OGH 10ObS397/90

OGH10ObS397/9029.1.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter.Dr.Eberhard Piso und Mag. Dkfm.Rainhard Keibl (beide Arbeitgeber), in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag.Sandra S*****, vertreten durch Dr.Alois Leyrer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, diese vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Rückforderung eines Überbezuges von 2.342,20 S, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. September 1990, GZ 31 Rs 115/90-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 6.September 1989, GZ 3 Cgs 324/89-8, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das in seinem bestätigenden Teil mangels Anfechtung und im Kostenpunkt unberührt bleibt, wird im abändernden Teil dahin abgeändert, daß dieser insgesamt zu lauten hat:

"Es wird festgestellt, daß die Klägerin zum Rückersatz von Waisenpension für die Zeit vom 1.Mai bis 30.September 1988 nicht verpflichtet ist."

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit 1.599,36 S (darin 266,56 S Umsatzsteuer und keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei sprach mit Bescheid aus, daß der Klägerin die Waisenpension ab 1.5.1988 nicht mehr gebührt und daß der Überbezug in der Höhe von 13.895,40 S zurückgefordert wird. Sie begründete dies mit dem Wegfall der Kindeseigenschaft nach § 128 GSVG infolge Beendigung der Ausbildung.

Die Klägerin begehrte in ihrer gegen diesen Bescheid gerichteten Klage, die beklagte Partei zur Gewährung der Waisenpension bis 31.8.1988 zu verurteilen, und dehnte das Klagebegehren in der mündlichen Verhandlung auf Gewährung der Pension bis 30.9.1988 aus.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, dieser die Waisenpension in der gesetzlichen Höhe über den 1.5.1988 hinaus bis zum 31.8.1988 zu gewähren, und stellte fest, daß kein rückforderbarer Überbezug besteht. Über den Anspruch auf Waisenpension für September 1988 entschied es im Spruch nicht. Es nahm als erwiesen an, daß die am 23.6.1963 geborene Klägerin ab 1.9.1988 als Lehrerin mit voller Lehrverpflichtung tätig ist, und war rechtlich der Meinung, daß bei der Klägerin die Kindeseigenschaft bis zum 31.8.1988 bestand.

Das Berufungsgericht bestätigte infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Erstgerichtes, soweit damit die beklagte Partei schuldig erkannt wurde, der Klägerin die Waisenpension in gesetzlicher Höhe bis 31.8.1988 zu gewähren, und änderte es im übrigen dahin ab, daß es die Klägerin unter Abweisung des "Mehrbegehrens" auf Rückzahlung eines weiteren Überbezuges von 11.553,20 S schuldig erkannte, der beklagten Partei den Überbezug für September 1988 in der Höhe von 2.342,20 S binnen vier Wochen zurückzuzahlen. Zur Rückzahlungsverpflichtung führte es aus, die Klägerin habe nach eigener Aussage die Waisenpension auch noch für September 1988 bezogen. Im Hinblick auf ihre Tätigkeit als Lehrerin mit voller Lehrverpflichtung ab 1.9.1988 habe sie erkennen müssen, daß ihr diese Leistung nicht mehr gebühre, weshalb die beklagte Partei gemäß § 76 Abs 1 GSVG zur Rückforderung des Bezuges für September 1988 berechtigt sei.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin, soweit sie damit zur Rückzahlung des Betrages von 2.342,20 S verpflichtet wurde, wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß das Rückforderungsbegehren zur Gänze abgewiesen wird, oder es allenfalls aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen nach § 46 Abs 1 Z 1 ASGG zulässig, weil hiefür die nachfolgende Z 2 maßgebend ist. Nach dieser Bestimmung kommt es darauf an, ob der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, an Geld oder Geldeswert insgesamt 50.000 S übersteigt. Aus dem nachfolgenden Abs 4 ergibt sich, daß diese Voraussetzung im Verfahren über wiederkehrende Leistungen immer gegeben ist. Hat das Berufungsgericht zugleich über Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen und über anderen Ansprüche entschieden und stehen diese - wie hier - miteinander in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang, weshalb sie gemäß § 55 Abs 5 iVm Abs 1 Z 1 JN zusammenzurechnen sind, so liegt der Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, somit immer über 50.000 S. Die Revision ist deshalb auch dann unabhängig vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 46 Abs 1 Z 1 ASGG zulässig, wenn nur die Entscheidung über die anderen Ansprüche angefochten wird und deren Wert 50.000 S nicht übersteigt, zumal es seit der WGN 1989 nicht auf den Wert des Anfechtungsgegenstandes, sondern auf jenen des Entscheidungsgegenstandes des Berufungsgerichtes ankommt (s den vergleichbaren § 502 Abs 2 ZPO sowie den JAB 991 BlgNR 17.GP 11, Petrasch in ÖJZ 1989, 745 und Fasching, ZPR2 Rz 1862).

Die Revision ist auch berechtigt.

Der Bescheid der beklagten Partei und die Entscheidungen der Vorinstanzen betrafen die Entziehung der Waisenpension gemäß § 67 Abs 1 GSVG wegen Wegfalls der Kindeseigenschaft. Die Klägerin macht in der Revision zutreffend geltend, daß das Berufungsgericht § 67 Abs 3 GSVG nicht beachtet hat. Nach dieser Bestimmung wird die Entziehung einer Leistung, wenn der Entziehungsgrund in der Wiederherstellung oder Besserung des körperlichen oder geistigen Zustandes des Anspruchsberechtigten gelegen ist, mit dem Ablauf des Kalendermonats wirksam, der auf die Zustellung des Bescheides folgt, in allen anderen Fällen mit dem Ende des Kalendermonats, in dem der Entziehungsgrund eingetreten ist.

Hier ist der letzte Halbsatz dieser Bestimmung anzuwenden. Der Wegfall der Kindeseigenschaft der Klägerin und damit der Entziehungsgrund ist erst mit der Aufnahme der Erwerbstätigkeit am 1.9.1988 eingetreten. Die Entziehung der Leistung war deshalb erst mit dem Ende des September 1988 wirksam, weshalb der Klägerin die Pension, die sie in diesem Monat bezog, gebührte.

Daraus folgt aber, daß die beklagte Partei nicht zur Rückforderung der Leistung berechtigt ist. Dabei hat es keine Bedeutung, ob man davon ausgeht, daß das Erstgericht über den Anspruch der Klägerin auf Waisenpension für September 1988 nicht entschieden hat und der entsprechende Teil des Klagebegehrens aus dem Verfahren daher ausgeschieden ist (vgl SZ 28/4; 6 Ob 88/82; 6 Ob 617, 618/87 ua), oder ob man im Hinblick auf die Entscheidungsgründe des Ersturteils annimmt, daß dieser Teil des Klagebegehrens - mangels Anfechtung rechtskräftig - abgewiesen wurde. Ebensowenig kommt es darauf an, ob in diesem Fall die Rechtskraft der Entscheidung bei der Prüfung des Rechtes auf Rückforderung berücksichtigt werden müßte; auf beide Fragen muß daher nicht weiter eingegangen werden. Es steht nämlich auch so fest, daß keiner der Tatbestände erfüllt ist, welche die beklagte Partei nach § 76 Abs 1 GSVG zur Rückforderung der Leistung für September 1988 berechtigen würden. Die Meldevorschriften hat die Klägerin nach dem Akteninhalt nicht verletzt, weil sie der beklagten Partei den Beginn ihrer Erwerbstätigkeit schon am 5.9.1988 und daher gemäß § 20 GSVG rechtzeitig anzeigte. Der Annahme des Berufungsgerichtes, die Klägerin hätte erkennen müssen, daß ihr die Leistung für den angeführten Monat nicht gebühre, steht jedenfalls der Umstand entgegen, daß sie hierauf nach dem Gesetz Anspruch hatte. Die allfällige rechtskräftige nachträgliche Ablehnung könnte auf die Verhältnisse zur Zeit des Empfanges der Leistung und damit auf das Verschulden, das zu diesem Zeitpunkt gegeben sein muß, keinen Einfluß haben. Auch die anderen Tatbestände scheiden hier aus, was nicht näher begründet werden muß.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 1 lit a ASGG. Die Bemessungsgrundlage richtet sich entgegen der Meinung der Klägerin nicht nach § 77 Abs 2 ASGG, weil die wiederkehrenden Leistungen nicht mehr den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildeten. Bemessungsgrundlage ist vielmehr gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG der Betrag von 2.342,20 S, welcher der Klägerin vom Berufungsgericht zur Zahlung auferlegt wurde und bezüglich dessen sie obsiegt hat.

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