OGH 10ObS36/91

OGH10ObS36/9112.2.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr. Robert Prohaska (Arbeitgeber) und Franz Breit (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr. Alfred R*****, vertreten durch Dr. Otto Philp, Dr. Gottfried Zandl und Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei ALLGEMEINE UNFALLVERSICHERUNGSANSTALT (LANDESSTELLE WIEN), 1020 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Feststellung und Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7. November 1990, GZ 32 Rs 186/90-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 8. Juli 1990, GZ 25 Cgs 1022/89-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der in der Wiener Landesdirektion der ***** Versicherungs-Aktiengesellschaft angestellte Kläger nahm an den vom 15. bis 17.1.1988 stattfindenden "Internationalen *****Wintersporttagen 1988 in Saalbach teil. Am 16.1.1988 stürzte er beim Schifahren, wodurch er körperliche Beschädigungen erlitt. Strittig ist, ob diese durch einen Arbeitsunfall verursacht wurden.

Mit Bescheid vom 12.1.1989 lehnte die beklagte Partei den Anspruch des Klägers auf Entschädigung aus Anlaß des Ereignisses vom 16.1.1988 mit der Begründung ab, daß sich der Unfall nicht im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignet habe.

Mit der dagegen rechtzeitig erhobenen Klage begehrte der Kläger die Feststellung, daß es sich bei dem darin näher bezeichneten Schiunfall um einen Arbeitsunfall gemäß § 175 Abs 1 ASVG handle und eine Versehrtenrente in gesetzlicher Höhe.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage.

Das Erstgericht wies die Klage ab.

Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Der (am 5.6.1930 geborene) Kläger ist in der internen Revision des Versicherungskonzerns ***** als Revisor angestellt. Seit mehr als 10 Jahren werden konzerninterne Schitage veranstaltet, die vom "***** Freizeitklub", bei dem es sich um keinen Verein handelt, organisiert werden. Dieser Klub wird aus Konzernmitteln finanziert; ein Teil der Gelder wird für die Schitage verwendet. Die Organe des Freizeitklubs sind Betriebsangehörige des Versicherungskonzerns. An den jährlichen Schitagen nehmen zwischen 300 und 500 Personen teil, und zwar Konzernangehörige aus dem In- und Ausland und deren Familienangehörige und Freunde. Diese Veranstaltungen dienen in erster Linie der Verbesserung des Betriebsklimas, werden aber auch werblich genutzt. Eine Teilnahmeverpflichtung besteht nicht. Im Jahre 1988 übernahm der Feizeitklub die Kosten der An- und Abreise, eines Wilkommenstrunkes für alle Teilnehmer in zwei Saalbacher Gasthöfen und des Rahmenprogramms (Musikbegleitung am Abend, Abschlußfest). Der Aufenthalt und der Schipaß wurden von den Teilnehmern selbst finanziert. Der Dienstgeber gewährte ihnen keine Dienstfreistellung, gestattete ihnen aber, die Dienststelle etwa eine Stunde vor der für 13.00 Uhr vorgesehenen Abfahrt des Busses, also eine Stunde vor dem Ende der an Freitagen bis 13.00 Uhr dauernden Blockzeit, während der grundsätzlich Anwesenheitspflicht besteht, zu verlassen. Die dadurch allenfalls konsumierte Freizeit wurde betriebsintern auf Urlaub oder Zeitausgleich angerechnet. Als Veranstaltungsort der vom 15.1. (Freitag) bis 17.1. (Sonntag) dauernden Schitage 1988 wurde Saalbach-Hinterglemm gewählt, weil sich der Versicherungskonzern ***** um die Versicherung der dortigen Schiweltmeisterschaft 1991 bewarb. Die Schitage wurden durch Anbringen eines Willkommenstransparentes, von Start-, Ziel- und Torflaggen und Startnummern mit Konzernemblem und Aufkleber für Anoraks werblich genutzt, wobei der Kläger aber keine Aufgaben zu erfüllen hatte. Am 16.1.1988 wurde für die Teilnehmer der Schitage ein Schirennen veranstaltet, für das der Kläger nicht angemeldet war. Damals bestand auch keine Möglichkeit mehr zu einer Nachnennung, zumal der Anmeldeschluß mit 4.9.1987 festgesetzt war. Bei einer Abfahrt zur Rennstrecke stürzte der Kläger, der ohne diesen Unfall die Zuschauerschaft vergrößert hätte, und zog sich dabei eine subcapitale Humerusfraktur der linken Schulter und Rißquetschwunden im Bereich des Nasensattels zu.

In der rechtlichen Beurteilung wog das Erstgericht die für und gegen einen Arbeitsunfall sprechenden Umstände, einerseits den der Förderung der betriebsinternen Kommunikation dienenden Veranstaltungszweck, die - geringe - Kostenübernahme durch den Dienstgeber und dessen Interesse an der werblichen Nutzung der Veranstaltung, andererseits die Nichtgewährung einer Dienstfreistellung, die überwiegende Kostentragung durch die Teilnehmer, die für Betriebsausflüge unübliche Dauer von drei, größtenteils in die Freizeit fallenden Tagen und daß der Sturz während eines nicht vorgegebenen Programmpunktes erfolgte, ab und verneinte dann einen Arbeitsunfall vor allem deswegen, weil es wegen der mangelnden Dienstfreistellung der Teilnehmer und der überwiegend in den Freizeitbereich fallenden Veranstaltungszeit eine weitestgehende Loslösung vom Betrieb annahm.

Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger Beweiswürdigung und mangelhafter Tatsachenfeststellung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge.

Auch bei Zugrundelegung der vom Berufungswerber gewünschten Feststellungen müßte die Klage abgewiesen werden. Die Teilnahme an Betriebsveranstaltungen stehe nur insoweit unter Unfallversicherungsschutz, als sie ein Ausfluß der Ausübung der Erwerbstätigkeit sei. Daß solche Veranstaltungen möglicherweise die Betriebsverbundenheit förderten, möge ein Motiv der Veranstalter sein, habe aber mit der Abgrenzung des Versicherungsumfanges nichts zu tun. Entscheidend sei nämlich, daß sich der Arbeitnehmer häufig dem Unternehmer gegenüber zur Teilnahme verpflichtet fühle und ihn auch die Kollegialität dazu zwinge. Tätigkeiten, zu denen sich der Versicherte aber nicht mehr verpflichtet fühlen könne, seien auch im Rahmen von Gemeinschaftsveranstaltungen nicht mehr geschützt. Im vorliegenden Fall hätten die eigenwirtschaftlichen Interessen bei weitem überwogen: Die Schitage wurden nicht vom Betriebsleiter selbst, sondern vom Freizeitklub veranstaltet; für den Kläger bestand keinerlei ausgedrückter Zwang zur Teilnahme; es seien auch nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür vorhanden gewesen, daß die Betriebsleitung die Anwesenheit der Dienstnehmer wünschte; die Kosten der Übernachtung und Verpflegung, die alle übrigen Kosten bei weitem überstiegen hätten, wären vom Dienstnehmer zu tragen gewesen; gewährte Freizeit mußte eingearbeitet werden; die Teilnahme sei nicht nur Betriebsangehörigen möglich gewesen. Deshalb sei die Veranstaltung nur in einem losen Zusammenhang zum Betrieb gestanden, die Gestaltung der Freizeit und der Unterhaltung oder Erholung aber im Vordergrund, weshalb der für den Versicherungsschutz wesentliche Betriebszusammenhang fehle.

Dagegen richtet sich die nicht beantwortete Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, das angefochtene Urteil hinsichtlich des Feststellungsbegehrens durch Stattgebung abzuändern und dem Erstgericht ein Beweisverfahren zur Minderung der Erwerbsfähigkeit aufzutragen, allenfalls das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Unterinstanzen zurückzuverweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die nach § 46 Abs 3 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässige Revision ist nicht berechtigt.

Der erkennende Senat hat schon in SSV-NF 3/90 und 138 dargelegt, daß die Teilnahme von Arbeitnehmern an betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen insoweit unter Unfallversicherungsschutz steht, als sie ein Ausfluß der Ausübung der Erwerbstätigkeit ist, und sich dabei insbesondere auf Tomandl, SV-System 4. ErgLfg 285 berufen, der diese Meinung übrigens schon in seinem Leistungsrecht der österreichischen Unfallversicherung 30 vertreten hat.

Nach der letztgenannten Entscheidung muß in jedem Einzelfall geprüft werden, ob der im § 175 Abs 1 ASVG geforderte örtliche, zeitliche und ursächliche Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung so weit gegeben ist, daß noch davon gesprochen werden kann, daß die (Teilnahme an der) Gemeinschaftsveranstaltung noch Ausfluß der Ausübung der Erwerbstätigkeit ist.

Unter den bei dieser Prüfung in ihrem Zusammenhang und in ihrer ausschlaggebenden Bedeutung auch nach Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung II nunmehr 72. Nachtrag 482 l bis s zu berücksichtigenden Umständen nannte der erkennende Senat in der letztgenannten Entscheidung die Voraussetzung, daß die Veranstaltung zumindest bei der Planung und Durchführung von der Autorität des Betriebsleiters getragen wird. Dafür sind die Anwesenheit des Betriebsinhabers, die gänzliche oder teilweise Übernahme der Kosten, die Durchführung während der Arbeitszeit oder die Gewährung eines arbeitsfreien Tages wichtige Anhaltspunkte. Wenn nicht alle Kriterien vorliegen, muß dies noch keinen Versicherungsausschluß bedeuten. Der Betriebsleiter kann die Planung und Organisation wohl dem Betriebsrat überlassenn, solange er sich die Kontrolle und ausdrückliche endgültige Bewilligung in den Einzelheiten vorbehält. Bei finanziell schwächeren Unternehmen wird der Kostenzuschuß nicht entscheidend ins Gewicht fallen. Auch die Gewährung eines Urlaubes an Arbeitstagen kann für sich allein nicht ausschlaggebend sein. Es kommt aber doch darauf an, in welcher Intensität die Gemeinschaftsveranstaltung betrieblichen Zwecken dient und in welchem Umfang außerbetriebliche, private Interessen beteiligt sind. Während in der Vergangenheit Betriebsausflüge in der Regel auf 1 bis höchstens 2 Tage beschränkt waren, werden diese Veranstaltungen in neuerer Zeit besonders in größeren Unternehmen mit großem Sozialbudget oft so ausgedehnt, daß es zweifelhaft wird, ob sie noch unter den Begriff "Betriebsausflug" fallen. Solche Veranstaltungen erstrecken sich nicht selten über mehrere Tage, führen bisweilen ins Ausland und nehmen häufig die Form durch den Betrieb verbilligter Reisen an, die sehr wesentlich dem Kennenlernen entfernter (Urlaubs)Gebiete und Sehenswürdigkeiten dienen. In solchen Fällen ist eine besonders sorgfältige Abgrenzung geboten.

Im vorliegenden Fall diente die "Schiwoche" wohl auch betrieblichen Interessen, nämlich der Förderung des Gemeinschaftsgefühles und der Verbundenheit mit dem Betrieb, aber auch der Werbung, doch muß berücksichtigt werden, daß ihre Planung und Durchführung dem "*****Freizeitklub" überlassen war, so daß sie weniger von der Autorität der Betriebsleitung getragen waren, die diese Veranstaltung auch nicht direkt, sondern nur im Wege der Finanzierung des Freizeitklubs dadurch sponserte, als dieser die Kosten der Hin- und Rückfahrt mit einem Autobus, eines Willkommensdrinks in Saalbach und eines Rahmenprogrammes (Abendveranstaltung mit Siegerehrung) übernahm. Die Kosten der Verpflegung, Übernachtungen und Liftkarten hatten die Teilnehmer selbst zu tragen. Die gesamte Veranstaltung fand in der Freizeit der Dienstnehmer statt. Besonders fällt aber ins Gewicht, daß von den drei "Schitagen" - abgesehen von der Begrüßung am ersten Abend - nur für einen Tag, nämlich den Samstag, ein gemeinsames Programm vorgesehen war: der Riesentorlauf um 11.00 Uhr, der Langlauf um 15.00 Uhr und die Siegerehrung mit anschließendem Tanz ab 21.00 Uhr. Die übrige Zeit dieses Tages, der An- und der Abreisetag (an dem die Rückfahrt erst für den Abend vorgesehen war) standen zur freien Verfügung der in verschiedenen gastwirtschaftlichen Betrieben untergebrachten und nicht gemeinsam verköstigten Teilnehmer, bei denen es sich übrigens nicht nur um Mitarbeiter samt Angehörigen der Wiener Landesdirektion der ***** Versicherungs-Aktiengesellschaft, sondern auch um Mitarbeiter samt deren Angehörigen und sogar Freunden der gesamten *****Gruppe in Deutschland, Holland, Italien und Österreich handelte. Weil auch die Teilnahme an den erwähnten Programmpunkten zwar erwünscht, aber nicht verpflichtend war, konnten die Teilnehmer die drei "Schitage" nach Belieben gestalten, mußten sie also nicht in Gemeinschaft mit Kollegen ihres Betriebes oder der Konzerngruppe verbringen.

Es handelte sich daher im wesentlichen um ein von der Unternehmensleitung subventioniertes, vom Freizeitklub organisiertes Schiwochenende für Dienstnehmer (samt Angehörigen und sogar Freunden) in deren Freizeit, an dem diese Personen vor allem im privaten Interesse, aber nicht deshalb teilnahmen, weil sie sich dem Unternehmen gegeüber zur Teilnahme verpflichtet fühlen mußten (Tomandl, Leistungsrecht der österreichischen Unfallversicherung 30; derselbe, SV-System 4. ErgLfg 285).

Die Teilnahme des Klägers kann daher nicht mehr als Ausfluß der Ausübung seiner Erwerbstätigkeit angesehen werden, weshalb sich sein Schiunfall am 16.1.1988 nicht in dem im § 175 Abs 1 ASVG geforderten Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignet hat und daher kein Arbeitsunfall ist.

Diese rechtliche Beurteilung ist schon auf Grund des vom Erstgericht ausreichend festgestellten Sachverhaltes möglich, weshalb die vom Revisionswerber gewünschten zusätzlichen Feststellungen nicht entscheidungswesentlich sind.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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