OGH 2Ob608/90 (2Ob609/90)

OGH2Ob608/90 (2Ob609/90)21.11.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Melber, Dr. Zehetner und Dr. Kellner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden, widerbeklagten und gefährdeten Partei Adelheid H***, Krankenschwester, Graben 34, 4870 Vöcklamarkt, vertreten durch Dr. Martin Morscher, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wider den Beklagten, Widerkläger und Gegner der gefährdeten Partei Helmut H***, ÖBB-Bediensteter, Reichenschwall 23, 4400 Steyr, vertreten durch Dr. Josef Lechner und Dr. Wirleitner, Rechtsanwälte in Steyr, wegen Ehescheidung, Unterhalt und einstweiligen Unterhaltes infolge Revisionsrekurses der klagenden, widerbeklagten und gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 25. Juli 1990, GZ 3 R 187,188/90-40a, womit der Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 8. Juni 1990, GZ 5 Cg 58/89-27, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende, widerbeklagte und gefährdete Partei ist schuldig, dem Beklagten, Widerkläger und Gegner der gefährdeten Partei binnen 14 Tagen die mit S 3.264 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin enthalten S 544 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin, Widerbeklagte und gefährdete Partei (im folgenden: Klägerin) brachte am 14.8.1986 eine Klage und einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ein. Sie begehrte mit Urteil die Scheidung der Ehe auszusprechen und den Beklagten, Widerkläger und Gegner der gefährdeten Partei (im folgenden: Beklagter) zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von S 3.500 ab rechtskräftiger Ehescheidung zu verpflichten. Weiters begehrte sie, den Beklagten zur Leistung einstweiligen Unterhaltes zu verpflichten, und zwar der Klägerin bis zur Rechtskraft der Scheidung S 3.500 monatlich und den drei ehelichen Kindern S 2.370, S 2.370 und S 3.220 monatlich. Nachdem Ruhen des Verfahrens eingetreten war, zog der damalige Vertreter der Klägerin am 22.9.1986 den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zurück.

Mit dem am 30.3.1990 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz ON 17 "modifizierte" die Klägerin ihren Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung dahin, daß der Beklagte schuldig sei, der Klägerin für die Monate Oktober und November 1989 einen monatlichen Betrag von je S 6.500 sowie ab Dezember 1989 einen monatlichen Betrag von S 3.000, sohin einen bereits fälligen Unterhaltsbeitrag von S 25.000 sowie ab sofort jeweils zum Ersten eines jeden Monates im vorhinein einen Betrag von S 3.000 zu bezahlen. Auch für die Kinder wurde neuerlich einstweiliger Unterhalt gefordert. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 24.4.1990 dehnte die Klägerin ihr Begehren auf Zuerkennung einstweiligen Unterhaltes für sich selbst auf S 8.000 monatlich ab Oktober 1989 aus. Sie dehnte auch ihr Urteilsbegehren auf Zuspruch eines Unterhaltsbetrages ab Rechtskraft der Scheidung aus.

Das Erstgericht trug dem Beklagten auf, der Klägerin monatliche Unterhaltsbeträge zu bezahlen, und zwar für die Monate Oktober und November 1989 S 4.000, für Dezember 1989 S 3.000 und ab 1.1.1990 S 4.500, sohin einen bereits fällig gewordenen Unterhaltsbetrag von S 24.500, sowie ab 1.4.1990 jeweils zum Ersten eines jeden Monates im vorhinein S 4.500. Für die Kinder wurde ebenfalls einstweiliger Unterhalt zuerkannt. Das Mehrbegehren wies das Erstgericht ab. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten, mit dem der stattgebende Teil der einstweiligen Verfügung zur Gänze angefochten worden war, teilweise Folge und änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß der Beklagte der Klägerin einen einstweiligen Unterhalt von S 3.000 monatlich vom 30.3.1990 bis 23.4.1990 und von S 4.500 monatlich vom 24.4.1990 bis zur rechtskräftigen Beendigung des Ehescheidungsverfahrens zu leisten habe. Das Mehrbegehren an einstweiligem Unterhalt für die Klägerin sowie das Begehren auf Leistung einstweiligen Unterhaltes für die Kinder wurde abgewiesen. Der Revisionsrekurs wurde für zulässig erklärt. Das Gericht zweiter Instanz führte zur Abweisung des Antrages auf Zuerkennung einstweiligen Unterhaltes für die Klägerin für die Zeit von Oktober 1989 bis 29. März 1990 aus, nach der neuen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes könnten Unterhaltsansprüche grundsätzlich auch für die Vergangenheit gestellt werden. Dies könne aber nicht im Provisorialverfahren gelten. Zweck des einstweiligen Unterhaltes sei es, dem Unterhaltsberechtigten für die Dauer des Prozesses die zur Deckung seiner Lebensbedürfnisse notwendigen Mittel zu verschaffen. Dazu sei es aber nicht erforderlich, das Prozeßergebnis auch hinsichtlich vergangener Zeiträume durch ein summarisches Verfahren vorwegzunehmen. Der einstweilige Unterhalt könne daher weiterhin nur ab dem Tag der Antragstellung zugesprochen werden.

Die Klägerin bekämpft den Beschluß des Rekursgerichtes insoweit mit Revisionsrekurs, als das Mehrbegehren, ihr für die Monate Oktober und November 1989 je S 4.000, für Dezember 1989 S 3.000 und für die Zeit vom 1.1.1990 bis 23.4.1990 S 4.500 an monatlichem einstweiligen Unterhalt zuzuerkennen, abgewiesen wurde. Sie beantragt, die Entscheidung des Erstgerichtes in diesem Umfang wieder herzustellen.

Der Beklagte beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Frage, ob einstweiliger Unterhalt für die Vergangenheit gewährt werden kann, von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO ist. Das Rechtsmittel ist jedoch nicht berechtigt.

Soweit die Rechtsmittelwerberin meint, ihrem Begehren auf einstweiligen Unterhalt für die Zeit ab 1. Oktober 1989 wäre schon deshalb stattzugeben gewesen, weil der Antrag erstmals bereits mit der am 14.8.1986 eingebrachten Klage gestellt worden sei, ist darauf hinzuweisen, daß der damals gestellte Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zurückgezogen wurde (daß die laut ON 3 am 22.9.1986 erfolgte Rückziehung des Antrages tatsächlich der damalige Klagevertreter vornahm, wurde über Aufforderung des Obersten Gerichtshofes vom Erstgericht mit Amtsvermerk vom 2.10.1990 klargestellt).

Die Klägerin weist in ihrem Revisionsrekurs weiters auf die neue Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes hin, nach welcher Unterhalt auch für die Vergangenheit begehrt werden kann, sie vertritt die Ansicht, dies müsse auch für das Provisorialverfahren gelten, zumal auch hier die gerichtliche Anspruchsverfolgung gewisser Nachforschungen und entsprechender Vorbereitung bedürfe. Die Entscheidung des Rekursgerichtes sei auch in höchstem Maße unbillig, da nicht damit zu rechnen sei, daß das Scheidungsverfahren innerhalb von drei Jahren rechtskräftig beendet sei, im Rahmen des ordentlichen Unterhaltsbegehrens aber erst ab rechtskräftiger Beendigung des Scheidungsverfahrens Unterhalt zugesprochen werden könne. Diesen Ausführungen ist folgendes zu erwidern:

Mit der in SZ 61/143 veröffentlichten Entscheidung eines verstärkten Senates vom 9.6.1988 gelangte der Oberste Gerichtshof - von seiner bisherigen Judikatur abgehend - zu dem Ergebnis, Unterhaltsansprüche könnten grundsätzlich auch für die Vergangenheit gestellt werden. Dies wurde im wesentlichen damit begründet, die Unterlassung gerichtlicher Geltendmachung eines Geldzahlungsanspruches am Tage des Eintrittes einer Fälligkeit sei kein allgemeiner Schulderlöschungsgrund. Es fehle aber auch eine entsprechende Sonderregelung für gesetzliche Ansprüche auf Unterhaltsbeiträge in Geld, aus der auch nur ein teilweiser Verlust des Einforderungsrechtes aus dem Grund unterbliebener gerichtlicher Geltendmachung (vor dem Eintritt der Verjährung) abgeleitet werden könnte.

Daraus folgt aber nicht, daß auch einstweiliger Unterhalt für die Vergangenheit begehrt werden kann. Unterhaltsansprüche eines Ehegatten gegen den anderen während aufrechter Ehe haben im § 94 ABGB ihre Grundlage, gleichgültig, ob sie mit Klage oder einstweiliger Verfügung nach § 382 Z 8 lit a geltend gemacht werden. Mit Klage könnte der Unterhaltsanspruch - wie oben dargelegt - für die Vergangenheit gefordert werden. Einstweiliger Unterhalt im Sinne des § 382 Z 8 lit a EO ist hingegen nach seinem Sinn und Zweck nicht für die Vergangenheit bestimmt, sondern schon nach seinem Charakter als vorläufige Leistung laufender Unterhaltszahlungen zu verstehen. Der maßgebende Zeitpunkt für den Beginn des Zuspruches von einstweiligem Unterhalt ist daher der Tag der Antragstellung (7 Ob 810/81 - diese Entscheidung erging zwar vor der Entscheidung des verstärkten Senates, mit der die Rechtsprechung geändert wurde, sie ist aber noch immer von Bedeutung, weil es sich um den Unterhaltsanspruch einer geschiedenen Ehegattin handelte, der auch schon früher gemäß § 72 EheG für die Vergangenheit zuerkannt wurde; vgl auch Holzhammer, Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht3 344, wo die Entscheidung des vestärkten Senates über die Zulässigkeit, Unterhalt für die Vergangenheit zu fordern, angeführt wird, aber trotzdem die Ansicht vertreten wird, einstweiliger Unterhalt könne nicht für die Vergangenheit begehrt werden, sondern nur fortlaufend).

Die Ausführungen der Klägerin im Revisionsrekurs, die Abweisung der mit Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung geltend gemachten Unterhaltsansprüche für die Vergangenheit sei im höchsten Maße unbillig, weil mit Klage Unterhalt erst ab rechtskräftiger Erledigung des Ehescheidungsverfahrens begehrt werden könne, sind verfehlt, denn Unterhaltsansprüche können auch während aufrechter Ehe mit Klage geltend gemacht werden.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf den §§ 402 und 78 EO sowie 41 und 50 ZPO.

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