OGH 13Os83/91

OGH13Os83/918.1.1991

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.Jänner 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Westermayer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Karl S***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 2 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten und über die Berufung des Finanzamtes Kirchdorf an der Krems gegen das Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 13.Juni 1991, GZ 12 Vr 325/90-13, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und das Finanzamt Kirchdorf an der Krems auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 21.August 1938 geborene Altwarenhändler Karl S***** des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 2 lit a FinStrG schuldig erkannt, weil er in Kremsmünster unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1972 entsprechenden Voranmeldungen für die Monate Jänner 1987 bis einschließlich Dezember 1990 eine Verkürzung von Umsatzsteuer im Betrage von 2,249.774 S bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten hat.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer ausdrücklich auf die Z 4 und 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Den vom Verteidiger schriftlich eingebrachten (ON 10) und in der Hauptverhandlung (S 137) wiederholten sowie ergänzten Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens und auf Beischaffung aller in der Aufstellung (der Metallgießerei S*****) aufscheinenden Zahlungsquittungen, der Wiegezettel der V***** und die der Firma G***** in Edt bei Lambach sowie der Zahlungsquittungen der letztgenannten Firma zum Beweise dafür, daß der Angeklagte die in den Bescheiden angeführten Umsätze im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit seines Betriebes nicht tätigen und die in der Anklageschrift angeführten Mengen von Altmetall nicht anliefern konnte (S 137 und 121), wies das Erstgericht mit der alleinigen Begründung ab, daß im Hinblick auf die Rechtsprechung für die Gerichte eine Bindungswirkung bezüglich der rechtskräftig abgegebenen Bescheide hinsichtlich der Umsatzsteuer gegeben sei (S 139).

Diese Rechtsansicht ist jedoch seit der Entscheidung eines verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes vom 21. November 1991, AZ 14 Os 127/90, nicht mehr vertretbar. Darnach kommt den gegen den Beschuldigten ergangenen rechtskräftigen Bescheiden über die endgültige Abgabenfestsetzung und dem ihnen zugrundeliegenden Abgabenverfahren für das nachfolgende gerichtliche Finanzstrafverfahren nur die Bedeutung einer - allerdings qualifizierten - Vorprüfung der Verdachtslage in Ansehung der objektiven Tatseite (Abgabenverkürzung) eines bestimmten Finanzvergehens zu, zu deren eigenständiger Nachprüfung das Gericht mit allen ihm auch sonst nach den Verfahrensvorschriften zu Gebote stehenden Mitteln berechtigt, aber auch verpflichtet ist.

Damit wurden durch die Ablehnung dieses Beweisantrages - der auf die Widerlegung der den Abgabenbescheiden zugrundeliegenden Umsätze abzielte - Verfahrensrechte in der Bedeutung des § 281 Abs. 1 Z 4 StPO verletzt.

Der Angeklagte zeigt in seiner Rechtsrüge aber auch zutreffend einen Begründungsmangel in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO auf. Das Erstgericht geht nämlich im Hinblick auf die Annahme einer "Bindungswirkung" vom Bestehen einer Abgabenschuld für die Jahre 1987 bis 1989 in der in den Bescheiden des Finanzamtes festgestellten Höhe und davon aus, daß insoweit nur mehr zu überprüfen sei, ob den Angeklagten ein "strafrechtliches Verschulden" träfe (S 145). Die Berechnungen des Finanzamtes bezüglich des Umsatzes für das Jahr 1990 hielt es für unbedenklich (S 146). Es setzt sich jedoch - wie in der Beschwerde mit Recht geltend gemacht wird - mit der Verantwortung des Angeklagten, der vom Finanzamt jeweils errechnete Umsatz stimme mit der Leistungsfähigkeit des Betriebes des Beschwerdeführers und mit den tatsächlich geleisteten Umsätzen nicht überein, nicht auseinander. Damit liegt im Hinblick auf die bereits erwähnte Entscheidung vom 21.November 1991, wonach eine Präjudizialität von Abgabenbescheiden im gerichtlichen Finanzstrafverfahren nicht (mehr) anzunehmen ist, auch eine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung vor.

Schon wegen dieser die Nichtigkeit des Urteils bewirkenden Mängel ist eine Verfahrenserneuerung unumgänglich, sodaß der Nichtigkeitsbeschwerde gemäß dem § 285 e StPO bereits in nichtöffentlicher Sitzung Folge zu geben war.

Mit ihren durch die Urteilsaufhebung gegenstandslos gewordenen Berufungen waren der Angeklagte und das Finanzamt Kirchdorf an der Krems auf diese Entscheidung zu verweisen.

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