OGH 16Os43/90

OGH16Os43/9015.2.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Februar 1991 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Melnizky als Vorsitzenden sowie durch die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Kießwetter und Hon.Prof. Dr. Steininger und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hofer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Peter G***** wegen des Vergehens der falschen Beurkundung und Beglaubigung im Amt nach § 311 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 22. Oktober 1990, GZ 36 Vr 1707/89-24, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Bierlein, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt,

1. im Unterbleiben der Beurteilung der im Punkt A/1 bezeichneten Tat (auch) als Vergehen der Urkundenfälschung nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB und der im Punkt A/2 bezeichneten Tat (auch) als Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB, und

2. in Ansehung der in den Punkten B/2 und 3 bezeichneten Taten im Unterbleiben des Ausspruchs der Qualifikation des § 224 StGB, sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben.

Gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO wird im Umfang dieser Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Peter G***** hat die in den Punkten B/2 und 3 bezeichnete Urkundenfälschung in Beziehung auf eine inländische öffentliche Urkunde begangen.

Er hat hiedurch zu den Punkten B/2 und 3, weiters aber auch zu Punkt A/1 (in diesem Fall neben dem Vergehen nach § 311 StGB) das Vergehen der Urkundenfälschung nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB, sowie überdies zu Punkt A/2 (gleichfalls neben dem Vergehen nach § 311 StGB) das Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB begangen und wird hiefür sowie für die ihm nach den unberührt gebliebenen Teilen des Urteils weiterhin zur Last liegenden Vergehen (zu Punkte A/1 bis 4) der falschen Beurkundung und Beglaubigung im Amt nach § 311 StGB und (zu Punkt B/1) der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB gemäß § 311 StGB unter Anwendung des § 28 StGB und des § 37 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 240 (zweihundertvierzig) Tagessätzen verurteilt. Der Tagessatz wird mit 200 (zweihundert) Schilling bestimmt; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wird eine Ersatzfreiheitsstrafe von 120 (einhundertzwanzig) Tagen festgesetzt.

Gemäß § 43 a Abs. 1 StGB wird ein Teil der Geldstrafe, und zwar im Ausmaß von 160 (einhundertsechzig) Tagessätzen, unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf obige Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 36-jährige Peter G***** (zu A/) des Vergehens der falschen Beurkundung und Beglaubigung im Amt nach § 311 StGB und (zu B/) des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB schuldig erkannt und hiefür nach § 311 StGB unter Anwendung der §§ 28 und 37 StGB zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen (für den Fall der Uneinbringlichkeit 120 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verurteilt; der Tagessatz wurde mit 200 S bestimmt. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wurde die Geldstrafe unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat Peter G***** in S*****

(zu A/) als Gerichtsvollzieher des Bezirksgerichtes S***** und somit als Beamter in öffentlichen Urkunden, deren Ausstellung in den Bereich seines Amtes fällt, Tatsachen mit dem Vorsatz fälschlich beurkundet, daß die Urkunden im Rechtsverkehr zum Beweis von Tatsachen gebraucht werden, und zwar

1. am 13.Jänner 1989 durch Fälschung der Unterschrift der Martha F***** im Quittungsheft Nr. 176432 auf der Empfangsbestätigung Nr. 17;

2. am 7.April 1987 durch Fälschung des Vollzugsberichtes im Verfahren E 1259/85 des Bezirksgerichtes S***** (ON 48), indem er bestätigte, daß die (im Beschluß ON 46) angeführten Gegenstände PZl 1 bis 5 der verpflichteten Partei (zwecks Überstellung in die Auktionshalle) abgenommen und der Spedition W***** (Herrn B*****) übergeben worden seien, und indem er die Unterschrift des Verpflichteten Josef E***** und des Fahrers der Speditionsfirma W*****, B*****, fälschte;

3. am 8.Juni 1989 durch Erstellung eines Pfändungsprotokolles zu 2 E 1621/89 des Bezirksgerichtes S*****, indem er angab, daß an Bargeld 13.236 S abgenommen wurden, obwohl eine solche Abnahme nicht stattgefunden hat;

4. am 8.Juni 1989 im Pfändungsprotokoll zu 2 E 1621/89 des Bezirksgerichtes S*****, indem er die Durchführung einer Pfändung in Gegenwart der Petra W***** fälschlich beurkundete, obwohl die von ihm behauptete Pfändung in Gegenwart einer anderen weiblichen Person stattgefunden hat;

(zu B/) als Beamter unter Ausnützung der ihm durch seine Amtstätigkeit gebotenen Gelegenheit (§ 313 StGB), nämlich als Gerichtsvollzieher des Bezirksgerichtes S*****, "gefälschte" (richtig: falsche) Urkunden mit dem Vorsatz hergestellt, daß diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, und (vgl. US 8 und 11) durch Vorlage an das Bezirksgericht S***** auch tatsächlich gebraucht, und zwar

1. am 13.Jänner 1989 einen von ihm gefälschten Protokollarantrag auf Einstellung der Exekution nach § 40 EO der Martha F***** zur Erlangung der Einstellung der Exekution zu E 2443/88 des Bezirksgerichtes S***** durch Fälschung der Unterschrift der Martha F***** und Vorlage an das Bezirksgericht S*****;

2. am 14.Feber 1989 durch Fälschung der Unterschrift der Petra W***** im Quittungsheft Nr. 176432 auf der Empfangsbestätigung Nr. 43 bis 46;

3. am 8.Juni 1989 durch Fälschung der Unterschrift der Petra W***** im Quittungsheft Nr. 179219 auf den Empfangsbestätigungen Nr. 17 bis 26.

Während der Angeklagte kein Rechtsmittel ergriffen hat, bekämpft die Staatsanwaltschaft das Urteil mit einer auf die Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, mit welcher sie die Unterstellung der in den Punkten B/2 und 3 des Urteilsspruches angeführten Urkundenfälschung (§ 223 Abs. 2 StGB) unter die Bestimmung des § 224 StGB sowie die Verurteilung des Angeklagten wegen der im Punkt A/1 bezeichneten Tat auch nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB und wegen der im Punkt A/2 bezeichneten Tat auch nach § 223 Abs. 2 StGB (diesfalls ausdrücklich ohne die Qualifikation nach § 224 StGB) anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

Der Anklagebehörde ist zunächst darin beizupflichten, daß die dem Angeklagten zu den Punkten B/2 und 3 des Schuldspruchs zur Last liegende - und im Hinblick auf die mit dem Urteilsspruch eine Einheit bildende Konstatierung in den Urteilsgründen, wonach die betreffenden Quittungen (tätergewollt) zu den entsprechenden Exekutionsakten genommen, somit im Rechtsverkehr tatsächlich gebraucht worden sind, zutreffend dem (Grund-)Tatbestand des § 223 Abs. 2 StGB subsumierte - Urkundenfälschung auch der Qualifikation des § 224 StGB zu unterstellen gewesen wäre. Denn die von einem Vollstreckungsbeamten ausgestellten Quittungen sind (inländische) öffentliche Urkunden iS der §§ 224, 228 und 311 StGB (vgl. SSt. 46/13; Kienapfel WrK § 224 Rz 17; Leukauf-Steininger Komm.2 § 224 Rz 5 lit. m); wird auf einer solchen Quittung - wie vorliegend festgestellt - die Unterschrift der zahlenden (verpflichteten) Partei nachgemacht, so wird dadurch eine öffentliche Urkunde unecht und damit "falsch" iS des § 223 StGB, womit deren rechtserheblicher Gebrauch die Qualifikation des § 224 StGB begründet.

Die in den Punkten B/2 und 3 bezeichneten Taten sind demnach rechtsrichtig als Vergehen der Urkundenfälschung nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB zu beurteilen.

Weiters ist der Anklagebehörde aber - insoweit entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur - auch darin beizupflichten, daß das Vergehen nach § 311 StGB echt konkurrierend mit dem Vergehen der Urkundenfälschung nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB zusammentreffen kann, wenn der Beamte nicht nur in einer öffentlichen Urkunde ein Recht, ein Rechtsverhältnis oder eine Tatsache fälschlich beurkundet, sondern auch - etwa wie hier durch Nachmachen der Unterschrift einer Partei - eine falsche öffentliche Urkunde herstellt und diese sodann im Rechtsverkehr tatsächlich gebraucht (Kienapfel WrK § 224 Rz 73). Denn die Strafbestimmung des § 311 StGB dient (ebenso wie jene des § 228 StGB) dem Schutz vor unwahren öffentlichen Urkunden, während die §§ 223, 224 StGB den Schutz des Vertrauens auf die Echtheit bzw. Unverfälschtheit von Urkunden bezwecken (insoweit mißverständlich EvBl. 1979/195). Im Verhältnis zu § 228 Abs. 1 StGB wurde daher schon in SSt. 53/68 ausgesprochen, daß dieses Vergehen mit dem des § 223 Abs. 2 StGB (idealkonkurrierend) zusammentreffen kann (vgl. idS auch Leukauf-Steininger Komm.2 § 228 Rz 15). Das muß gleichermaßen auch für das Verhältnis des § 311 StGB zu §§ 223, 224 StGB gelten. Dem steht nicht entgegen, daß § 311 StGB ein echtes Sonderdelikt normiert; denn ein solches konsumiert das allgemein strafbare Delikt dann nicht, wenn dieses zwar im Rahmen eines auf einem einheitlichen Willensentschluß beruhenden Tatkomplexes begangen wird, jedoch das Sonderdelikt nicht zumindest in einer seiner Phasen mitverwirklicht (zu weitgehend daher 15 Os 98/90, zu § 302 Abs. 1 in Relation zu §§ 223, 224 StGB). Letztere Prämisse trifft aber auf die vom Angeklagten begangene Urkundenfälschung in Relation zu der ihm zur Last liegenden Falschbeurkundung im Amt - zu deren Verwirklichung das inkriminierte Nachmachen der Unterschrift der verpflichteten Partei bzw. des Fahrers der Transportfirma keineswegs eine unabdingbare Voraussetzung war (vgl. hiezu 15 Os 98/90) - nicht zu.

Die in den Punkten A/1 und 2 bezeichneten Taten wären daher rechtsrichtig nicht nur als Vergehen nach § 311 StGB, sondern - im Hinblick auf die festgestellte Vorlage der (durch Nachmachen der Unterschrift der Martha F***** bzw. des Josef E***** und des N. B***** hergestellten) falschen öffentlichen Urkunden an das Bezirksgericht S***** (US 6 und 7) - auch als Vergehen nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB zu beurteilen gewesen.

Zu Punkt A/1 des Urteilsspruchs war dem Angeklagten demnach (zusätzlich zum Vergehen nach § 311 StGB) auch das Vergehen nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB anzulasten. Zu Punkt A/2 hat die Staatsanwaltschaft jedoch - wie sich aus ihren Beschwerdeausführungen und dem Beschwerdeantrag unmißverständlich ergibt - lediglich die zusätzliche Tatbeurteilung nach § 223 Abs. 2 StGB begehrt, wiewohl auch in diesem Fall die Voraussetzungen des § 224 StGB gegeben wären (was schon daraus folgt, daß andernfalls der - von der Anklagebehörde nicht in Zweifel gezogene - Tatbestand des § 311 StGB nicht erfüllt wäre); mangels ausdrücklicher Rüge in Richtung § 224 StGB war dem Angeklagten somit diesbezüglich (neben dem Vergehen nach § 311 StGB) nur das Vergehen nach § 223 Abs. 2 StGB (ohne die Qualifikation nach § 224 StGB) zur Last zu legen.

Bei der im Hinblick auf die getroffene Sachentscheidung vorzunehmenden Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die Wiederholung der Tathandlungen und das Zusammentreffen von zwei Vergehen, als mildernd hingegen das Geständnis sowie den Umstand, daß der Angeklagte bisher einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat und die Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch steht.

Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen und unter Berücksichtigung aller strafbemessungsrelevanten Umstände des Falles ist auch der Oberste Gerichtshof der Auffassung, daß eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als sechs Monaten schuldangemessen wäre, wobei es aber nicht der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe bedarf, um den Angeklagten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten und (insbesondere unter dem Aspekt der Erhaltung und Stärkung der allgemeinen Normentreue) der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Gemäß § 37 Abs. 1 StGB wurde daher auf eine Geldstrafe in dem aus dem Spruch ersichtlichen, schuldangemessenen Ausmaß erkannt. Die Höhe des Tagessatzes wurde - so wie in erster Instanz - mit 200 S bestimmt; das Ausmaß der Ersatzfreiheitsstrafe folgt aus § 19 Abs. 3 zweiter Satz StGB.

Der Grad der Schuld des Angeklagten verbietet es, die verhängte Geldstrafe zur Gänze bedingt nachzusehen; der Oberste Gerichtshof meint jedoch, daß die Voraussetzungen des § 43 StGB auf einen Teil der Geldstrafe, nämlich im Ausmaß von 160 Tagessätzen, zutreffen, weshalb gemäß § 43 a Abs. 1 StGB dieser Teil unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Mit ihrer Berufung war die Anklagebehörde auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung ist in der bezogenen Gesetzesstelle begründet.

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