OGH 12Os144/91

OGH12Os144/9123.1.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.Jänner 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Friedrich, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Westermayer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann K***** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 14.Juni 1991, GZ 6 b Vr 2051/90-100, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 13.Juni 1943 geborene Johann K***** wurde der Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB (A) und nach § 12 Abs. 1, Abs. 3 Z 3 SuchtgiftG (B) schuldig erkannt. Darnach hat er am 15.August 1989 in Wien dadurch, daß er aus einem bereits sichergestellten Suchtgiftdepot 142 Gramm Heroin entnahm und diese Suchtgiftmenge dem abgesondert verfolgten Vojislav J***** zum Zwecke der Inverkehrsetzung übergab, als Beamter seine Befugnis, im Namen des Bundes Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht und hiedurch die Republik Österreich an ihrem Recht auf behördliche Vernichtung sichergestellter Suchtgifte geschädigt (A) und durch diese Vorgangsweise den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift, und zwar Heroin in einer Menge, welche die im § 12 Abs. 1 SuchtgiftG genannte Menge um das 25-fache bei weitem übersteigt, in Verkehr gesetzt (B).

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus § 281 Abs. 1 Z 5 und 5 a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde schlägt fehl.

Voranzustellen ist, daß formale Begründungsmängel nur in Ansehung entscheidender Tatsachen - also solcher, die für die Schuldfrage oder den anzuwendenden Strafsatz von Belang sind - unter Nichtigkeitssanktion (Z 5) stehen und daß andererseits aus der komplexen Natur der freien Beweiswürdigung (siehe Mayerhofer/Rieder3 § 281 Z 5 StPO ENr. 5 ff) und der Vorschrift des § 270 Abs. 2 Z 5 StPO, welche dem Gericht lediglich eine gedrängte Begründungspflicht auferlegt, erhellt, daß nicht alle Details der Beweisaufnahme einer gesonderten und einläßlichen Erörterung unterzogen werden müssen. Schließlich ist auch noch generell darauf hinzuweisen, daß die aus den gegebenen Beweismitteln gezogenen Tatsachenschlüsse nicht zwingend sein müssen, sondern lediglich nicht im Widerspruch zu den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung stehen dürfen.

Wenn die Beschwerde nun vermeint, eine "Aktenwidrigkeit" der Begründung daraus ableiten zu können, daß das Urteil die Aussage des Hauptbelastungszeugen J***** (unter anderen) als "im wesentlichen gleichlautend" bezeichne, die Depositionen dieses Zeugen aber sehr wohl etliche, in der Beschwerde im einzelnen dargelegte Divergenzen aufwiesen, genügt es, sie auf die obigen Grundsätze mit dem Beifügen zu verweisen, daß die Angaben des Zeugen J***** in jenen Punkten, denen das Erstgericht bei Entscheidung über die Schuld des Angeklagten Bedeutung beimaß, in der Tat gleich blieben, wogegen die Beschaffungsmodalitäten bezüglich des von ihm besorgten Streckungsmittels augenscheinlich ebenso als nicht weiter erörterungsbedürftige Nebenumstände angesehen wurden (siehe hiezu S 8 des im ersten Rechtszug ergangenen Urteils, ON 83) wie die Frage, ob sich in einer angeblich weiteren, nicht sichergestellten Tasche des Fuat S***** Puppen befanden und was der Zeuge J***** bei den einzelnen Befragungen hierüber aussagte. Desgleichen konnte sanktionslos unbehandelt bleiben, daß die Angaben des Vojislav J***** über das von ihm am 15.August 1989 (zur Reise von Jugoslawien nach Wien) benützte Transportmittel divergierten und daß seine Behauptung, er habe im Büro des Angeklagten blaue Moon-boots gesehen, deren Absätze aufgeschnitten worden waren, im Beweisverfahren keine weitere Stütze erfuhr.

Zur Kategorie der nicht weiter einlassungsbedürftigen Nebenumstände, denen ersichtlich im Rahmen der Würdigung tragende Bedeutung ermangelte, zählen an sich auch die in der Beschwerde ins Treffen geführten Begründungsmängel im Zusammenhang mit der Urteilskonstatierung, daß am 14.August 1989 "etwas mehr" Heroin sichergestellt wurde als am 16.August 1989 der Depositenstelle übergeben wurde, ferner mit der Behauptung des Zeugen J*****, bei seinem letzten Treffen im Augustiner-Keller, als er dem Angeklagten 40.000 S übergeben habe, mit diesem allein gewesen zu sein, obwohl dies der Aussage des Zeugen K***** widerspreche, weiters mit dem Umstand, daß nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. M***** entgegen den Urteilsfeststellungen alle pulvrigen Anteile des Heroins - also auch das in den Briefchen befindliche - verschnitten worden seien, und damit, daß endlich J***** behauptet habe, der Angeklagte hätte hinsichtlich des Zeugen K***** eine Dasta-Anfrage veranlaßt, obwohl das Gegenteil nachgewiesen worden sei, sowie mit dem Flugticket, das J***** nach seinen Angaben vom Angeklagten erhalten hatte.

Der Vollständigkeit halber sei zu diesen Punkten aber dennoch bemerkt, daß die betreffenden Beschwerdebehauptungen in den Akten keine Stütze finden. Denn es bestand in der Tat eine Gewichtsdifferenz von rund 20 Gramm zwischen dem am 14.August sichergestellten und am 16.August 1989 der Depositenstelle übergebenen Heroin (siehe etwa Band I ON 33), wozu Prof. M***** in der Hauptverhandlung am 26.September 1990 keineswegs erklärte, daß eine Fehlmenge nicht konstatiert werden könne, sondern, daß auch bei Berücksichtigung des Gewichtes des Verpackungsmaterials eine Differenz von 20 Gramm - wenngleich nicht ausschließbar - so doch "etwas viel" sei (Band II S 242). Mit Bezug auf die Geldübergabe im Augustiner-Keller übergeht die Beschwerde mit ihrer Behauptung, nach den Bekundungen des Zeugen K***** sei der Angeklagte nie allein mit J***** gewesen, die diesbezüglichen Depositionen des Zeugen K***** in der Hauptverhandlung (Band II S 326), er könne nicht ausschließen, daß sich der Angeklagte und J***** auch ohne ihn (K*****) getroffen hätten. In Ansehung des Verschnitts des Suchtgifts hinwieder übersieht die Beschwerde, daß sich das Ergänzungsgutachten vom 13.Februar 1990 (Band II S 41 ff) nicht auf den Inhalt der Papierschuber bezog (siehe den zweiten Absatz auf Seite 41) und daß auch die in der Beschwerde zitierte Passage aus dem Sachverständigengutachten in der Hauptverhandlung am 26.September 1990 im gegebenen Kontext ersichtlich mit dem Inhalt der Schuber keinen Zusammenhang aufwies. Was aber die Dasta-Anfrage bezüglich des Zeugen K***** anlangt, hat J***** diese in der Hauptverhandlung (Band II S 339) nicht als Faktum berichtet, sondern lediglich angegeben, der Angeklagte habe ihm gesagt, daß er (K*****) eine Computeranfrage durchführte. In bezug auf das bei Fuat S***** sichergestellte Flugticket schließlich nahm das Erstgericht entgegen der Beschwerdeauffassung keineswegs dessen Identität mit jenem Ticket an, welches J***** seiner Darstellung zufolge vom Angeklagten erhalten hatte, sondern es erblickte deutlich genug darin lediglich ein Indiz für die Richtigkeit dieser Angaben des genannten Zeugen, daß das zuerst bezeichnete Ticket ebenso wie angeblich das zweite, ihm übergebene, vom Angeklagten im Gepäck des S***** gefunden wurde, einen Flug zwischen Wien und Istanbul sowie zurück betraf und auf den Namen G***** lautete.

Mit den übrigen Beschwerdeausführungen, die weitgehend darauf verzichten, exakt zwischen den Nichtigkeitsgründen der Z 5 und 5 a des § 281 Abs. 1 StPO zu unterscheiden, und die, nach der Beschwerde selbst, "weit in die Beweiswürdigung hineinreichen (Band II S 423), werden keine formalen Begründungsmängel dargetan; sie sind aber auch weder einzeln noch im Zusammenhalt geeignet, erhebliche Bedenken gegen die die Schuldsprüche tragenden Tatsachenfeststellungen zu erwecken. Soweit sie sich aber der Sache nach nur nach Art einer Schuldberufung gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung wenden - etwa in Ansehung der Bewertung der Aussagen der Zeugen B***** und U***** (Band II S 405) und mit Bezug auf die Würdigung der Angaben der Funkstreifenbesatzung (Band II S 403) - ist diese Art der Bekämpfung eines im schöffengerichtlichen Verfahren ergangenen Urteils ausgeschlossen und daher hierauf nicht weiter einzugehen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war mithin teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt (§§ 285 d Abs. 1 Z 1 und 2, 285 a Z 2 StPO) bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Über die Berufung des Angeklagten wird demgemäß der zuständige Gerichtshof zweiter Instanz abzusprechen haben (§ 285 i StPO).

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