OGH 9ObA16/91

OGH9ObA16/9113.2.1991

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Othmar Roniger und Dr. Gerhard Dengscherz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei ***** G***** M*****, Vertragslehrer, ***** vertreten durch *****, Sekretär der Gewerkschaft öffentlicher Dienst, Wien 1., Teinfaltstraße 7, dieser vertreten durch ***** Rechtsanwälte *****, wider die beklagte Partei REPUBLIK ÖSTERREICH (Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 195.863,30 S brutto sA und Feststellung, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. September 1990, GZ 32 Ra 75/90-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 23. Februar 1990, GZ 21 Cga 1007/89-19, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 7.363,80 S bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung (darin 1.227,30 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Da die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Beschlusses zutrifft, genügt es, auf ihre Richtigkeit hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Rechtliche Beurteilung

Ergänzend ist den Ausführungen der Rekurswerberin, die Bestimmung des § 26 Abs 3 VBG räume dem Vertragsbediensteten kein subjektives Recht auf die Vollanrechnung von Vortätigkeiten ein und eine Übertragung des Begriffes des "gebundenen Ermessens" sei mangels Anwendbarkeit der Art. 18 Abs 1 und 130 Abs 2 B-VG auf die Privatwirtschaftsverwaltung unzulässig, so daß sich eine vergleichende Heranziehung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes von vornherein erübrige, mit folgender, bereits in dem ähnlich gelagerten Fall 9 Ob A 236,237/90 dargelegter Argumentation zu erwidern:

Richtig ist, daß es für ein Handeln im Bereich der Privatautonomie inhaltlich keiner gesetzlichen Ermächtigung bedarf. Es sind aber auch hier die vom Gesetz abgesteckten Grenzen zu beachten; das Gesetz ist somit nicht Voraussetzung, sondern Schranke des Verwaltungshandelns (VfGHSlg 7717; 5 Ob 543/82; auch Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht2 225 ff). Der vorliegende Fall ist aber vor allem dadurch gekennzeichnet, daß die beklagte Partei im Rahmen des Dienstverhältnisses eine besondere Fürsorgepflicht trifft. Auch die vom öffentlich-rechtlichen Dienstgeber hinsichtlich seiner Vertragsbediensteten zu treffenden Entscheidungen dürfen daher niemals auf Willkür beruhen, sondern haben sich ebenfalls an sachlichen Kriterien im Sinne des Gesetzes zu orientieren. Die systematische Sonderstellung des § 26 Abs 3 VBG liegt im Verhältnis zu den in Abs 2 leg cit aufgezählten Zeiten im wesentlichen darin, daß hier eine abwägende Entscheidung im Einzelfall anhand unbestimmter Gesetzesbegriffe erforderlich ist.

Abgesehen davon verstößt die von der Rekurswerberin im Ergebnis geforderte Ungleichbehandlung des Klägers sowohl gegen den Gleichheitssatz der Bundesverfassung (Art. 7 B-VG) als auch gegen das arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgebot. Der verfassungsrechtliche Gleichheitsgrundsatz läßt nur sachlich gerechtfertigte Differenzierungen zu. So ist es insbesondere sachlich nicht berechtigt, öffentlich Bedienstete unter denselben Voraussetzungen ungleich zu behandeln (vgl VfGH vom 1. März 1990, G 316/89, in JBl 1990, 578, betreffend die Aufhebung des § 20 Abs 2 GehG; auch Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechtes6 Rz 1347 ff; Adamovich-Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht3 123 f; Arb 10.221 ua). Auch wenn sich dieser Grundsatz in erster Linie und unmittelbar nur an die beklagte Partei als Normgeber richtet, steht es ihr nicht frei, wortgleichen Bestimmungen einen der sachlichen Rechtfertigung entbehrenden ungleichen Sinn beizulegen. Nach Lehre und Rechtsprechung ist es dem Dienstgeber nämlich verwehrt, einzelne Dienstnehmer willkürlich oder aus sachfremden Gründen schlechter zu behandeln als die übrigen Dienstnehmer (vgl Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3 I 239 ff;

Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht4 270 ff; DRdA 1986/6 (Mayer-Maly); DRdA 1986/7 (W. Schwarz); DRdA 1985/16 (Binder);

Arb 9574 uva). Diese zunächst gerade für Dienstgeber des öffentlichen Rechts entwickelte Gleichbehandlungspflicht (vgl Spielbüchler aaO 241) schränkt zwar das Ermessen des Dienstgebers grundsätzlich nicht ein, verwehrt ihm aber insbesondere, die von ihm selbst zugrundegelegten Kriterien im Einzelfall willkürlich und ohne sachlichen Grund zu verlassen und einzelnen Dienstnehmern das vorzuenthalten, was er den anderen zubilligt (vgl etwa Arb 9574 mwH; Arb 7653, 7570, 6791 uva).

Da die Rekurswerberin keine sachlichen Gründe für eine Ungleichbehandlung ihrer Vertragsbediensteten und Beamten im Hinblick auf die gleichlautenden Bestimmungen der §§ 26 Abs 3 VBG und 12 Abs 3 GehG vorzubringen vermochte und das Vorliegen solcher Gründe auch nicht zu erkennen ist, war sie in der Frage der Vollanrechnung der Vordienstzeit nicht berechtigt, den Kläger als Vertragsbediensteten schlechter zu behandeln als einen Beamten.

Abschließend sei bemerkt, daß dem Berufungsgericht darin beizupflichten ist, daß für die Anrechnung der Vordienstzeiten nicht nur die für den Kläger in Aussicht genommene, aber dann nicht realisierte Anstellung als Verwaltungsdirektor, sondern im Hinblick auf die besonderen Umstände des vorliegenden Falles auch die Tätigkeit als Lehrer an der Forstschule Gainfarn zu berücksichtigen ist.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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