OGH 1Ob615/90 (1Ob616/90, 1Ob617/90)

OGH1Ob615/90 (1Ob616/90, 1Ob617/90)16.1.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. ***** alle in Obsorge der Mutter *****, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems als Unterhaltssachwalter, wegen Weitergewährung von Unterhaltsvorschüssen, infolge Revisionsrekurses des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Steyr als Rekursgericht vom 28. Mai 1990, GZ 1 R 96, 97 und 98/90-57, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Grünburg vom 23.März 1990, GZ P 18/83-47, 48 und 49, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 3.April 1990, GZ P 18/83-50, bestätigt wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

Die Kinder Kerstin *****, geboren am 27.Mai 1977, Birgit *****, geboren am 21.November 1978, und Christian *****, geboren am 19. Juni 1980, entstammen der mit Beschluß des Kreisgerichtes Steyr vom 14.Dezember 1983, GZ 2 Cg 232/83-5, einvernehmlich geschiedenen Ehe ihrer Eltern und befinden sich in der Obsorge der Mutter. Beschlußmäßig wurde der Vater am 11.November 1983 zur Leistung eines monatlichen Unterhaltes von je 1.000 S für jedes Kind verpflichtet und den Kindern am 5.Dezember 1983 Unterhaltsvorschüsse nach §§ 3, 4 Z 1 UVG von monatlich 1.000 S für die Zeit vom 1.Jänner 1984 bis 31.Dezember 1986 gewährt. Das Erstgericht erhöhte mit Beschluß vom 1.Juli 1985 die vom Vater für die drei Kinder zu leistenden Unterhaltsbeträge auf je 1.400 S und mit Beschlüssen vom 29.Juli 1985 gemäß § 19 Abs 2 UVG die Vorschüsse für die Zeit vom 1.April 1985 bis 31.Dezember 1986 auf je 1.400 S und gewährte mit Beschlüssen vom 30.Dezember 1986 die Vorschüsse gemäß § 18 UVG für die Zeit vom 1.Jänner 1987 bis 31. Dezember 1989 weiter.

Das Erstgericht gewährte mit Beschlüssen vom 23.März 1990 den drei Kindern die Unterhaltsvorschüsse von monatlich je 1.400 S weiter für die Zeit vom 1.Jänner 1990 bis 31.Dezember 1992.

Der Bund, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz, strebte mit seinen drei gleichlautenden Rekursen an, die Unterhaltsbevorschussung pro Kind auf je 300 S monatlich zu beschränken. Denn eine am 3.April 1990 von der Buchhaltung des Oberlandesgerichtes Linz durchgeführte Kontodatenabfrage habe ergeben, daß zumindest seit Beginn des Jahres 1988 (Eingänge würden bereits seit Februar 1986 verzeichnet) regelmäßig monatliche Überweisungen vom Jugendwohlfahrtsträger vorgenommen würden, wobei die Höhe der verbuchten Beträge zwischen 3.800 S und 1.100 S variiere; weniger als 1.100 S seien in den letzten beiden Jahren nie verbucht worden. Der laufende Unterhalt der Kinder sei zumindest mit einem Betrag von 1.100 S gesichert, weshalb nur mehr die Differenz zum Unterhaltstitel einer Bevorschussung zugänglich sei.

Das Rekursgericht gab diesen Rekursen nicht Folge; den ordentlichen Revisionsrekurs ließ es zu. Die Rechtsauffassung, daß bei stabiler Teilleistung durch den Unterhaltsschuldner nur der ungesicherte Rest einer Titelbevorschussung zugänglich sei, widerspreche § 5 Abs 1 UVG, weil die Vorschüsse jeweils in der beantragten Höhe bis zum titelgemäßen Unterhaltsbeitrag zu gewähren seien. § 7 Abs 1 UVG bezeichne die Voraussetzungen für das ganze oder teilweise Versagen der Vorschüsse, die stabile Teilleistung gehöre nicht zu diesen Voraussetzungen. § 3 Z 2 UVG besage zur Höhe eines Unterhaltsvorschusses nichts, insbesondere auch nicht iS einer Teilbevorschussung. Von einem Fall des § 18 Abs 2 UVG könne nicht gesprochen werden, weil diese Bestimmung die gänzliche Versagung der Weitergewährung der Vorschüsse für den Fall der Wahrscheinlichkeit normiere, daß die laufenden Unterhaltsbeiträge künftig vom Unterhaltsschuldner voll eingehen würden. Schließlich sehe auch § 20 UVG nur eine gänzliche und keine teilweise Einstellung der Vorschüsse vor.

Rechtliche Beurteilung

Der zulässige (§ 15 Abs 3 UVG idF des RRÄG 1989, § 14 Abs 1 AußStrG idF der WGN 1989) Revisionsrekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz, der seine Rekursanträge wiederholt, ist berechtigt.

Den drei Kindern wurden Titelvorschüsse gewährt. Gemäß § 18 Abs 1 UVG hat das Gericht die Vorschüsse für längstens jeweils drei weitere Jahre zu gewähren, wenn 1. dies das Kind....beantragt und 2. keine Bedenken dagegen bestehen, daß die Voraussetzungen der Gewährung der Vorschüsse, ausgenommen die des § 3 Z 2, weiter gegeben sind. Nach Abs 2 leg.cit. ist die Weitergewährung zu versagen, wenn es wahrscheinlich ist, daß die laufenden Unterhaltsbeiträge künftig im Weg freiwilliger Zahlungen oder der Exekution vom Unterhaltsschuldner voll eingehen werden. Im vorliegenden Fall sind die formellen und materiellen Voraussetzungen für eine Weitergewährung der Unterhaltsvorschüsse (§ 18 Abs 1 UVG) unstrittig vorhanden, zu prüfen bleibt nur die Frage, ob der spezielle Versagungsgrund des § 18 Abs 2 UVG (teilweise) vorliegt.

Die Gesetzesmaterialen zum Stammgesetz und zur Novelle 1980, BGBl 1980/278, enthalten keine unmittelbar verwertbaren Aussagen, ob die Weitergewährung der Unterhaltsvorschüsse teilweise zu versagen ist, wenn es wahrscheinlich ist, daß die laufenden Unterhaltsbeiträge künftig im Weg freiwilliger Zahlungen oder der Exekution vom Unterhaltsschuldner nicht voll, sondern nur teilweise eingehen werden. Ihrem sachlichen Gehalt nach ist dies aber zu unterstellen: Dies entspricht dem Regelungszweck, daß nur in den Fällen einer notleidend gewordenen Unterhaltsverpflichtung eines Kindes die Vorschußleistung aus öffentlichen Mitteln einzugreifen hat. Die veröffentlichte Judikatur der Rekursgerichte geht, soweit überblickbar, zur maßgeblichen Norm des § 5 UVG (Höhe des Unterhaltsvorschusses) nahezu einhellig davon aus, daß bei stabiler Teilleistung durch den Unterhaltsschuldner nur der offene Rest einer Titelbevorschussung zugänglich ist (LG ZRS Wien EFSlg. 54.733, 46.461, 36.544, 34.213 ua; Knoll, UVG in ÖA, § 4 Z 1 Rz 28, § 5 Rz 6 mwN). Es wird dies zum Teil mit den Materialien (199 BlgNR XIV.GP, 5) zu § 5 UVG begründet, wonach der Justizausschuß mit dieser Regelung den Fällen Rechnung tragen wolle, in denen der Unterhaltsschuldner regelmäßig einen bestimmten, allerdings unter dem seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht liegenden Unterhaltsbeitrag leiste; das Kind solle in einem solchen Fall die Gewährung von Vorschüssen bloß auf den Fehlbetrag beantragen können. Der erkennende Senat teilt diese Auffassung und erachtet somit eine stabile Teilleistung des Unterhaltsschuldners auf die laufenden Unterhaltsbeiträge als einen Grund für eine entsprechend geringere weitere Unterhaltsbevorschussung, weil dann die in § 18 Abs 2 UVG genannte Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß der laufende Unterhalt der Kinder zum Teil - im Umfang der Teilleistung - gesichert ist.

Ob im vorliegenden Fall der Unterhaltsschuldner tatsächlich stabile Teilleistungen auf den laufenden Unterhalt der Kinder erbringt, wie in den gleichlautenden Rekursen des Bundes als zulässige Neuerung vorgetragen wurde, wird im fortgesetzten Verfahren noch zu klären und dabei auch zu prüfen sein, ob der Unterhaltsschuldner für jedes Kind oder nur insgesamt monatlich mindestens 1.100 S an Unterhalt leistet. Die Unterhaltsvorschußsache ist aus diesem Grunde nicht entscheidungsreif. Sie ist unter Aufhebung der vorinstanzlichen Beschlüsse zur Durchführung der notwendigen Erhebungen und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte