beschwerdeführer lediglich den Versuch, seiner vom Schöffengericht als widerlegt erachteten Verantwortung doch noch zum Durchbruch zu verhelfen; ein formaler Begründungsmangel wird damit nicht aufgezeigt (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr. 145 ff zu § 281 Z 5).

Die Bekundung der Zeugin Manuela S*****, dem bei ihr wohnenden Beschwerdeführer 2.000 S gegeben zu haben, weil er "bei einem Hausmeister irgendwo nebenan Sachen kaufen sollte" (S 95 dA), hat das Schöffengericht, indem es sich mit der bezüglichen Verantwortung des Beschwerdeführers auseinandersetzte, ersichtlich ohnedies in den Kreis seiner beweiswürdigenden Erwägungen einbezogen (US 3); eine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung liegt demnach nicht vor. Daß es die in Rede stehende Geldübergabe im Hinblick auf die (weitere) Angabe des Beschwerdeführers, im Tatzeitpunkt den Betrag von 2.000 S nicht bei sich gehabt zu haben, als ungeeignet beurteilte, die einen Diebstahlsvorsatz in Abrede stellende Darstellung des Beschwerdeführers zu stützen, stellt einen im schöffengerichtlichen Verfahren unbekämpfbaren Akt tatrichterlicher Beweiswürdigung dar; auch in diesem Zusammenhang wird somit ein formaler Begründungsmangel nicht dargetan.

Soweit der Beschwerdeführer in der Tatsachenrüge

(Z 5 a) - abermals - vorbringt, es gebe keinen Beweis, daß ausgerechnet er die Kellerabteiltüre aufgebrochen habe, und es sei durchaus möglich, daß diese Türe von einer anderen Person gewaltsam geöffnet worden sei, zumal zwischen dem 23. und dem 24. Mai 1990 immerhin eine Nacht verstrichen sei, so ist dieses Vorbringen nicht geeignet, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des damit bekämpften Ausspruchs über die Schuld des Beschwerdeführers zu erwecken. Die Zeugin Dr. Gabriele S***** hat bekundet, die Türe ihres Kellerabteils am 23.Mai 1990 versperrt zu haben, und es fehlen jegliche konkreten Anhaltspunkte für ein Aufbrechen dieser Türe durch eine andere, unbekannte Person, weshalb die Verfahrensergebnisse keine Zweifel an der Richtigkeit ihrer Würdigung dahin, daß es der am 24.Mai 1990 im Kellerabteil der Dr. S***** angetroffene Beschwerdeführer gewesen ist, der die Türe zu diesem Abteil aufgebrochen hat, aufkommen lassen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit. a, richtig: Z 9 lit. b) übersieht, soweit sie das Vorliegen tätiger Reue (§ 167 StGB) reklamiert, daß dieser Strafaufhebungsgrund Deliktsvollendung vorausssetzt; vorliegend war der Diebstahl aber bloß versucht, sodaß tätige Reue begrifflich ausscheidet. Entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen scheidet im gegebenen Fall aber auch strafaufhebender Rücktritt vom Versuch (§ 16 Abs. 1 StGB) aus, weil es am Erfordernis der freiwilligen Aufgabe weiterer Tatausführung fehlt. Freiwillig erfolgt ein Rücktritt vom Versuch nämlich nur dann, wenn der Täter aus eigenem Antrieb von der Tatvollendung Abstand nimmt, obwohl er deren dem Tatplan entsprechende Ausführung noch für möglich erachtet (vgl. Foregger-Serini StGB4 Erl. III zu § 16; Leukauf-Steininger Komm.2 Rz 2 ff und Mayerhofer-Rieder StGB3 ENr. 5 ff, jeweils zu § 16). Vorliegend ist aber, wie den Gründen des angefochtenen Urteils unzweifelhaft zu entnehmen ist, die Vollendung des Diebstahls nur zufolge des Eingreifens des Zeugen Alfred S*****, sohin aus einem vom Willen des Beschwerdeführers unabhängigen Hindernis, unterblieben (vgl. US 2 verso unten sowie die Angaben des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung S 75 dA).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht als erschwerend die zwei einschlägigen Vorstrafen und die Tatbegehung innerhalb der Probezeit, als mildernd hingegen, daß es beim Versuch geblieben ist bzw. die Beute sichergestellt wurde.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe auf das gesetzliche Mindestmaß an.

Der Berufung kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Die vom Erstgericht festgestellten Strafzumessungsgründe bedürfen insoweit einer Korrektur, als der Erschwerungsgrund der Tatbegehung innerhalb der Probezeit zu entfallen hat. Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrmals ausgesprochen hat, darf der Umstand, daß der Rechtsbrecher innerhalb einer offenen Probezeit rückfällig geworden ist, nicht neben dem Erschwerungsgrund des § 33 Z 2 StGB als weiterer besonderer Erschwerungsgrund gewertet werden; der Rückfall innerhalb einer Probezeit ist vielmehr (allein) unter dem Aspekt eines (allfälligen) Widerrufs der bedingten Strafnachsicht (bzw. bedingten Entlassung) von Bedeutung (vgl. Mayerhofer-Rieder StGB3 ENr. 27 zu § 33).

Dem Berufungswerber fällt daher nur der Erschwerungsgrund des § 33 Z 2 StGB zur Last.

Die von der Berufung ins Treffen geführten (weiteren) Milderungsgründe liegen hingegen nicht vor: Nach den Verfahrensergebnissen kann weder von einer drückenden Notlage, durch welche der Angeklagte zur Tat bestimmt worden ist, noch davon die Rede sein, daß er die Tat unter Umständen begangen habe, die einem Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund nahekommen. Somit kommt dem Angeklagten nur der vom Erstgericht ohnedies festgestellte Milderungsgrund des § 34 Z 13 StGB zugute.

Ausgehend von den - entsprechend dem oben Gesagten - korrigierten Strafzumessungsgründen und unter Berücksichtigung des Umstands, daß der Unrechtsgehalt der (beim Versuch gebliebenen) Tat nicht allzu schwer wiegt, erweist sich das in erster Instanz gefundene Strafmaß - trotz des getrübten Vorlebens des Angeklagten - als überhöht; in Stattgebung der Berufung war die verwirkte (unbedingte) Freiheitsstrafe daher auf das aus dem Spruch ersichtliche, tatschuldangemessene Ausmaß zu reduzieren.

Im Ergebnis berechtigt ist aber auch die Beschwerde des Angeklagten gegen den Widerrufsbeschluß:

Zwar verkennt der Beschwerdeeinwand, wonach ein Widerruf einer bedingten Strafnachsicht gemäß § 53 Abs. 1 StGB nur zulässig sei, wenn die Verurteilung wegen einer während der Probezeit begangenen neuerlichen strafbaren Handlung rechtskräftig ist, das Wesen der Regelung des § 494 a StPO. Richtig ist aber, daß nach der Neufassung des § 53 Abs. 1 StGB durch das StRÄG 1987 die bedingte Strafnachsicht, wenn der Rechtsbrecher wegen einer während der Probezeit begangenen strafbaren Handlung verurteilt wird, nur dann widerrufen und der Vollzug der Strafe (des Strafteils oder des Strafrests) angeordnet werden darf, wenn dies in Anbetracht der neuerlichen Verurteilung zusätzlich zu dieser geboten erscheint, um den Rechtsbrecher von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten; fehlt es an diesem Erfordernis, so darf die bedingte Strafnachsicht nicht widerrufen werden (vgl. JAB StRÄG 1987, 12 re Sp unten).

Wird vorliegend erwogen, daß der Angeklagte nach seinen glaubwürdigen Angaben im Gerichtstag jedenfalls Ansätze einer im Gange befindlichen Resozialisierung erkennen läßt, so meint der Oberste Gerichtshof, daß der vorliegende Strafausspruch genügt, um den Angeklagten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten; der Widerruf der in den Vorverfahren gewährten bedingten Strafnachsicht im Hinblick auf die neuerliche Verurteilung ist demnach nicht zusätzlich zu diesem Strafausspruch notwendig, um den Angeklagten spezialpräventiv entsprechend zu beeinflussen.

Es wurde daher in Stattgebung der Beschwerde der angefochtene Widerrufsbeschluß aufgehoben und vom Widerruf der in den Verfahren zu 8 E Vr 817/88 und 8 E Vr 658/89 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz jeweils gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen (§ 494 a Abs. 1 Z 2 StPO). Zugleich wurde aber die zu 8 E Vr 658/89 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz bestimmte (dreijährige) Probezeit gemäß § 53 Abs. 2 StGB auf fünf Jahre verlängert (§ 494 a Abs. 7 StPO nF). In bezug auf die zu 8 E Vr 817/88 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz gewährte bedingte Strafnachsicht kam eine solche Anordnung hingegen nicht in Betracht, weil die dort bestimmte Probezeit bereits seinerzeit (anläßlich des Absehens vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht aus Anlaß der Nachverurteilung zu 8 E Vr 658/89) auf fünf Jahre verlängert worden ist (vgl. ON 30 im Akt 8 E Vr 817/88).

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu erkennen.

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