OGH 3Ob7/91

OGH3Ob7/9119.12.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Schalich als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Parteien

1.) Dr. Albert H***, Ziviltechniker, 2. Dipl.Dolmetsch Getrude H***, beide Wien 3., Parkgasse 3/12 und vertreten durch Dr. Erich Proksch und Dr. Richard Proksch, Rechtsanwälte in Wien, wider die verpflichtete Partei Dipl.Ing. Georg M***, zuletzt Wien 7., Wimbergergasse 9/37, wegen zwangsweiser Räumung, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Aufschiebungswerberin Christine M***, Haushalt, Wien 7., Wimbergergasse 9/35-27, vertreten durch Dr. Roland Hubinger und Dr. Michael Ott, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 13. Juni 1990, GZ 41 R 307/90-33, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 28. Februar 1990, GZ 47 C 632/47v-27, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Beschluß wie folgt abgeändert:

Der Aufschiebungswerberin Christine M*** wird gegen Erlag einer Sicherheitsleistung von S 50.000,- innerhalb von acht Tagen ab Zustellung dieses Beschlusses oder durch Umwidmung der bereits erliegenden Sicherheitsleistung in diesem Umfang während derselben Frist die Aufschiebung der zwangsweisen Räumung der Wohnungen top Nr. 35 und 37 im Haus Wien 7., Wimbergergasse 9, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die zu 47 C 4/90 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien eingebrachte Exszindierungsklage bewilligt. Für den Fall, daß diese Sicherheitsleistung nicht rechtzeitig erlegt wird, oder die Umwidmung nicht oder nicht fristgerecht erfolgt, ist die Räumungsexekution ohne Antrag der betreibenden Parteien fortzusetzen.

Die betreibenden Parteien sind schuldig, der Aufschiebungswerberin Christine M*** die mit S 2.392,90 (darin S 398,82 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Dipl.Ing. Georg M*** wurde auf Grund der am 26. 11. 1987 eingebrachten und am 23. 12. 1987 ihm zugestellten Klagen wegen Nichtzahlung des Mietzinses (§ 1118 ABGB) mit Urteil des Erstgerichtes vom 26. 6. 1989 zur Räumung der Wohnungen top 35 und top 37 im Hause Wimbergergasse 9 verpflichtet. Der betreibenden Partei wurde auf Grund dieses Urteils mit Beschluß vom 10. 11. 1989 die Räumungsexekution bewilligt. Mit der am 2. 1. 1990 gegen die beiden Hauseigentümer erhobenen Exszindierungsklage brachte die geschiedene Frau des Verpflichteten Christine M*** vor, Mitmieterin der beiden zu räumenden Wohnungen und Mieterin der dazwischen gelegenen und mit den beiden anderen Wohnungen verbundenen Wohnung top Nr. 36 zu sein. Die Betreibenden und Exszindierungsbeklagten hätten ihr gestattet, die drei nebeneinanderliegenden Wohnungen zu einer einzigen Einheit zu verbinden. Lediglich der schriftliche Mietvertrag sei nur auf den Verpflichteten ausgestellt worden. Es seien ihr auch im Verfahren über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens die Hauptmietrechte an den beiden zu räumenden Wohnungen mit Beschluß vom Dezember 1988 zuerkannt worden. Der von ihr seither für die beiden zu räumenden Wohnungen bezahlte Mietzins sei von den Betreibenden und Exszindierungsbeklagten unbeanstandet angenommen worden. Sie sei dadurch als Mieterin anerkannt worden. Sie begehre daher den Ausspruch der Unzulässigkeit der Räumungsexekution. Mit ihrer Exszindierungsklage verband Christine M*** einen Aufschiebungsantrag, dem das Erstgericht stattgab. Es nahm als bescheinigt an, daß die Wohnungen top Nr. 35 bis 37 im Hause Wimbergergasse 9 miteinander derart verbunden worden sind, daß sie eine Wohneinheit bilden. Der Exszindierungsklägerin sind in dem am 2. 7. 1985 von ihr eingeleiteten Verfahren über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 22. 6. 1988, bestätigt durch den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 19. 10. 1988, die Bestandrechte an allen drei Wohnungen zuerkannt worden. Sie hat seit Dezember 1988 die Mietzinse für alle drei Wohnungen bezahlt. Eine Räumung der Wohnungen top Nr. 35 bis top Nr. 37 könne der Exszindierungsklägerin und Aufschiebungswerberin einen unwiederbringlichen Schaden zufügen. Der durch die Aufschiebung den Exszindierungsbeklagten und Betreibenden möglicherweise erwachsende Schaden falle (offenbar gegenüber dem, der der Exszindierungsklägerin durch die Räumung entstehen könne) nicht ins Gewicht.

Über Rekurs der betreibenden Parteien änderte das Rekursgericht diese Entscheidung in eine Abweisung des Aufschiebungsantrages ab. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-

übersteigt, der ordentliche Revisionsrekurs aber unzulässig sei. An Christine M*** habe mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 22. 6. 1988 zu 6 F 7/85 kein aufrechtes Mietrecht an den drei Wohnungen übertragen werden können, weil im Zeitpunkt dieser Entscheidung das Bestandrecht des geschiedenen Mannes durch die Klagsführung der betreibenden Parteien am 26. 11. 1987 bereits untergegangen sei. Die Rechtswirkung der Aufhebungserklärung nach § 1118 ABGB trete schon mit der Abgabe dieser Erklärung und nicht erst mit der Rechtskraft des die Räumung aussprechenden Urteiles ein. Da die miteinander verbundenen Wohnungen noch getrennte Eingänge hätten, läge auch kein einheitliches Bestandobjekt vor. Das Vorbringen der Exszindierungsklage erweise sich daher als von vornherein nicht zielführend und die Klage sei als aussichtslos zu betrachten.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Aufschiebungswerberin ist teilweise berechtigt.

Im Rekursverfahren sind an die Rechtsmittelerfordernisse weniger strenge Anforderungen zu stellen als im Berufungs- und Revisionsverfahren. Ein verfehlter Rekursantrag schadet nicht, wenn aus dem Rekurs erkennbar ist, in welchem Umfang und mit welchem Ziel die Entscheidung des Erstgerichtes angefochten wird (SZ 47/64; zuletzt 3 Ob 62/89). Auch wenn man eine Bindung an den Rekursantrag annimmt, ließ der Rekurs der betreibenden Parteien gegen die erstgerichtliche Entscheidung das Begehren auf Abweisung des Aufschiebungsantrages mit hinreichender Deutlichkeit erkennen. Nach ständiger Rechtsprechung (SZ 59/127 mwN) erfolgt die Auflösung eines Bestandverhältnisses nach § 1118 ABGB bereits durch eine berechtigte Aufhebungserklärung. Eine Klage nach dieser Gesetzesstelle ist als Aufhebungserklärung zu werten. Hingegen wirkt die Zuweisung einer Ehewohnung nach § 87 Abs 2 EheG ex nunc, sie kann nicht rückwirkend Rechtsverhältnisse gestalten. Ein schon wirksam aufgelöstes Bestandverhältnis kann daher nicht mehr übertragen werden (EvBl 1990/95 mwN). Ein schon nach § 1118 ABGB wirksam aufgelöstes Bestandrecht kann daher nicht mehr auf den geschiedenen Ehegatten übertragen werden, auch wenn er seinen Anspruch auf dieses Bestandrecht vor der Auflösungserklärung durch einen Antrag nach den §§ 81 ff EheG bereits geltend gemacht hat. Eine derartige Antragstellung verschafft dem geschiedenen Ehegatten daher nicht die Stellung eines Eintrittsberechtigten; es kann sich nur durch einen Provisorialantrag iSd § 382 Z 8 c EO iVm § 97 ABGB vor dem Verlust der von ihm angestrebten Bestandrechte schützen. Dennoch ist der Rekurs der Aufschiebungswerberin teilweise berechtigt.

Die Aufschiebung einer Exekution ist iSd § 44 Abs.1 EO nur dann unzulässig, wenn die Klage mit hoher Wahrscheinlichkeit als aussichtslos zu beurteilen ist (MietSlg. 40.837 ua, zuletzt 3 Ob 43/90). Die Behauptung der Exszindierungsklägerin, die Wohnungen top Nr. 35 und 37 gemeinsam mit ihrem Mann angemietet zu haben, wird durch die Unterlassung eines solchen Vorbringens im Antrag auf Zuweisung der Bestandrechte im Rahmen der Regelung des ehelichen Gebrauchsvermögens noch nicht widerlegt. Die Tatsache, daß die Wohnungen top Nr. 35 bis top Nr. 37 miteinander verbunden worden sind, läßt die Frage, ob die Hauseigentümer diesen baulichen Veränderungen zugestimmt haben, zwar offen; sollte jedoch eine stillschweigende Genehmigung durch sie vorliegen, so wäre es nach der Lebenserfahrung unwahrscheinlich, daß ein dadurch geschaffenes einheitliches Wohnobjekt partiell verschiedene Mieter haben sollte. Damit erscheinen die Behauptungen der Exszindierungsklägerin nicht als von vornherein aussichtslos.

Gemäß § 44 Abs.2 Z 3 EO war die Aufschiebung jedoch unter Auferlegung einer Sicherheitsleistung zu bewilligen. Die Höhe der Sicherheitsleistung richtet sich nach den für die Dauer des Exszindierungsverfahrens zu erwartenden Mietzinsforderungen (MGA EO13 § 44/70). Wird die Sicherheitsleistung im Rechtsmittelverfahren aufgetragen, so ist für ihren Erlag eine Frist zu setzen. Die mit dem fruchtlosen Ablauf der Frist verbundenen Rechtswirkungen sind im Spruch auszudrücken (MGA EO12 § 44/56). Da die Aufschiebungswerberin aus Anlaß der ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs zuerkannten hemmenden Wirkung eine Sicherheitsleistung von S 100.000,- erlegt hat, und einer Umwidmung dieser Kaution keine aktenkundigen Hindernisse entgegenstehen, wird dem Erlagsauftrag auch mit einer fristgerechten Umwidmung entsprochen, sofern die Aufschiebungswerberin noch über den erlegten Betrag verfügungsberechtigt ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 EO iVm § 41 ZPO. Im vorliegenden Zwischenstreit hat die Aufschiebungswerberin als Beteiligte durch ihr Verhalten eine Maßnahme des Gerichtes begehrt, mit der sie teilweise erfolgreich in die Rechte der diese Maßnahme bekämpfenden betreibenden Partei eingegriffen hat. Es liegt sohin ein teilweises Obsiegen im Zwischenstreit vor. Im einseitigen Rekursverfahren zweiter Instanz hatten die betreibenden Parteien keine Kosten verzeichnet. Da die Grundsätze der Kostenteilung nach § 43 ZPO im Falle eines teilweise erfolgreichen einseitigen Rechtsmittels nicht anwendbar sind (MGA ZPO14 § 43/4), waren der Aufschiebungswerberin die Kosten auf Basis des Ersiegten zuzusprechen.

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