Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte und widerklagende Partei ist schuldig, der klagenden und widerbeklagten Partei die mit S 6.789,60 (darin S 1.131,60 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Streitteile waren vom 22. Oktober 1951 bis zur einvernehmlichen Scheidung ihrer Ehe mit Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 24. August 1984, GZ 21 Sch 123/84-3, verheiratet. Sie schlossen am 26. November 1985 zum zweiten Mal die Ehe.
Der Mann erhob am 9. Mai 1989 die Klage auf Scheidung dieser Ehe aus dem Verschulden der Frau, die ihn nur zur Sicherung ihrer Versorgung wieder geheiratet habe, ihre Beziehung zu einem anderen Mann aber nicht abbrechen wolle.
Die Frau sprach sich nicht gegen eine Scheidung der Ehe aus und beantragte zunächst nur die Feststellung des überwiegenden Verschuldens des Mannes, der sie in der schwierigen Lage im Stich gelassen habe, als ihr Bekannter die Scheidung seiner Ehe durchgesetzt hatte und die Beziehung zu ihr aufrecht halten wollte. Sie besuche den anderen Mann zwar mehrmals wöchentlich, aber nur um ihn wegen seiner Leiden zu betreuen.
Am 25. August 1989 brachte die Frau ihre Widerklage ein. Sie begehrte die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Mannes. Er habe sie vernachlässigt und ihr keine Hilfestellung geboten, als ihr Bekannter sie wieder gewinnen wollte. Der Mann habe zugestimmt, daß sie ihren Bekannten besuche, um ihm die nötige Betreuung zu bieten, ein getrenntes Leben geführt und keinen Unterhalt gewährt. Das Erstgericht hat die Ehe geschieden und ausgesprochen, daß das Verschulden die Frau trifft. Das auf Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Mannes gerichtete Begehren der Frau wies das Erstgericht ab. Es stellte im wesentlichen fest, daß die Frau den Mann im April 1984 um die Scheidung der ersten Ehe gebeten hatte und zu einem Mann in die Bundesrepublik Deutschland übersiedelt war, den sie schon seit Jahren kannte. Es war beabsichtigt, daß sie diesen Mann heiratet, doch mußte erst seine Ehe geschieden werden. Da die Frau an Heimweh litt und ihr geschiedener Mann wieder mit ihr Kontakt gesucht hatte, entschlossen sich die beiden, zum zweiten Mal zu heiraten. Die Frau kehrte zu ihrem Mann zurück. Dennoch brach sie den Kontakt zu dem anderen Mann, dessen Scheidung inzwischen ausgesprochen worden war, nicht ab und verweigerte jede körperliche Beziehung zum Ehemann, den dieser Verlauf der zweiten Ehe enttäuschte. Der andere Mann erhob Vorwürfe, der Ehemann habe die Frau zurückgeholt und damit sein Leben zerstört. Beide Teile dachten erneut an Scheidung. Der Bekannte der Frau hoffte darauf und auf Fortsetzung seiner Beziehungen und übersiedelte in die Nähe der Wohnung der Eheleute. Der Ehemann empfand es als erniedrigend, daß seine Frau die Kontakte zu dem andern Mann nicht konsequent abgebrochen hatte. Sie besuchte diesen anderen Mann regelmäßig mehrmals in der Woche, arbeitete in seinem Haushalt und ging mit ihm spazieren. Sie war durch die Verbindung nervlich belastet. Sie verbrachte mit dem Bekannten im Jahr 1987 einen zweiwöchigen Urlaub. Die Frau bereitet dem Mann seit 1986 nur mehr das Frühstück zu, reinigte aber weiter die Ehewohnung. Eine ehewidrige Beziehung des Mannes wurde nicht erwiesen. Beide Streitteile erachten ihre Ehe als zerrüttet.
Das Erstgericht meinte, die Ehe sei durch schwere Eheverfehlungen der Frau unheilbar zerrüttet, die nicht die Kraft oder nicht den Willen gezeigt habe, ihre Beziehung zu dem Bekannten zu beenden. Dem Mann könne nicht vorgeworfen werden, daß er sich nicht energischer gegen die Fortsetzung dieser Beziehung gewandt habe. Der Mann habe der Frau zwar weniger als den üblichen Unterhalt zukommen lassen, doch könne ihm dies wegen des ehewidrigen Verhaltens der Frau, das zur Verwirkung des Unterhaltsanspruches führen konnte, nicht zum Vorwurf gemacht werden. Eheverfehlungen auf seiner Seite lägen nicht vor. Dagegen stellte das fortgesetzte ehewidrige Verhalten der Frau eine Einheit dar, das die Scheidung und den Ausspruch rechtfertige, daß sie das Verschulden trage. Das Berufungsgericht bestätigte und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es übernahm die erstrichterlichen Feststellungen und teilte im wesentlichen die Rechtsmeinung des Erstgerichtes. Die erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO erblickte das Berufungsgericht darin, daß es rechtlich meinte, der Berufungsantrag der Frau auf Abänderung in die Stattgebung ihrer Widerklage und den Ausspruch des Alleinverschuldens des Mannes sei verfehlt, weil die Frau (ursprünglich) dem Scheidungsbegehren des Mannes nicht entgegentrat und nur einen Mitschuldantrag stellte. Diesen Prozeßstandpunkt habe sie in der Folge trotz Erhebung der Widerklage auf Scheidung aus dem Verschulden des Mannes und Verbindung der beiden Prozesse zu gemeinsamer Verhandlung nicht geändert. Das Hauptbegehren der Berufungswerberin sei schon aus diesem formalen Grund nicht berechtigt. Die Bedeutung dieser Beurteilung gehe über den konkreten Prozeß hinaus.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Frau ist entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes unzulässig.
Das Berufungsgericht hat übersehen, daß es auf die Lösung der aufgeworfenen Rechtsfrage in diesem Rechtsstreit gar nicht ankommt. Denn ungeachtet der Einlassungserklärung der Frau war nach Erhebung der Widerklage im verbundenen Rechtsstreit klar, worauf das Begehren der Streitteile gerichtet war: Die Ehe sollte geschieden und das Verschulden des anderen Teils ausgesprochen werden. Da aber das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit dem Erstgericht auf Grund des erwiesenen Sachverhalts allein auf Seiten der Frau schwere Eheverfehlungen annahm und die unheilbare Zerrüttung der Ehe außer Streit steht, konnte es schon deshalb nur zu dem Ausspruch kommen, daß die Frau die Schuld an der Scheidung trägt. Die Formalbegründung, aus dem Alleinverschulden des Mannes könne nicht geschieden werden, weil die Frau nicht die Abweisung seines Scheidungsbegehrens, sondern nur den Ausspruch seines überwiegenden Mitverschuldens beantragt habe, kommt im Ergebnis gar nicht zum Tragen. Die Entscheidung wäre nicht anders ausgefallen, hätte die Beklagte von Anfang an die Abweisung der Scheidungsklage des Mannes und ihre Widerklage verfolgt. Damit fehlt aber der aufgeworfenen Rechtsfrage die Relevanz iSd § 502 Abs 1 ZPO, weil die Entscheidung von der Lösung dieser Rechtsfrage nicht abhängt.
Eine andere die Zulässigkeit der Revision begründende erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zeigt die Revisionswerberin nicht auf. Sie versucht weitgehend einen unzulässigen Angriff gegen die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen und meint, das Berufungsgericht habe sich in rechtsirriger Meinung mit ihrem Hauptantrag nicht befaßt. Diese Rechtsrüge geht ins Leere, denn wenn die Ehe wegen Vorliegens von Eheverfehlungen der Frau zu scheiden ist und Verfehlungen des Mannes nicht als erwiesen angenommen werden, so daß sogar der Ausspruch abgelehnt wird, daß beide Ehegatten für schuldig erklärt werden (§ 60 Abs 2 EheG), kommt schon deshalb eine Scheidung aus dem Verschulden des Mannes nicht in Betracht, und nicht etwa wegen Versäumung einer Prozeßerklärung durch die Frau.
Soweit in der Revision eine Zerlegung der einzelnen der Frau zum Vorwurf gemachten Beziehungsschritte und demnach die Annahme ihrer Verfristung und/oder Verzeihung gefordert wird, hat das Berufungsgericht in Einklang mit bestehender und nicht anzuzweifelnder Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entschieden (EFSlg 54.448, 57,199 uva). Eine Verzeihung liegt noch nicht darin, daß der Mann nicht heftiger und früher Schritte gesetzt hat. Verzeihung ist nur anzunehmen, wenn der gekränkte Ehepartner zum Ausdruck bringt, daß er das Fehlverhalten des Partners nicht als solches empfindet und zur vorbehaltslosen Fortsetzung der Ehe bereit ist (EFSlg 57.185 uva).
Es fehlt daher an einer Rechtsfrage erheblicher Bedeutung, von deren Lösung die Entscheidung abhängt, so daß es an der seit der WGN 1989 auch im Verfahren über eine Ehescheidung erforderlichen Voraussetzung der Revisionszulässigkeit nach dem § 502 Abs 1 ZPO mangelt. An den Ausspruch des Berufungsgerichtes ist das Revisionsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 508 a Abs 1 ZPO).
Die Revision ist unzulässig und zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Der Revisionsgegner hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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