OGH 4Ob156/90

OGH4Ob156/9018.12.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*** Zeitungs- und Zeitschriftenverlag Gesellschaft mbH & Co KG, Wien 19., Muthgasse 2, vertreten durch Dr. Ewald Weiß, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei "DIE G*** W***" Zeitschriftengesellschaft mbH, Wien 16., Odoakergasse 34-36, vertreten durch Dr. Michael Graff, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren: 480.000 S; Revisionsrekursinteresse:

160.000 S), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 14. September 1990, GZ 5 R 58/90-8, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 2. Februar 1990, GZ 37 Cg 91/90-4, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; die angefochtene einstweilige Verfügung wird dahin abgeändert, daß zu Punkt c) des Sicherungsantrages der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 22.789,08 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten 3.798,18 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägein ist Verlegerin (u.a.) der Tageszeitungen "Neue Kronen-Zeitung" und "Kurier"; die Beklagte ist Medieninhaberin und Verlegerin der Wochenzeitung "Die ganze Woche".

Die wöchentlich erscheinende Druckschrift "intern" ist eine Fachzeitschrift für Werbeleute; sie wird an Werbeagenturen vertrieben. In der Nr. 51/89 dieser Zeitschrift vom 18. Dezember 1989 erschien unter dem Titel "Die ganze Wahrheit über Die ganze Woche" eine insgesamt vierseitige Werbeeinschaltung der Beklagten, deren dritte Seite wie folgt lautete:

Abbildung nicht darstellbar!

Mit der Behauptung, die Beklagte habe mit ihrer Werbeeinschaltung die Mitbewerber und insbesondere die Klägerin, deren Tageszeitungen nur im Schwarz-Weiß-Druck bzw. im Rotationsdruck erscheinen, pauschal herabgesetzt und damit gegen § 1 UWG verstoßen, weil sie den umworbenen Inseratenkunden unterstellt habe, daß sie schon öfter mit dem Druckbild in Tageszeitungen unzufrieden gewesen seien, beantragt die Klägerin - soweit für das vorliegende Revisionsrekursverfahren noch von Interesse - zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs unter ausdrücklicher oder erkennbarer Bezugnahme auf die Klägerin oder die von der Klägerin verlegten periodischen Druckschriften ("Neue Kronen-Zeitung", "Kurier", "Bezirksjournale", "Rennbahn-Expreß") herabsetzende und/oder unrichtige Behauptungen aufzustellen und/oder zu verbreiten, nämlich (c) "Sie haben mehr als einmal über den unbefriedigenden Druckauftritt Ihrer schönen Anzeige in manchen Tageszeitungen geflucht" oder Behauptungen bedeutungsähnlichen Inhalts.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Der hier in Rede stehende Text sei so allgemein gehalten, daß darin keine konkrete Herabsetzung von Mitbewerbern zu sehen sei, zumal in keiner Weise auf konkrete Mitbewerber und schon gar nicht auf die Klägerin Bezug genommen worden sei.

Das Erstgricht wies den Sicherungsantrag ab. Mit dem hier beanstandeten Qualitätsvergleich habe die Beklagte nicht eindeutig auf konkrete, erkennbare Mitbewerber Bezug genommen. Der Kreis der Tageszeitungen sei keineswegs so klein und so leicht überschaubar, daß auch ohne namentliche Nennung die Klägerin oder die von ihr verlegten Tageszeitungen eindeutig als gemeint erkennbar wären. Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Allgemein bekannt sei, daß auf dem österreichischen Tagespressemarkt Anfang 1990 dreizehn sogenannte unabhängige und vier sogenannte Parteizeitungen existiert hätten; davon wiesen allein die "Neue Kronen-Zeitung" und der "Kurier" als die beiden auflagenstärksten Tageszeitungen einen Druckauflagenanteil von 39 % und 16 % auf. Das sei auch den angesprochenen Kreisen der Werbebranche bekannt, so daß diese die beanstandete Werbebehauptung auch auf die beiden auflagenstärksten Tageszeitungen der Klägerin bezögen, welche daher mit ihren Inseraten im Schwarz-Weiß-Druck zumindest mitbetroffen seien. Nichts anderes ergebe sich auch bei einer Beurteilung nach dem Gesamteindruck der beanstandeten Werbeankündigung unter Einbeziehung der bildlichen Darstellung auf der vorangehenden Seite, welche nur die Beklagte als "stattlichen" Reiter zeige, die vier anderen "lahmen" Reiter aber als ihre Konkurrenten auf dem Medienmarkt, somit auch auf dem Gebiet des Pressewesens, erscheinen lasse. Damit habe die Beklagte die Leistungen der Klägerin in sittenwidriger Weise (§ 1 UWG) als minderwertig dargestellt und sie so in der Öffentlichkeit herabgesetzt.

Gegen die einstweilige Verfügung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses auch in diesem Umfang.

Die Klägerin stellt den Antrag, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen der Meinung der Klägerin schon deshalb zulässig, weil die zufolge gehörig ausgeführter Rechtsrüge gebotene allseitige rechtliche Überprüfung ergibt, daß die Entscheidung des Rekursgerichtes mit der neuen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur wahrheitsgemäßen vergleichenden Werbung nicht im Einklang steht; auf die Frage, ob die Klägerin mit ihren beiden Tageszeitungen von der beanstandeten Werbeaussage zumindest erkennbar mitbetroffen wurde, kommt es daher gar nicht mehr an. Darüber hinaus ist aber auch klar, daß der Obersatz des beantragten und erlassenen Verbotes in bezug auf die namentlich genannten "Bezirksjournale" und auf den "Rennbahn-Expreß" sowie auf die dort aufscheinende Qualifizierung der Behauptung als "und/oder unrichtig" zu weit geht, weil die Beklagte mit ihrer Äußerung nur auf Tageszeitungen Bezug genommen hat und die Unrichtigkeit des in Rede stehenden Werbevergleiches von der Klägerin weder behauptet wurde noch evident ist. Der Revisionsrekurs ist danach schon aus folgenden Gründen im Ergebnis berechtigt:

Das Rekursgericht hat an sich zutreffend erkannt, daß die beanstandete Werbeaussage der Beklagten im Rahmen eines Qualitätsvergleiches zwischen dem Inseratendruck und ihrer Wochenzeitung und demjenigen in manchen Tageszeitungen gemacht worden ist und sich auf Grund ihrer Einschaltung in einem an Werbeagenturen vertriebenen Fachorgan an ein entsprechend fachkundiges Publikum gewendet hat. Wenngleich eine Werbeeinschaltung grundsätzlich stets nach ihrem Gesamteindruck zu beurteilen ist (MR 1990, 148 uva), so muß doch im vorliegenden Fall entgegen der Meinung des Rekursgerichtes die bildliche Darstellung auf der vorhergehenden Seite schon deshalb außer Betracht bleiben, weil sie im Begehren der Klägerin keinen Niederschlag gefunden hat. Die Beklagte hat durch den Text unmittelbar vor und nach dem beanstandeten Satz ihrer Werbeeinschaltung klargestellt, daß sie sich damit an jene Inseratenkunden wendet, denen Druckqualität schon immer ein Anliegen war; für diese weist sie darauf hin, daß sie bei ihr im Tiefdruck mit ihrer Farbenpracht richtig lägen. Das angesprochene fachkundige Publikum wird daher die beanstandete Werbeaussage in dem hier maßgeblichen Zusammenhang dahin verstehen, daß die Druckqualität von Inseraten in der Wochenzeitung der Beklagten besser sei als in manchen Tageszeitungen, weil die Beklagte die Inserate im Tiefdruckverfahren mit Farbdruck herstelle, während manche Tageszeitungen - darunter nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin auch die "Neue Kronen-Zeitung" und der "Kurier" - im Rotationsdruckverfahren hergestellt wurden. Das bedeutet aber nach den Behauptungen der Beklagten, daß solche Inserate eine geringere Druckqualität aufweisen und im allgemeinen nur im Schwarz-Weiß-Druck erscheinen. Ein solcher wahrer und sachlicher Qualitätsvergleich ist jedoch nach der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zulässig: Mit der Entscheidung ÖBl 1990, 154, ist der erkennende Senat von der bisherigen Rechtsprechung zur wahrheitsgemäßen vergleichenden Werbung abgegangen; er sieht diese nunmehr im Lichte einer verfassungskonformen Auslegung der UWG-Novelle 1988 als grundsätzlich zulässig an, sofern sie nicht im Sinne des § 2 UWG zur Irreführung geeignet ist oder - etwa durch Pauschalabwertungen, unnötige Bloßstellungen oder aggressive Tendenzen - das Sachlichkeitsgebot verletzt (§ 1 UWG).

Die Klägerin hat die sachliche Richtigkeit der von ihr beanstandeten Werbebehauptung gar nicht in Zweifel gezogen; sie erblickt darin vielmehr einen herabsetzenden Hinweis auf die Minderwertigkeit ihrer eigenen Leistungen in bezug auf Inserate in ihren beiden Tageszeitungen, den sie aber nunmehr im Rahmen eines wahren Qualitätsvergleiches hinnehmen muß. Entgegen der Meinung der Klägerin und des Rekursgerichtes hat die Beklagte auch das Sachlichkeitsgebot nicht verletzt: Eine mit bloßen Schlagworten operierende Pauschalabwertung liegt schon deshalb nicht vor, weil dem angesprochenen fachkundigen Publikum mit dem Hinweis auf das von der Beklagten angewendete Tiefdruckverfahren und auf den Farbdruck ihrer Inserate ausreichende Gelegenheit zu einer objektiven Nachprüfung des Qualitätsvergleiches geboten wurde. Ein Verstoß gegen § 1 UWG liegt daher nicht vor.

In Stattgebung des Revisionsrekurses war demnach der erstgerichtliche Beschluß in dem hier maßgebenden Umfang wiederherzustellen. Das hat auch eine Änderung des Kostenausspruches im Rekursverfahren zur Folge: Die Entscheidung über die Kosten der Beklagten in zweiter und dritter Instanz gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 2 EO in Verbindung mit §§ 41, 50 und 52 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat nunmehr auch in zweiter Instanz zur Gänze obsiegt, so daß ihr Kosten auf der Basis des Gesamtstreitwertes zuzusprechen waren. Für das Revisionsrekursverfahren erfolgte der Kostenzuspruch auf der Basis des Revisionsrekursinteresses von 160.000 S.

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