European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1991:0040OB00506.92.0114.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung unter Einschluß des bereits in Rechtskraft erwachsenen abweisenden Teils insgesamt wie folgt zu lauten hat:
"Die beklagte Partei ist bei sonstiger Exekution schuldig, der klagenden Partei ab 26. 3. 1991 einen einstweiligen Unterhalt von monatlich 9.000 S zu leisten, und zwar die bis zur Zustellung dieses Beschlusses fällig gewordenen Beträge abzüglich bereits erbrachter Leistungen von 4.000 S für den Monat März 1991 und der ab April 1991 bereits erbrachten monatlichen Leistungen von 5.800 S binnen 14 Tagen, die künftig fällig werdenden Beträge jeweils am 1. eines jeden Monats im vorhinein.
Das Mehrbegehren auf Bestimmung eines einstweiligen Unterhalts in Höhe weiterer 3.000 S monatlich ab 26. 3. 1991 wird abgewiesen. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.245,60 S bestimmten Äußerungskosten (darin enthalten 207,60 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen."
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.667,70 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten 277,95 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung:
Der mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 24. 1. 1991, 29 C 1/90z, aus dem Verschulden des Beklagten geschiedenen Ehe der Parteien entstammt der am 24. 7. 1971 geborene Sohn Markus. Die im Hälfteeigentum der geschiedenen Ehegatten stehende frühere Ehewohnung in G* wird seit Oktober 1988 nur noch von der Klägerin und dem Sohn Markus bewohnt; seit 1989 leistet der Beklagte für die Betriebskosten dieser Wohnung keine Zahlungen mehr. Der Beklagte ist auf Grund des Beschlusses des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 12. 2. 1990, 14 P 263/88, zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von 6.000 S für den Sohn Markus verpflichtet; seit September 1990 wird diese Unterhaltsverpflichtung im Wege einer Gehaltsexekution betrieben.
Die 47jährige Klägerin war während der Ehe diversen Gelegenheitsarbeiten nachgegangen. Seit 1988 widmet sie sich nur noch der Haushaltsführung und der Kindeserziehung; seither bezieht sie keinerlei eigenes Einkommen mehr. Für Frauen über 40 Jahre ist eine Vermittlung im Bürobereich trotz offener Stellen äußerst schwierig; bei der Klägerin wird dieser Umstand noch durch ihre langjährige Abwesenheit vom Berufsleben verstärkt.
Der Beklagte ist seit 1986 Leiter der Klagenfurter Filiale der H*gesellschaft mbH, bei welcher er schon vorher beschäftigt war. Daneben betreibt er in seiner Wohnung in Klagenfurt auch ein Zivilingenieurbüro, welches ihm aber seit 1988 nur Verluste einbrachte. Auf Grund seiner durch einen Arbeitsunfall geminderten Erwerbsfähigkeit geht der Beklagte seiner Tätigkeit bei der H*gesellschaft mbH nicht mehr zu 100 % nach. Er bezog in den Jahren 1989 und 1990 eine monatliche Rente der AUVA in der Höhe von durchschnittlich 6.100 S.
Der Beklagte hat der Klägerin unter dem Titel "Unterhalt" für den Monat März 1991 4.000 S geleistet; seit April 1991 leistet er ihr unter diesem Titel Beträge von monatlich 5.800 S.
Im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Leistung des Unterhaltes begehrt die Klägerin nach der Scheidung der Ehe die Bestimmung eines vom Beklagten ab 1. 3. 1991 einstweilen zu leistenden Unterhaltes von monatlich 12.000 S.
Der Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Unter Berücksichtigung seines monatlichen Nettoeinkommens von 23.200 S und der Sorgepflicht für seinen Sohn Markus alimentiere er die Klägerin bereits ausreichend; die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit sei ihr durchaus zumutbar.
Das Erstgericht nahm ein monatliches Nettoeinkommen des Beklagten (einschließlich der Rente der AUVA) von 44.633,10 S als bescheinigt an und bestimmte den ihr vom Beklagten ab 26. 3. 1991 einstweilen zu leistenden Unterhalt mit monatlich 12.000 S. Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit sei der Klägerin nicht zumutbar. Die Verluste des Beklagten aus seiner Nebentätigkeit als Zivilingenieur könnten nicht zu Lasten der Unterhaltsberechtigten berücksichtigt werden. Für den Unterhaltsanspruch der Klägerin ergebe sich nach Abzug der Unterhaltsverpflichtung des Beklagten für den Sohn Markus eine Bemessungsgrundlage von 38.633,10 S; davon gebühre der einkommenslosen Klägerin ein Unterhalt von 40 %, also jedenfalls mehr, als sie an einstweiligem Unterhalt begehrt habe.
Das Rekursgericht nahm - abweichend vom Erstgericht - ein monatliches Nettoeinkommen des Beklagten (einschließlich der Rente der AUVA) von 30.615 S als bescheinigt an; es setzte den der Klägerin zuerkannten einstweiligen Unterhalt auf monatlich 10.000 S herab und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Vom Einkommen des Beklagten sei dessen Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Sohn Markus (6.000 S) abzuziehen, so daß sich eine Bemessungsgrundlage von 24.615 S ergebe. Hievon stehe der Klägerin ein Unterhaltsanspruch im Ausmaß von rund 40 % zu, welcher aber nicht exakt berechnet werden müsse.
Gegen den Zuspruch eines einstweiligen Unterhalts in der Höhe von monatlich mehr als 4.000 S wendet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne einer Abweisung des noch strittigen Mehrbegehrens auf Leistung eines einstweiligen Unterhalts in Höhe von monatlich 6.000 S.
Die Klägerin hat keine Revisionsrekursbeantwortung erstattet.
Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 1 ZPO schon deshalb zulässig, weil zu den vom Rechtsmittelwerber aufgeworfenen Fragen, von denen aber die Lösung des vorliegenden Rechtsfalles abhängt, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt; er ist auch teilweise berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, daß eine Unterhaltsbemessung nach Prozentsatzkomponenten im Interesse der Gleichbehandlung gleichartiger Fälle geschehen kann und für durchschnittliche Verhältnisse eine brauchbare Handhabe ist, um den Unterhaltsberechtigten an den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen teilhaben zu lassen (JBl 1991, 40; RZ 1991/26 und 50). Besondere, vom Durchschnittsfall abweichende Umstände sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, so daß die Anwendung solcher "generalisierender Regeln" keinen Bedenken begegnet. Der Unterhalt der geschiedenen einkommenslosen Ehegattin gemäß § 66 EheG (§ 94 ABGB) bestimmt sich nach den in der Rechtsprechung entwickelten und vom Schrifttum gebilligten Berechnungsformeln mit rund 33 % des Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen; bei einer konkurrierenden Sorgepflicht für Kinder ist der genannte Prozentsatz um etwa 4 % pro Kind zu verringern (Pichler in Rummel, ABGB2 Rz 3 a zu § 94; Schwimann in Schwimann, ABGB I, § 94 Rz 12 und 25; Zankl in Schwimann, ABGB I, § 66 EheG Rz 56, jeweils mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung). Die Vorinstanzen haben aber bei ihrer Unterhaltsbemessung nach Prozentsatzwerten das System der für Durchschnittsfälle entwickelten Berechnungsformeln insoweit verlassen, als sie vom Einkommen des Beklagten dessen betragsmäßig feststehende Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Sohn Markus abgezogen und so die Bemessungsgrundlage vor der Anwendung der Prozentsatzmethode verringert haben. Innerhalb eines Quotensystems für Durchschnittsfälle sind nämlich konkurrierende Unterhaltsverpflichtungen gleichfalls durch prozentuelle Abstriche zu berücksichtigen, nicht aber - selbst wenn sie in Exekutionstiteln verkörpert sind - als absolute Beträge vorweg vom Einkommen abzuziehen (Pichler aaO).
Da von der einkommenslosen Klägerin den Umständen nach keine eigene Erwerbstätigkeit erwartet werden kann, erscheint nach den obigen Berechnungsformeln unter Berücksichtigung des derzeitigen Durchschnittseinkommens des Beklagten (30.615 S monatlich) und dessen Sorgepflicht für ein eheliches Kind (6.000 S monatlich) die Bestimmung eines einstweiligen monatlichen Unterhaltsbetrages von 9.000 S angemessen.
Der Kostenausspruch beruht in allen Instanzen auf § 402 Abs 2, § 78 EO und §§ 41, 50 und 52 Abs 1 ZPO. Im erstinstanzlichen Verfahren hat der Beklagte mit einem Viertel obsiegt, so daß ihm ein Viertel der verzeichneten Äußerungskosten zuzusprechen war. Im Rechtsmittelverfahren hat der Beklagte jeweils mit einem Sechstel obsiegt, so daß ihm ein Sechstel der jeweils verzeichneten Rekurs- und Revisionsrekurskosten zuzusprechen war.
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