OGH 15Os130/90

OGH15Os130/9018.12.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Dezember 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pokorny als Schriftführerin in der Strafsache gegen Franz H*** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 129 Z 1, 130 vierter Fall StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7.September 1990, GZ 12 e Vr 3217/90-38, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben: das angefochtene Urteil, welches sonst unberührt bleibt, wird

A. im Schuldspruch lt. Pkt. 2.,

B. im Ausspruch über die gewerbsmäßige Begehung der unter Pkt. 1. beschriebenen Tat und in der darauf beruhenden rechtlichen Beurteilung des betreffenden Diebstahls auch als gewerbsmäßig begangen nach § 130 "2. Fall" StGB sowie

C. im Strafausspruch

aufgehoben; die Sache wird - zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung - an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Franz H*** darauf verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last, soweit es nicht den Schuldspruch lt. Pkt. 2. betrifft.

Text

Gründe:

Mit dem - auch den (in Rechtksraft erwachsenen) Freispruch eines Mitangeklagten enthaltenden - angefochtenen Urteil wurde Franz H***

(1.) des Verbrechens des "gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch" (gemeint: des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls) nach §§ 127, 129 Z 1, 130 "2. Fall" (gemeint: zweiter Satz; richtig:

vierter Qualifikations-Fall) StGB sowie der Vergehen (2.) der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB und (3.) des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 und Abs. 2 StGB schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobenen, auf § 281 Abs. 1 Z 5 und Z 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des genannten Angeklagten kommt teilweise Berechtigung zu.

Nicht zielführend ist die Mängelrüge (Z 5) zum Faktum 3., mit der er, ohne die dazu festgestellte Tatsachengrundlage zu bekämpfen, der Sache nach bloß das Fehlen einer rechtlichen Begründung für die Beurteilung dieses Sachverhalts - von dem er bei der Wiedergabe des Urteilstenors sein als erwiesen angenommenes einverständliches Zusammenwirken mit zwei unbekannt gebliebenen Komplizen übergeht - als in unmittelbarer Täterschaft (§ 12 erster Fall StGB) anstatt "nur" durch Bestimmungs- oder Beitragstäterschaft (§ 12 zweiter oder dritter Fall StGB) begangener unbefugter Gebrauch von Fahrzeugen (§ 136 Abs. 1 und Abs. 2 StGB) moniert.

Das Unterbleiben einer Darlegung jener Erwägungen, von denen sich das Gericht bei der Entscheidung von Rechtsfragen leiten ließ (vgl. § 270 Abs. 2 Z 5 StPO), wird nämlich vom geltend gemachten formellrechtlichen Nichtigkeitsgrund, der sich ausschließlich auf Begründungsmängel bei der Konstatierung entscheidender Tatsachen erstreckt, nicht erfaßt.

Eine allfällige materiellrechtliche Fehlbeurteilung in bezug auf die Täterschaftsformen bei mängelfrei oder (wie hier:) unbekämpft feststehendem Sachverhalt (vgl. EvBl. 1982/13 ua) aber ist, wie zur Klarstellung vermerkt sei, im Hinblick auf deren (vom Beschwerdeführer ohnehin zutreffend erkannte) rechtliche Gleichwertigkeit unter dem Aspekt einer Urteilsnichtigkeit (Z 10) jedenfalls ohne Belang (vgl. JBl. 1986, 59 uva).

Insoweit war demnach die Nichtigkeitsbeschwerde nach Anhörung der Generalprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs. 1 Z 2 StPO).

Berechtigtermaßen hingegen remonstriert der Angeklagte H*** mit Bezug auf das Tatsachensubstrat des angefochtenen Urteils in rechtlicher Hinsicht (Z 9 lit. a) gegen den Schuldspruch zum Faktum 2.

Denn dazu hat das Schöffengericht lediglich konstatiert, daß der bestimmungsgemäße Zweck der - im Tresor, der lt. Pkt. 1. gestohlen wurde, verwahrt gewesenen - tatgegenständlichen "Blanko-Flugtickets" darin lag, nach ihrer Ausfüllung dem Inhaber sein "Recht auf Inanspruchnahme eines Fluges einer Fluggesellschaft" zu garantieren, und daß es dem Beschwerdeführer möglich gewesen wäre, diese "Blankourkunden" durch entsprechendes Ausfüllen als Flugkarten gültig zu machen sowie zu verwenden oder weiterzuveräußern (US 9). Feststellungen über die Beschaffenheit der in Rede stehenden Schriftstücke vor ihrer Ausfüllung jedoch, die zwecks Prüfung ihrer Urkunden-Qualität (§ 74 Z 7 StGB) zur Tatzeit erforderlich gewesen wären, hat es nicht getroffen.

Dabei spricht freilich der Umstand, daß die Tickets noch nicht ausgefüllt waren, entgegen der Beschwerdeauffassung für sich allein keineswegs bereits zwingend gegen ihre Beurteilung als Urkunden. Können doch Schriftstücke, die zur Erfüllung der ihnen letztlich zugedachten Funktion noch der Ergänzung bedürfen, durchaus auch schon vorher einen (im Verhältnis dazu gleichwohl reduzierten) eigenständigen und rechtserheblichen Gedankeninhalt zum Ausdruck bringen, sodaß ihnen diesfalls bei Erkennbarkeit ihres Ausstellers - anders als unausgefüllten Drucksorten, unbeglaubigten Ablichtungen und einfachen Abschriften - sehr wohl Urkunden-Charakter zukommt. So sind etwa blanko unterfertigte Scheck-Formulare ungeachtet dessen, daß es zu ihrer Gültigkeit als Schecks noch weiterer Skripturakte bedarf, deswegen bereits vor ihrer Vervollständigung, sohin als "Blanko-Schecks", Urkunden iS § 74 Z 7 StGB, weil sie in ihrer damit gegebenen Form immerhin schon die Bereitschaft des Kontoinhabers dazu zeigen, daß sie nach ihrer vollständigen Ausfüllung durch den Berechtigten vom künftigen Inhaber als Schecks zur Inanspruchnahme des Aussteller-Kontos verwendet werden.

Gleichermaßen enthalten regelmäßig auch "Blanko-Flugtickets", wie sie von Fluggesellschaften oder von deren Interessenvertretern ausgestellt und Reisebüros als Vertragspartnern zum Zweck der Komplettierung und Ausgabe an Passagiere zur Verfügung gestellt werden, bereits rechtserhebliche Erklärungen ähnlicher Art des (zumeist in verkürzter Form bezeichneten, aber doch erkennbaren) Ausstellers (vgl. hiezu Kienapfel im WK § 223 RN 57, 65, 93, 95), wie etwa die Vertragsbedingungen für die Personen- und Gepäcksbeförderung, zu der sich das betreffende Flugunternehmen dem künftigen Erwerber des (vom Reisebüro zu komplettierenden) Tickets gegenüber bereit erklärt. Dazu indessen sind im Einzelfall entsprechende Konstatierungen unerläßlich.

Zum Faktum 1. hinwieder reklamiert der Angeklagte H*** der Sache nach zutreffend Feststellungsmängel des Urteils (Z 10) in bezug auf den - für die Anwendung des (höheren) Strafsatzes nach § 130 zweiter Satz StGB maßgebenden - qualifizierenden Vorwurf, er habe den Einbruchsdiebstahl gewerbsmäßig begangen (§ 130 vierter Fall StGB).

Die Annahme dieser Deliktsqualifikation setzt nämlich iS § 70 StGB voraus, daß der Täter eine derartige strafbare Handlung in der Absicht begeht, sich speziell durch ihre wiederkehrende Begehung, also durch das wiederholte Verüben von Einbruchsdiebstählen, eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (vgl. hiezu Mayerhofer/Rieder StGB3 § 70 Anm. 2, Bertel im WK § 130 Rz 10, Kienapfel BT II2 § 130 RN 11 f. mwN, Bertel/Schwaighofer BT I § 130 Rz 10). Damit aber hat sich das Erstgericht, welches sich insoweit mit der (für die bekämpfte Qualifikation demgemäß nicht tragfähigen) Feststellung begnügte, daß der Beschwerdeführer - dessen gesamte Tätigkeit auf die Begehung "strafbarer Handlungen gegen fremdes Vermögen" ausgerichtet gewesen sei (US 7), auch - den verfahrensgegenständlichen Einbruch in der Absicht begangen habe, sich durch die wiederkehrende Begehung "strafbarer Handlungen gegen fremdes Vermögen" eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen (US 15), nicht auseinandergesetzt. Im zuletzt relevierten Umfang gleichwie zum Faktum 2. und dementsprechend auch in Ansehung des Strafausspruchs war daher - gleichfalls nach Anhörung der Generalprokuratur schon in nichtöffentlicher Sitzung - sogleich die Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz anzuordnen (§ 285 e StPO).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte H*** darauf zu verweisen.

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