OGH 6Ob679/90 (6Ob680/90, 6Ob681/90, 6Ob682/90)

OGH6Ob679/90 (6Ob680/90, 6Ob681/90, 6Ob682/90)29.11.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Kellner als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei Hiltraud S***, Hotelier, Klagenfurt, Villacherstraße 338, vertreten durch Dr. Peter Krassnig, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagten Parteien 1.) Johanna S***, Pensionistin, und

2.) Richard S***, Programmierer, beide wohnhaft in Poggersdorf, Landesstraße 19, beide vertreten durch Dr. Gert Paulsen und Dr. Herbert Felsberger, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen 29.760,40 S (6 C 481/89g), 29.051,45 S (6 C 541/89f), 29.600,84 S (6 C 647/89v) und 29.389,86 S (6 C 665/89s), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 21. September 1990, GZ 1 R 424-427/90-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 28. Juni 1990, GZ 6 C 481/89g-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin betreibt ein Hotel. Ihr Gatte ist in ihrem gastgewerblichen Betrieb tätig und besitzt Kenntnisse und Erfahrungen im Hotelwesen. Die erste Beklagte war Gewerbetreibende, ihr Sohn, der zweite Beklagte ist Programmierer. Dieser strebte eine Zusammenarbeit mit dem Gatten der Klägerin zur gemeinsamen wirtschaftlichen Nutzung ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem Gebiet der Gastronomie einerseits und dem der Informatik andererseits durch Erstellung von Computerprogrammen für Gastgewerbebetriebe und Vermarktung solcher Programme an. Ein gegen den Ehemann der Klägerin anhängiges Konkursverfahren sowie mangelnde gewerberechtliche Befähigungen des Zweitbeklagten waren die Gründe dafür, daß in der angestrebten rechtlichen Grundlage für die beabsichtigte wirtschaftliche Zusammenarbeit einerseits die erste Beklagte für ihren Sohn und anderseits die Klägerin für ihren Ehemann gesellschaftsrechtliche Funktionen auf sich nehmen sollten. So hatten die Klägerin und der zweite Beklagte zunächst 1986 die Gründung einer Kommanditgesellschaft beabsichtigt, in welcher der zweite Beklagte persönlich haftender Gesellschafter und die Klägerin Kommanditistin sein sollten. Auf dieser Grundlage nahm die Gesellschaft unter der vorgesehenen Gesellschaftsfirma einen Geschäftsbetrieb auf und setzte diesen auch nach einer registergerichtlichen Ablehnung einer Eintragung der Kommanditgesellschaft in das Handelsregister fort.

Am 27.Juli 1987 kamen die Beklagten sowie die Klägerin und deren Ehemann in Anwesenheit des Steuerberaters der Gesellschaft überein, die gemeinsamen Geschäfte im Rahmen eines Einzelunternehmens der ersten Beklagten zu führen: Die Klägerin sollte als "stille Gesellschafterin" mit einer Gewinnbeteiligung von 50 % volles Einsichtsrecht in die Geschäftsunterlagen sowie ein Mitwirkungsrecht bei allen größeren Anschaffungen haben und über das Bankkonto des Unternehmens gemeinsam mit der ersten Beklagten (im Ersturteil offenbar irrig: Zweitbeklagten) verfügungsberechtigt sein. Die Klägerin sollte für Unternehmenszwecke einen Büroraum gegen eine Monatsmiete von 1.500 S zuzüglich eines Betriebskostenpauschalbetrages von 500 S zur Verfügung stellen. Die Telefonspesen für das unter dem Namen der ersten Beklagten zu führende Einzelunternehmen sollten der Klägerin (nach dem Summenzähler im Hotel) vergütet werden. Die Geldgebarung und die Buchhaltung sollten nach näher festgelegten Regelungen erfolgen. Eine Vertragsurkunde über diese Form der Zusammenarbeit wurde nicht errichtet.

Ab 1.August 1987 führte die erste Beklagte das Unternehmen im Sinne der vorgesehenen Regelungen unter ihrem Namen. Die Klägerin stellte ihr monatlich für die Raumnutzung 2.000 S sowie je Person einen Essensbeitrag von 1.750 S in Rechnung. Außerdem stellte die Klägerin die Telefonspesen sowie Zahlungen für Büromaterial und ähnliches in Rechnung.

Im Zuge einer am 19.Juli 1988 abgehaltenen Besprechung kamen die beiden Beklagten mit der Klägerin und ihrem Ehemann in Gegenwart des für das Unternehmen tätigen Steuerberaters und zweier Rechtsanwälte überein, das Mietverhältnis (zum 31.Juli 1988) zu beenden und einzelne Punkte der Zusammenarbeit zu ändern. Anfang August 1988 einigten sich die Beteiligten aber auf eine Beendigung ihrer vertraglichen Zusammenarbeit.

Anläßlich einer am 16.September 1988 stattgefundenen Besprechung zur vermögensrechtlichen Auseinandersetzung anerkannte der zweite Beklagte unter Zustimmung der ersten Beklagten einen zugunsten der Klägerin bestehenden "Saldo" in der Höhe von 210.924,20 S, ohne daß dieser Betrag näher aufgeschlüsselt worden wäre. Es handelte sich um die noch unberichtigten Forderungen der Klägerin an die Beklagten aus Konsumationen im Hotel, Auslagen für Büromaterial, Spesen und Akontozahlungen. Die "übrigen Firmenwerte" sollten durch zwei namentlich genannte Steuerberater bilanzmäßig erfaßt, dabei vor allem auch die entwickelten Computerprogramme einvernehmlich bewertet und auf dieser Grundlage die Auseinandersetzung vorgenommen werden. Über die Vorgangsweise zur Bilanzerstellung erzielten die Streitteile noch im anhängigen Rechtsstreit eine Übereinkunft. Aus welchen Gründen es dann aber bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht zur einvernehmlichen Bilanzerstellung gekommen ist, war nicht festzustellen. Die Klägerin brachte am 23.Juni 1989 gegen die Beklagten eine Klage im Mahnverfahren an, mit der sie unter Anführung von 12 Rechnungen mit Ausstellungsdaten zwischen 19.Februar und 31. Dezember 1987 für "Konsumationen der beklagten Parteien in meinem Hotel" insgesamt 29.760,40 S begehrte.

Am 14.Juli 1989 brachte die Klägerin gegen die Beklagten eine zweite Klage im Mahnverfahren an, mit der sie unter Anführung von 12 weiteren Rechnungen mit Ausstellungsdaten zwischen 5.März und 31. Dezember 1987 ebenfalls für "Konsumationen der beklagten Parteien in meinem Hotel" weitere 29.051,45 S begehrte.

Mit der am 23.August 1987 angebrachten dritten Klage im Mahnverfahren begehrte die Klägerin von den Beklagten unter Anführung von 12 Rechnungen mit Ausstellungsdaten zwischen 6.Februar und 16.Dezember 1987 sowie zweier Rechnungen vom 30.Juli 1988 "für Konsumationen sowie Benützung von Telefon und diversen Räumlichkeiten (Miete) der beklagten Parteien in meinem Hotel" 29.600,84 S.

Mit einer vierten, am 28.August 1989 angebrachten Klage im Mahnverfahren schließlich begehrte die Klägerin von den beiden Beklagten unter Anführung von 13 Rechnungen mit Ausstellungsdaten zwischen 5.März und 21.Dezember 1987 für "Konsumationen der beklagten Parteien in meinem Hotel" 29.389,86 S.

Das Prozeßgericht verband nach der Erhebung von Einsprüchen gegen die nach dem jeweiligen Klagebegehren erlassenen Zahlungsbefehle die durch die Mahnklagen eingeleiteten Rechtsstreite zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Im Zuge der Verhandlung behauptete die Klägerin unter anderem, beide Beklagten hätten ihr gegenüber anerkannt, daß aus Leistungen (nach Art der der Klage zugrundegelegten) "ein Saldo von ca S 210.000 offen" sei. Das Prozeßgericht erster Instanz wies sämtliche Klagebegehren ab. Es nahm ein konstitutives Anerkenntnis der Beklagten vom 16. September 1988 in Ansehung eines "Saldos" in der Höhe von 210.924,20 S zugunsten der Klägerin an, der zwar nicht näher aufgeschlüsselt worden sei, aber die nach den Klagserzählungen noch unberichtigten Forderungen erfaßt habe, jedoch erst im Zuge der nach einer Bilanzerstellung vorzunehmenden Auseinandersetzung zu berichtigen sein werde. Nach dieser Regelung seien aber die Klagsforderungen noch nicht fällig. Zur Teileinklagung nahm das Prozeßgericht erster Instanz lediglich mit folgendem Satz Stellung:

"Daß die Klägerin mehrere Einzelforderungen geltend macht, vermag einem Erfolg der Klägerin nicht im Wege zu stehen."

Das Berufungsgericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil. Dazu sprach es aus, daß die Revision gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig sei. Es unterstellte eine kontokorrentmäßige Saldofeststellung und nahm ein Anerkenntnis des festgestellten Saldos durch die Beklagten an. Daraus folgerte das Berufungsgericht das Erlöschen der in die Verrechnung eingestellten Einzelforderungen. Dazu führte das Berufungsgericht wörtlich aus, es ginge nicht an, "aus dem anerkannten Saldo einzelne Teilforderungen herauszugreifen und diese Forderungen zum Gegenstand mehrerer Klagen zu machen. Dies wäre nur möglich, wenn die klagsgegenständlichen Einzelforderungen vom Anerkenntnis nicht umfaßt wären, was aber gar nicht behauptet wurde und wogegen auch der Umstand spricht, daß die Klägerin selbst sich hinsichtlich der Einzelforderungen auf das Anerkenntnis des Saldos stützt."

Zum Revisionszulässigkeitsausspruch führte das Berufungsgericht aus, daß die Streitwerte mehrerer zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtsstreitigkeiten in Ansehung der Revisionsgrenzen nicht zusammenzurechnen seien, der Streitwert aber in keinem einzelnen Verfahren 50.000 S übersteige.

Die Klägerin ficht das bestätigende Berufungsurteil mit außerordentlicher Revision wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (und auch des erstinstanzlichen Verfahrens) sowie wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem auf Klagsstattgebung zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Zur Rechtsmittelzulässigkeit unterstellt die Revisionswerberin einen aus der Summe der in den vier verbundenen Rechtsstreitigkeiten gebildeten einheitlichen Entscheidungsgegenstand von 117.802,55 S und führte dazu wörtlich aus: "Diese Forderung nun wieder in Teilforderungen zu zerlegen, um den Zugang zum Obersten Gerichtshof abzuschneiden, ist weder billig noch zulässig."

Dazu ist zu erwägen:

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin hat - offenkundig im Hinblick auf die damalige Wertgrenze des § 448 Abs 1 ZPO - es für zweckmäßig befunden, ihre Forderungen für die innerhalb einer abgelaufenen Zeitspanne erbrachten Leistungen, ohne ersichtlichen Grund für die jeweils erfolgten Zusammenfassungen, in vier selbständigen Klagen geltend zu machen. Sie hat durch diese Prozeßführungstaktik bewirkt, daß vier selbständige Streitgegenstände vorliegen. Daran änderte sich auch durch die im prozeßökonomischen Ermessen des Gerichtes gestandene Verbindung der vier Rechtsstreitigkeiten zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung nichts.

Der tatsächliche oder rechtliche Zusammenhang mehrerer von einer gegen eine andere Partei verfolgten Ansprüche ist nach § 55 Abs 1 JN nur insoweit für eine Zusammenrechnung erheblich, als diese mehreren Ansprüche in ein und derselben Klage geltend gemacht werden. Das gilt auch für die Bestimmung des Wertes des Entscheidungsgegenstandes im Sinne des § 502 Abs 2 ZPO bei einer gemäß § 500 Abs 3 ZPO sinngemäß erfolgenden Anwendung des § 55 Abs 1

JN.

Ob die nach der Wertgrenzen-Novelle 1989 im § 500 Abs 3 ZPO ausdrücklich angeordnete sinngemäße Anwendung des § 55 Abs 3 JN dazu zwingt, bei der Bewertung des Entscheidungsgegenstandes einer angefochtenen zweitinstanzlichen Entscheidung anstelle eines tatsächlich eingeklagten Teilbetrages den Gesamtbetrag der noch unberichtigten Kapitalforderung heranzuziehen, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben:

Die Revisionswerberin hat nach dem Vorbringen in ihren vier Klagen jeweils eine Summe von Einzelforderungen behauptet und keine einheitliche Gesamtforderung, von der sie aus nicht näher offengelegten Gründen und nach nicht erkennbaren Gesichtspunkten jeweils nur Teilbeträge gefordert hätte. An dieser Charakteristik der von ihr behaupteten Ansprüche änderte sich auch nichts durch die Behauptung eines Anerkenntnisses, das nach dem Prozeßvorbringen der Klägerin nicht als konstitutives Anerkenntnis zu qualifizieren gewesen wäre. Schon gar nicht behauptete die Klägerin eine vereinbarungsgemäße Einstellung ihrer einzelnen Forderungen in ein Kontokorrent und die Feststellung und Anerkennung eines einvernehmlich gezognen Saldos. Nach dem für die Charakterisierung der geltend gemachten Ansprüche maßgebenden Vorbringen der Klägerin ist von der Geltendmachung einer Summe von Einzelforderungen auszugehen, die in einem nach § 55 Abs 1 JN genannten Zusammenhang stehen mögen, der aber nur insofern erheblich sein könnte, als die mehreren Ansprüche in einer Klage geltend gemacht wurden. In keinem einzigen der zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtsstreite machte die Klägerin einen 50.000 S übersteigenden Geldbetrag geltend.

Die im berufungsgerichtlichen Ausspruch nach § 500 Abs 2 Z 2 ZPO zum Ausdruck gebrachte Ansicht, gegen die die Rechtsmittelwerberin auch kein sachlich ausgeführtes Argument vorzubringen wußte, trifft zu.

Die außerordentliche Revision ist gemäß § 502 Abs 2 JN unzulässig und aus diesem Grunde zurückzuweisen.

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