OGH 9ObA287/90

OGH9ObA287/9021.11.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Günther Schön und Kurt Wuchterl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Monika U***, Maschinenarbeiterin, Hörsching, Adolf-Jarosch-Straße 7a, vertreten durch Wolfgang K***, Bediensteter der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich, Linz, Volksgartenstraße 40, dieser vertreten durch Dr. Walter Rinner, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei H*** K*** Gesellschaft mbH & Co KG, Hörsching, Hörschingerstraße 12, vertreten durch Dr. Erwin Bajc, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wegen 4.602,06 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 2. August 1990, GZ 12 Ra 72/90-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 19.April 1990, GZ 14 Cga 197/89-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.812,48 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 302,08 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war bei der beklagten Partei vom Jahre 1979 bis März 1989 als Maschinenarbeiterin beschäftigt. Im Zeitraum März 1987 bis Dezember 1987 erhielt die Klägerin einen Stundenlohn von 62,19 S. Bis März 1987 wurde Arbeitnehmern der beklagten Partei für Überstunden, die sie an Sonntagen leisteten, ein Zuschlag von 200 % bezahlt, nachher wurden diese Überstunden nur mehr mit einem Zuschlag von 100 % honoriert. Im Zeitraum Mai bis Dezember 1987 leistete die Klägerin insgesamt 80 Überstunden an Sonntagen, die mit einem Zuschlag von 100 % entlohnt wurden. Die Klägerin urgierte ebenso wie die übrigen Arbeitnehmer beim Werkmeister und bei der Unternehmensleitung mehrmals die Zahlung des 200 %igen Überstundenzuschlages, doch wurde sie von ihren Gesprächspartnern immer wieder vertröstet; letztlich wurde dieser Zuschlag aber nicht gezahlt. Nur einem einzigen Arbeitskollegen der Klägerin wurden auf Grund seiner Vorsprachen die Sonntagsüberstunden mit einem Zuschlag von 200 % honoriert; er wurde 14 Tage später von der beklagten Partei gekündigt. Auch das Arbeitsverhältnis der Klägerin endete durch Kündigung seitens des Arbeitgebers.

Der Rahmenkollektivvertrag für die Arbeiter und Arbeiterinnen in der chemischen Industrie vom 15.Jänner 1987 enthält unter anderem folgende Regelungen:

"b) Arbeitszeit bei zwei- oder mehrschichtiger Arbeitsweise.

(14) Bei mehrschichtiger oder kontinuierlicher Arbeitsweise ist auf Grund einer Betriebsvereinbarung ein Schichtplan zu erstellen. Die Arbeitszeit ist so einzuteilen, daß die gesetzlich gewährleistete Mindestruhezeit eingehalten und im Durchschnitt die wöchentliche Normalarbeitszeit innerhalb eines Schichtturnusses nicht überschritten wird. ....

Entlohnung der Sonn-, Feiertags- und Überstundenarbeit, Grundvergütung

(52) Für die Zwecke der Berechnung der Grundvergütung bei Sonn-, Feiertags- und Überstundenarbeit ist der Monatsbezug im Sinne des Punktes 31 durch 165 zu teilen.

Sonntagsarbeit

(53) Sonntagsarbeit wird sowohl bei kontinuierlicher als auch bei nicht kontinuierlicher Arbeitsweise mit einem Zuschlag von 100 % auf die Grundvergütung entlohnt.

......

Überstundenarbeit an Sonntagen

(59) An Sonntagen geleistete Überstunden, das sind jene Stunden, die über die täglich vereinbarte bzw. übliche Arbeitszeit an Werktagen hinausgehen, sind mit einem Zuschlag von 200 % auf die Grundvergütung zu entlohnen. ..."

Die Klägerin begehrt 4.602,06 S sA an Zuschlagsdifferenz für 74 an Sonntagen geleistete Überstunden. Sie habe bis Ende 1987 ständig Überstunden auch an Sonntagen geleistet. Diese Überstunden seien bis einschließlich April 1987 richtigerweise mit einem 200 %igen Zuschlag entlohnt worden. Danach sei der Zuschlag auf 100 % gekürzt worden. Der Anspruch auf einen 200 %igen Zuschlag ergebe sich aus dem Kollektivvertrag für die chemische Industrie iVm § 10 Abs 1 AZG, aber auch daraus, daß bis zum April 1987 ständig 200 %ige Zuschläge gezahlt worden seien und damit ein einzelvertraglicher Anspruch auf diese Zuschläge begründet worden sei.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, die von der Klägerin geleisteten Überstunden seien richtigerweise mit einem Zuschlag mit 100 % vergütet worden. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und vertrat die Rechtsauffassung, der Klägerin gebühre nach Punkt 59 des Kollektivvertrages für die gegenständlichen Überstunden ein Zuschlag von 200 % auf die Grundvergütung.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil, sprach aus, daß die ordentliche Revision nach § 46 Abs 1 ASGG zulässig sei und stellte ergänzend fest, daß die von der Klägerin im Zeitraum Mai bis Dezember 1987 verrichtete Sonntagsarbeit zwar jeweils zusätzlich zur (normalen) Wochenarbeitszeit von 38 Stunden geleistet wurde, jedoch jeweils 8 Stunden pro Sonntag nicht überschritt.

Das Berufungsgericht vertrag die Rechtsauffassung, bei der Sonntagsarbeit der Klägerin habe es sich nicht um Überstunden im Sinne des Punktes 59 des Kollektivvertrags gehandelt. Dennoch seien sie als Überstunden im Sinne des AZG anzusehen, für die sowohl der zusätzliche Überstundenzuschlag als auch der aus anderen Gründen gewährte Zuschlag für Sonntagsarbeit gebühre. Als Bemessungsgrundlage für die Berechnung des 50 %igen Überstundenzuschlages sei die Grundvergütung zuzüglich des 100 %igen Sonntagszuschlages heranzuziehen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil zu der vom Berufungsgericht im Sinne einer Einbeziehung des Zuschlages für Sonntagsarbeit beurteilten Rechtsfrage, ob dieser Zuschlag im Rahmen der Berechnung des Überstundenentgeltes gemäß § 10 Abs 2 AZG (nochmals) zu berücksichtigen ist, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes besteht.

Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.

Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers muß Sonntagsarbeit der vom Kollektivvertrag erfaßten Arbeitnehmer nicht von vornherein Überstundenarbeit sein; dies gilt insbesondere für den Fall der in den Punkten 14 ff Kollektivvertrag geregelten mehrschichtigen oder kontinuierlichen Arbeitsweise.

Wie der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen Arb. 10.507 = RdW 1986, 249, und WBl. 1989, 94, zu den der vorliegenden kollektivvertraglichen Regelung ähnlichen Bestimmungen des Kollektivvertrages für die Arbeiter der erdölgewinnenden Industrie Österreichs ausgesprochen hat, spricht für das Nebeneinanderbestehen der Überstundenzuschläge und der besonderen Sonntagsentlohnung der verschiedene Zweck dieser Zuschläge. Die höhere Entlohnung einer Überstunde gegenüber einer Normalarbeitsstunde ist im wesentlichen dadurch begründet, daß die mit der Arbeit verbundene Anstrengung und der Verbrauch an Arbeitsenergie bei längerer Arbeit nicht gleichbleiben, sondern für die spätere Arbeit verhältnismäßig mehr zunehmen. Die höhere Entlohnung der Sonntagsarbeit (auch wenn sie nicht Überstundenarbeit ist) hat hingegen andere Gründe. Sie soll die Beeinträchtigung der dem Arbeitnehmer im Regelfall gebührenden Wochenendruhe, in die gemäß § 3 Abs 1 ARG der Sonntag zu fallen hat, abgelten. Auch bei Gewährung von Ersatzruhe in der folgenden Arbeitswoche wird es vom Arbeitnehmer im allgemeinen als erschwerend empfunden, wenn er an einem Sonntag, an dem der überwiegende Teil der arbeitenden Bevölkerung die Freizeit genießt, arbeiten muß. Die Gründe für die höhere Entlohnung von Überstundenarbeit und von Sonntagsarbeit gehen somit nicht (zur Gänze) ineinander auf. Da nach Punkt 53 des Kollektivvertrages der Sonntagszuschlag von 100 % für jede Sonntagsarbeit gebührt - auch wenn es sich nicht um Überstunden handelt - und Punkt 59 Kollektivvertrag den 200 %igen Überstundenzuschlag lediglich für qualifizierte Sonntagsüberstunden - die außerhalb der für Werktage vereinbarten und üblichen Arbeitszeit liegen - vorsieht, besteht bezüglich der unter dieser Grenze liegenden, als Überstundenarbeit anzusehenden Sonntagsarbeit keine kollektivvertragliche Regelung des Überstundenzuschlages und kommt, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, die gesetzliche Regelung des § 10 Abs 1 AZG zum Tragen. Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Zuschlages ist allerdings entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht der um den 100 %igen Zuschlag erhöhte Lohn für Sonntagsarbeit sondern gemäß § 10 Abs 2 AZG der Normallohn, das ist jenes Entgelt, das für die Arbeitleistung gebührt hätte, wäre sie in der normalen Arbeitszeit erbracht worden (siehe Grillberger Arbeitszeitgesetz 80; Cerny

Arbeitszeitrecht2, 100 [Berechnungsbeispiel]; Arb. 10.357 =

RdW 1984, 284 = ZAS 1985, 179 [Kohlmaier]; zuletzt 9 Ob A 60/90).

Der im vorliegenden Kollektivvertrag nicht geregelte Zuschlag für die an Sonntagen geleisteten Überstunden, die nicht über die tägliche vereinbarte bzw. übliche Arbeitszeit an Werktagen hinausgehen, wäre demnach mit 50 % anzusetzen; dazu käme noch der 100 %ige Zuschlag auf die Grundvergütung für die Sonntagsarbeit laut Kollektivvertrag.

Dennoch steht der Klägerin der begehrte Zuschlag von insgesamt 200 % zu. Sie hat ihr Begehren auch darauf gestützt, daß - wie dies die Vorinstanzen für den Obersten Gerichtshof bindend festgestellt haben - der bis einschließlich April 1987 (laut Feststellungen März 1987) für Sonntagsüberstunden gewährte Zuschlag von 200 % vom Arbeitgeber einseitig auf 100 % herabgesetzt wurde. Daß der 200 %ige Zuschlag nur unter Widerrufsvorbehalt gewährt worden wäre, hat die hiefür beweispflichtige beklagte Partei nicht einmal behauptet. Die regelmäßige, vorbehaltlose Gewährung von 200 %igen Überstundenzuschlägen führte als betriebliche Übung zu einer schlüssigen Ergänzung der Einzelarbeitsverträge (siehe Spielbüchler in Spielbüchler-Floretta-Strasser Arbeitsrecht I3 189;

SZ 61/274 = JBl 1989, 195 = RdW 1989, 135 = ZAS 1989, 90

[Tomandl] = Arb. 10.762 mwH). Ein einseitiger Widerruf dieser

einzelvertraglich geschuldeten Leistungen ist aber unwirksam (siehe Spielbüchler aaO; DRdA 1989, 33 [W. Schwarz]).

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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