OGH 10ObS23/91

OGH10ObS23/9129.1.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Eberhard Piso (Arbeitgeber) und Wilhelm Hackl (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Martin K*****, vertreten durch Dr.Jörg Hobmeier und Dr.Hubertus Schumacher, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei ALLGEMEINE UNFALLVERSICHERUNGSANSTALT (LANDESSTELLE SALZBURG), 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr.Vera Kremslehner und Dr.Josef Milchram, Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23.Oktober 1990, GZ 5 Rs 141/90-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 16. Juli 1990, GZ 46 Cgs 77/90-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Betrieb der A*****-WERKE in Sch***** finden alljährlich verschiedene Betriebsveranstaltungen und Ausflüge statt. Sie werden grundsätzlich mit Wissen und Billigung der Geschäftsleitung veranstaltet; Durchführung und Organisation sind dem Betriebsrat übertragen. Dieser wählt die Ausflugsziele aus, übernimmt die organisatorischen Aufgaben, wie etwa Bereitstellung eines Busses etc, und legt nach entsprechender Auswahl den Vorschlag für das Ausflugsziel der Geschäftsleitung vor. Diese hatte bisher keinerlei Einwände gegen die vom Betriebsrat ausgewählten Ausflugsziele, hätte jedoch jederzeit die Möglichkeit, ein von ihm ausgewähltes Ziel abzulehnen und andere Ausflugs- oder Fahrtziele auszuwählen. Die Kosten der Betriebsveranstaltungen werden zum Teil vom Betrieb, zum Teil aus dem Betriebsratsfonds bezahlt. Die Geschäftsleitung zahlt monatlich 500 S in die Betriebsratskasse ein, um dem Betriebsrat für Belegschaftsveranstaltungen kleinere Beträge zur Verfügung zu halten. Dadurch muß er wegen kleinerer Aufwendungen nicht regelmäßig an die Geschäftsleitung herantreten. Diese übernimmt grundsätzlich die Fahrtkosten (Buskosten etc) sämtlicher Betriebsausflüge und Betriebswandertage; darüberhinausgehende Kosten (insbesondere Verpflegskosten) werden aus dem Betriebsratsfonds bezahlt. Wenn derartige Betriebsausflugs- oder Wandertagsfahrtkosten die von der Geschäftsleitung in die Betriebskasse eingezahlten Beträge übersteigen, wird der Fehlbetrag zusätzlich von der Geschäftsleitung übernommen. Zu allen Betriebsveranstaltungen, auch Betriebswandertagen, werden sämtliche Belegschaftsmitglieder und sämtliche Mitglieder der Geschäftsleitung eingeladen. Am Betriebswandertag dürfen auch Angehörige von Belegschaftsmitgliedern teilnehmen, nie jedoch Dritte. Die Betriebsleitung qoutiert und fördert Betriebsausflüge und Wandertage etc in der Auffassung, daß sich auf solchen Veranstaltungen Mitarbeiter aus diversen Betriebsbereichen in gelöster Umgebung zwanglos treffen und kennenlernen können. Derartige Veranstaltungen sind nach Ansicht der Geschäftsleitung nützlich, das Zusammengehörigkeitsgefühl der Mitarbeiter und Kontaktnahmen mit teilnehmenden Angehörigen der Geschäftsleitung zu fördern. Aus diesen Gesichtspunkten werden von der Betriebsleitung auch regelmäßig nicht besonders zahlreich besuchte Veranstaltungen befürwortet und finanziell unterstützt, um die Betriebsverbundenheit im Rahmen kleinerer Interessensgruppen zu fördern. Sämtliche Betriebsveranstaltungen finden in der Freizeit der Arbeitnehmer und der Geschäftsleitung statt. Dies liegt im Interesse des Betriebes und der Betriebsstruktur, da die Firma über einen Versand verfügt und auch tagtägliche Kundenbetreuung anfällt.

Am 23.9.1989, einem arbeitsfreien Samstag, fand ein Betriebswandertag statt, der wiederum vom Betriebsrat organisiert und von der Geschäftsleitung veranstaltet und genehmigt worden war. Die Buskosten wurden insofern von der Geschäftsleitung zur Gänze getragen, als sie aus dem von ihr während der letzten Monate in den Betriebsratsfonds eingezahlten Zuschüssen für derartige Veranstaltungen entrichtet wurden. Dazu wurden sämtliche Belegschaftsmitglieder und Mitglieder der Geschäftsleitung eingeladen, doch nahm ausnahmsweise, entgegen der Gegebenheiten in den Vorjahren, kein Mitglied der Geschäftsleitung teil. In den Vorjahren war auch der Betriebsleiter dabeigewesen, der jedoch am 23.9.1989 aus privaten Gründen verhindert war. Von ca. 220 Belegschafts- und Geschäftsleitungsangehörigen meldeten sich 14 Arbeitnehmer und 6 Angehörige von Arbeitnehmern zum Ausflug an. Diese Teilnahmezahlen sind auch für die Vorjahre repräsentativ. Nach der ursprünglichen Planung und Ausschreibung sollten sich die Teilnehmer am 23.9.1989 um 7.30 Uhr an einer bestimmten Sammelstelle in Sch***** treffen. Dann sollten sie gemeinsam mit einem organisierten Bus nach F***** fahren und von dort aus das K*****joch besteigen. Nachträglich wurde jedoch die Abfahrtszeit auf 8.00 Uhr verlegt, wovon der Kläger jedoch nicht verständigt wurde bzw unverschuldet keine Kenntnis erhielt. Als er als Veranstaltungsteilnehmer um 7.30 Uhr an der vereinbarten Sammelstelle eintraf, vermeinte er wegen Nichteintreffens weiterer Ausflugsteilnehmer, zu spät gekommen zu sein. Um doch noch am Wandertag teilnehmen zu können, beschloß er, mit dem eigenen Motorrad dem Bus nach F***** nachzufahren, um sich dort mit den anderen Teilnehmern zu treffen. Auf dem direkten Weg von Sch***** nach F***** zum Aufstiegsort wurde er in einen Verkehrsunfall verwickelt und dabei verletzt.

Mit Bescheid der beklagten Partei vom 10.4.1990 wurde der Unfall des Klägers vom 23.9.1989 nicht als Arbeitsunfall anerkannt, weil die Kriterien eines unter Versicherungsschutz stehenden Betriebsausfluges nicht erfüllt wären.

In der dagegen rechtzeitig erhobenen Klage begehrte der Kläger die Feststellung, daß sein Unfall vom 23.9.1989 ein Arbeitsunfall sei, und die Gewährung einer Versehrtenrente von 40 vH ab Beendigung des Krankenstandes bzw ab der 27. Woche.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, daß es sich bei diesem Unfall um einen Arbeitsunfall handle. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung stehe auch die Teilnahme an bestimmten Betriebsveranstaltungen unter Unfallversicherungsschutz, insbesondere, wenn und solange die Betriebsveranstaltung vom Unternehmen getragen werde oder mit Bewilligung der Geschäftsleitung stattfinde, im wesentlichen von Betriebsangehörigen besucht werde und der Betriebsverbundenheit diene. Der Wandertag sei in jahrelanger Übung von der Geschäftsleitung genehmigt und die Fahrtkosten seien vom Unternehmen finanziert worden. Trotz Einladung sämtlicher Belegschaftsmitglieder habe allerdings nur ein geringer Prozentsatz derselben mit einigen Angehörigen teilgenommen. Dennoch sei dies für die Geschäftsleitung des Unternehmens kein Grund gewesen, die Veranstaltung nicht mehr zu fördern. Auch die Kleinveranstaltung habe daher der Betriebsverbundenheit und der Pflege der Kollegialität gedient. Auch der Umstand, daß die Betriebsveranstaltung in der Freizeit stattgefunden habe, habe der langjährigen Übung entsprochen und sei aus betriebsstrukturellen Gründen so gewollt und gewünscht gewesen. Obwohl es sich um einen Grenzfall handle, sei der Wandertag als eine unter Unfallversicherungsschutz stehende Betriebsveranstaltung zu qualifizieren. Daher habe auch der Umstand, daß sich der Kläger unverschuldet gezwungen gesehen habe, mit dem eigenen Fahrzeug von Sch***** nach F***** zu fahren, um am Wandertag teilnehmen zu können, keine Unterbrechung des Versicherungsschutzes zur Folge gehabt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Zwischenurteil durch Abweisung des gesamten Klagebegehrens ab.

Betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen könnten grundsätzlich unter Versicherungsschutz stehen. Der Schutz solcher Veranstaltungen bestehe insoweit, als die Teilnahme an ihnen ein Ausfluß der Ausübung der Erwerbstätigkeit sei. Gegen die Annahme, daß die beabsichtigte Teilnahme des Klägers an dem Wandertag, bei der es zum gegenständlichen Unfall gekommsen sei, ein Ausfluß der Ausübung der Erwerbstätigkeit gewesen sei, sprächen folgende Überlegungen:

Veranstalter des Wandertages sei nicht der Dienstgeber, sondern der Betriebsrat gewesen, der zwar die Geschäftsleitung des Unternehmens davon verständigt und diese auch zur Teilnahme eingeladen habe. Dies habe aber nichts daran geändert, daß der Wandertag als solcher vom Betriebsrat aus eigenem veranstaltet worden und nicht etwa bloß im Auftrag des Dienstgebers organisiert worden sei.

Für die Finanzierung des Wandertages habe der Dienstgeber unmittelbar nur die Bezahlung des Omnibusses übernommen. Im übrigen sei der Wandertag vom Betriebsrat finanziert worden, wenn dieser dabei auch Mittel verwendet habe, die vom Unternehmen in monatelangen Zahlungen dem Betriebsrat zur Finanzierung derartiger Veranstaltungen überwiesen worden seien.

Gegen die Annahme, daß die Teilnahme am Wandertag ein Ausfluß der Ausübung der Erwerbstätigkeit des Klägers gewesen sei, spreche vor allem auch, daß dieser Wandertag nicht während der Dienstzeit, sondern in der Freizeit der Betriebsangehörigen durchgeführt worden sei. Daß sich die Betriebsangehörigen in ihrer weit überwiegenden Mehrheit nicht verpflichtet gefühlt hätten, als Ausfluß der Ausübung ihrer Erwerbstätigkeit an diesem Wandertag teilzunehmen, zeige vor allem der Umstand, daß nur ein ganz geringer Prozentsatz der Betriebsangehörigen an diesem Wandertag teilgenommen habe. Für die Annahme des Versicherugnsschutzes bei einer derartigen Betriebsveranstaltung sei aber gerade entscheidend, daß sich der Arbeitnehmer dem Unternehmen gegenüber zur Teilnahme verpflichtet fühle oder sich aus Kollegialität zur Anwesenheit gezwungen sehe. Ein vom Betriebsrat veranstalteter Wandertag, zu dem sich die versicherten Betriebsangehörigen schon wegen der verschwindend geringen Anzahl von Teilnehmern nicht verpflichtet fühlen könnten, stehe somit auch dann nicht unter Unfallversicherungsschutz, wenn er vom Unternehmen weitgehend oder zur Gänze finanziert werde.

Dagegen richtet sich die nach § 46 Abs 3 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässige Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsrüge ist nicht berechtigt.

Der erkennende Senat hat schon in SSV-NF 3/90 und 138 dargelegt, daß die Teilnahme von Arbeitnehmern an betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen insoweit unter Unfallversicherungsschutz steht, als sie ein Ausfluß der Ausübung der Erwerbstätigkeit ist und sich dabei insbesondere auf Tomandl in Tomandl, SV-System 4. ErgLfg 285 berufen, der diese Meinung übrigens schon in seinem Leistungsrecht der österreichischen Unfallversicherung 30 vertreten hat.

Nach der letztgenannten Entscheidung muß in jedem Einzelfall geprüft werden, ob der im § 175 Abs 1 ASVG geforderte örtliche, zeitliche und ursächliche Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung so weit gegeben ist, daß noch davon gesprochen werden kann, daß die (Teilnahme an der ) Gemeinschaftsveranstaltung noch Ausfluß der Ausübung der Erwerbstätigkeit ist.

Unter den bei dieser Prüfung in ihrem Zusammenhang und in ihrer ausschlaggebenden Bedeutung auch nach Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung II nunmehr 72. Nachtrag 482 l bis s zu berücksichtigenden Umständen nannte der erkennende Senat in der letztgenannten Entscheidung auch eine gewisse Mindestbeteiligung und die Voraussetzung, daß die Veranstaltung zumindest bei der Planung und Durchführung von der Autorität des Betriebsleiters getragen wird. Dafür sind die Anwesenheit des Betriebsinhabers, die gänzliche oder teilweise Übernahme der Kosten, die Durchführung des Ausfluges während der Arbeitszeit oder die Gewährung eines arbeitsfreien Tages wichtige Anhaltspunkte. Wenn nicht alle Kriterien vorliegen, muß dies noch keinen Versicherungsausschluß bedeuten. Der Betriebsleiter kann die Planung und Organisation des Betriebsausfluges wohl dem Betriebsrat überlassen, solange er sich die Kontrolle und ausdrückliche endgültige Bewilligung in den Einzelheiten vorbehält. Bei finanziell schwächeren Unternehmen wird der Kostenzuschuß nicht entscheidend ins Gewicht fallen. Auch die Gewährung eines Urlaubs an Arbeitstagen kann für sich allein nicht ausschlaggebend sein. Es kommt aber doch darauf an, in welcher Intensität die Gemeinschaftsveranstaltung betrieblichen Zwecken dient und in welchem Umfang außerbetriebliche, private Interessen beteiligt sind.

Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, daß die Betriebswandertage, deren Planung und Durchführung dem Betriebsrat überlassen war, kaum von der Autorität der Betriebsleitung getragen waren und überdies immer in der Freizeit der Arbeitnehmer und der Geschäftsleitung stattfanden. Besonders fällt aber ins Gewicht, daß an diesen Wandertagen von den etwa 220 Belegschafts- und Geschäftsleitungsangehörigen regelmäßig nur etwa 14 Arbeitnehmer, also nur etwa 6 % der Betriebsangehörigen, teilnahmen, so daß von einem eindeutigen Mißverhältnis zwischen den geladenen und den erschienenen Betriebsangehörigen gesprochen werden muß (so auch Brackmann aaO II 72. Nachtrag 482 m mwN, insbesondere auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes).

Es handelt sich daher im wesentlichen um von der Betriebsleitung subventionierte Ausflüge ganz weniger daran interessierter Betriebsangehöriger in deren Freizeit.

Aus den genannten Umständen brauchte sich auch kein Arbeitnehmer dem Unternehmen gegenüber zur Teilnahme an den Wandertagen verpflichtet fühlen (Tomandl, Leistungsrecht der österreichischen Unfallversicherung 30; derselbe, SV-System 4. ErgLfg 285).

Der Unfall des Klägers am 23.9.1989 auf dem Weg zum Ausgangsort der geplanten Bergwanderung hat sich daher nicht in den im § 175 Abs 1 ASVG geforderten Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignet und ist daher kein Arbeitsunfall.

Deshalb war der Revision nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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