OGH 11Os115/90 (11Os116/90)

OGH11Os115/90 (11Os116/90)14.11.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. November 1990 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pokorny als Schriftführerin in der Strafsache gegen Herwig Eduard G*** wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach den §§ 15, 142 Abs. 1, 143, zweiter Fall, StGB und anderer strafbarer Handlungen über I. die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 4.September 1989, GZ 20 Vr 1659/90-26, sowie II. die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluß desselben Gerichtes vom 4.September 1990, GZ 20 Vr 1659/90-26, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwalts Dr. Hauptmann und der Verteidigerin Dr. Strommer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

II. Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 24. Mai 1968 geborene Herwig Eduard G*** des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach den §§ 15, 142 Abs. 1 und 143 (zweiter Fall) StGB (Urteilstat I/), des Vergehens der Nötigung nach dem § 105 Abs. 1 StGB (Urteilstat II/) und des Vergehens der Körperverletzung (in zwei Fällen) nach dem § 83 Abs. 1 StGB (Urteilstaten III/1. und 2.) schuldig erkannt und nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt, auf welche gemäß dem § 38 StGB die von ihm in der Zeit vom 25. Juni 1990, 13,20 Uhr, bis 4. September 1990, 12,00 Uhr, erlittene Vorhaft angerechnet wurde. Ihm liegt zur Last, er habe am 24. Juni 1990 in Ischgl dem Fritz Z*** durch Vorhalten eines Brotmessers und in der Folge eines "Überlebensmessers" sowie durch die Äußerung, er werde ihn "umbringen", und durch die Aufforderung, ihm Geld zu geben, sohin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe, sowie durch Versetzen von Schlägen und durch Würgen am Hals, demnach mit Gewalt, fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, abzunötigen versucht (I/), ferner den Alfred P*** mit Gewalt zu einer Handlung bzw Unterlassung genötigt, indem er ihm eine brennende Zigarette gegen den rechten Oberarm drückte, damit er seinen Arm loslasse und ihn nicht länger festhalte (II/), und überdies Fritz Z*** vor der unter I/ angeführten Tat durch Versetzen mehrerer Fausthiebe, die eine Schwellung der Unterlippe, ein Hämatom am linken Auge und eine leichte Gehirnerschütterung zur Folge hatten (III/1.), sowie Alfred P*** durch die unter II/ angeführte Tathandlung, die eine Brandblase am rechten Oberarm zur Folge hatte (III/2.), vorsätzlich am Körper verletzt. Dieser Schuldspruch beruht auf der (jeweils stimmeneinhelligen) Bejahung der auf die erwähnten Taten bezüglichen Hauptfragen 1/, 2/ und 3/ (a und b) durch die Geschwornen.

Gegen diese Verurteilung richtet sich die (formell) auf die Gründe der Z 6 und 13 des § 345 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Der erstere Nichtigkeitsgrund wird darin erblickt, daß trotz Antrags der Verteidigung keine Zusatzfrage (zur Hauptfrage I/) nach Rücktritt vom Versuch des Raubes gestellt wurde; der Nichtigkeitsgrund liegt nicht vor: Gemäß dem § 313 StPO ist eine Frage nach einem Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgrund (Zusatzfrage) dann zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht wurden, die - wenn als erwiesen angenommen - die Strafbarkeit ausschließen oder aufheben würden. Verhandlungsergebnisse, die als Grundlage einer Zusatzfrage dienen könnten, ob der Angeklagte freiwillig die Ausführung der in der Hauptfrage I/ bezeichneten Raubtat aufgab (§ 16 Abs. 1 StGB), fehlen jedoch. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf die Angaben des Zeugen Alfred P*** (insbesondere auf dessen Aussage vor dem Untersuchungsrichter ON 14, welche laut AS 195 dem Zeugen in der Hauptverhandlung vorgehalten wurde), geht ins Leere: Die Situation, in welcher der Angeklagte von P*** (das zweite Mal) betreten wurde, legt keine bereits eingetretene oder gerade im Gang befindliche freiwillige Aufgabe des Raubvorhabens nahe, mag auch zu diesem Zeitpunkt der Angeklagte das Messer nicht bei Z*** angesetzt, sondern mit der Klinge "eher" gegen seinen eigenen Körper gerichtet haben. Das unmittelbar hierauf folgende Weglegen des Messers liefert ebenfalls keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Angeklagte die Ausführung des Raubes freiwillig - mithin in der Vorstellung, eine dem Tatplan entsprechende Vollendung der Tat sei trotz des Dazwischentretens des Zeugen P*** noch möglich (Mayerhofer-Rieder3 ENr 6 ff zu § 16 StGB) - aufgegeben haben könnte: Freiwilligkeit ist nämlich nicht erst dann ausgeschlossen, wenn die Fortführung der Tat schlechthin unmöglich wurde, sondern auch dann, wenn das dem Tatplan entsprechende Vorhaben vorerst mißlang und der Täter sich auf die Anwendung anderer Methoden oder wesentlich verstärkter krimineller Energien, mit denen er den bisher ausgebliebenen Erfolg doch noch herbeiführen könnte, nicht mehr einläßt (ENr 10, 21, 22 aaO). Dafür, daß der Angeklagte trotz neuerlicher Betretung durch P*** in einer diesmal nicht mehr zu verharmlosenden Situation noch Aussicht sah, durch ein dem bisherigen Tatplan entsprechendes Verhalten dem Fritz Z*** Bargeld abzunötigen, liefern die Aussagen des Alfred P*** keinen Anhaltspunkt. Jene von der Beschwerde hervorgehobenen Verfahrensergebnisse, welche dafür sprechen sollen, daß die Tätlichkeiten aus Anlaß eines vom Angeklagten abgelehnten homosexuellen Annäherungsversuches des Fritz Z*** begangen wurden (siehe insbesondere die Angaben des Angeklagten vor der Gendarmerie AS 76 und des Zeugen Z*** AS 83 unten), stehen in keinem erkennbaren Bezug zu den Vorstellungen von der Durchführbarkeit des (erst später gefaßten) Raubvorhabens. Der Hinweis der Beschwerde auf den angeblich vom Zeugen Z*** wiedergegebenen Eindruck, es sei dem Angeklagten nur um die tätliche Auseinandersetzung an sich gegangen, ist zudem nicht aktengetreu (vgl AS 191 zu der vom Zeugen ausgesprochenen Vermutung, es sei nicht um sein Geld, sondern um jenes in der Betriebskasse gegangen).

Rechtliche Beurteilung

Soweit die Beschwerde unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 13 des § 345 Abs. 1 StPO rügt, die dem Angeklagten als erschwerend angerechnete Wiederholung des Raubversuches (nach der erstmaligen Betretung durch den Zeugen P***) sei "durch das abgeführte Beweisverfahren und dessen Ergebnisse keineswegs gedeckt", weicht sie von den im Wahrspruch getroffenen Feststellungen über die Bedrohung des Fritz Z*** durch Vorhalten eines Brotmessers und in der Folge eines "Überlebensmessers" ab; solcherart bringt sie die Rechtsrüge nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Die weiteren Ausführungen, die dahin zusammengefaßt werden können, das Erstgericht habe wesentliche Milderungsgründe (überhaupt) unberücksichtigt gelassen, gehören inhaltlich nicht zur Nichtigkeitsbeschwerde, sondern zur Berufung (12 Os 76/88 = JUS 1988 Nr 44 S 28 uam); desgleichen die gerade auf diese (angeblichen) zusätzlichen Milderungsumstände im Zusammenhang mit der Sozialprognose des psychiatrischen Sachverständigen (AS 196) gegründete Rüge, das Vorliegen der Voraussetzungen außerordentlicher Strafmilderung (§ 41 StGB) sei verkannt worden.

Die nur zum Teil gesetzmäßig ausgeführte, insoweit aber inhaltlich nicht berechtigte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verhängte über Herwig Eduard G*** nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB unter Anwendung des § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren und sechs Monaten. Bei der Strafbemessung wertete es die einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit mehreren Vergehen, die Wiederholung des Raubversuches sowie der Körperverletzungen als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber das Geständnis und die verminderte Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten, den Umstand, daß es beim Versuch des Raubes blieb und die schließliche Selbststellung als mildernd.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe im Weg der außerordentlichen Strafmilderung an. Die Berufung ist nicht begründet.

Das Geschwornengericht stellte die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig sowie vollständig fest und wertete sie auch zutreffend. Relevante Umstände, die eine Reduktion der nahe der Untergrenze ausgemessenen Freiheitsstrafe rechtfertigen könnten, wurden im Rechtsmittel nicht dargestellt. Insbesonders die Art und Weise der vom Angeklagten zu verantwortenden Raubversuche läßt auch die Annahme eines atypischen, besonders gelagerten Falles, bei welchem sogar die Unterschreitung der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens im Weg der Anwendung des § 41 StGB vertretbar erschiene, nicht zu.

Der Berufung konnte daher gleichfalls kein Erfolg beschieden sein.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Das Schöffengericht widerrief zugleich mit der Verurteilung des Angeklagten die mit Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 28. September 1989, AZ 3 BE 330/89, gewährte bedingte Entlassung aus der über ihn mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 8. Juni 1989, GZ 13 E Vr 703/89-12, verhängten Freiheitsstrafe von acht Monaten (noch zu vollziehender Strafrest: drei Monate und fünfzehn Tage).

Der dagegen vom Angeklagten erhobenen Beschwerde kommt keine Berechtigung zu, weil es angesichts des gravierenden und raschen Rückfalls innerhalb der gewährten Probezeit geboten ist, auch die früher verhängte Strafe vollständig zu vollziehen, um den Täter von weiteren strafbaren Handlungen wirkungsvoll abzuhalten. Es war daher über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Widerrufsbeschluß spruchgemäß zu beschließen.

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