OGH 12Os117/90

OGH12Os117/908.11.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.November 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Siegl als Schriftführer in der Strafsache gegen Max Z*** wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 21.Juni 1990, GZ 6 Vr 1528/89-17, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, des Angeklagten Max Z*** und des Verteidigers Dr. Forcher zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung gegen den Strafausspruch wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 7 (sieben) Monate herabgesetzt.

Auch der Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche wird Folge gegeben, der Zuspruch von je 1.000 (tausend) S an die Privatbeteiligten Hertha G***, Theresia M*** sowie Ernest und Maria S*** wird aufgehoben und die Privatbeteiligten werden gemäß § 366 Abs 2 StPO mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 29.August 1925 geborene Landwirt Max Z*** des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er im Mai und Juni 1987 als Bürgermeister der Marktgemeinde Semriach, somit als Beamter mit dem Vorsatz, die Gemeinde in ihrem Recht auf Einhaltung der Steiermärkischen Bauordnung 1968 (im folgenden kurz StmkBO) zu schädigen, seine Befugnis, im Namen der Gemeinde als deren Organ, nämlich als Baubehörde erster Instanz, in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich dadurch mißbraucht, daß er den Bau einer Freizeithalle durch den Bauwerber Johann J*** ohne Widmung des Grundstückes zum Bauplatz und ohne bescheidmäßige Baubewilligung zuließ, sowie die Baueinstellung nicht verfügte und auch keinen Beseitigungsauftrag erließ.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch ficht der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 3, 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an; überdies bekämpft er den Strafausspruch und den Zuspruch an die Privatbeteiligten mit Berufungen.

I. Zur Nichtigkeitsbeschwerde:

Einen mit Nichtigkeit bedrohten Verstoß gegen Verfahrensvorschriften (Z 3) erblickt der Beschwerdeführer in dem Umstand, daß die beiden steiermärkischen Landesbeamten, Hofrat Dr. Helmut F***, Bezirkshauptmann des Bezirkes Graz-Umgebung, und dessen Mitarbeiter, Amtsrat Walter O***, sowie der Gemeindebedienstete Peter M*** in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommen wurden, obwohl sie von ihrer Verschwiegenheitspflicht nicht entbunden waren.

Der Beschwerde ist zuzugeben, daß diese drei genannten öffentlichen Bediensteten tatsächlich in der Hauptverhandlung am 21. Juni 1990 als Zeugen vernommen wurden und das Hauptverhandlungsprotokoll keinen Hinweis enthält, wonach sie von ihrer Verpflichtung zur Wahrung des Amtsgeheimnisses entbunden waren. Allerdings ist dem Hauptverhandlungsprotokoll auch nicht zu entnehmen, daß diese Zeugen, die Prozeßparteien oder das Gericht die Möglichkeit der Verletzung des Amtsgeheimnisses auch nur in Erwägung gezogen hätten (S 202 bis 204, 205, 206, 216, 217). Damit ist aber - der Beschwerdeargumentation zuwider - noch kein Verstoß gegen § 151 Z 2 StPO dokumentiert, weil nicht alle Angelegenheiten, die dem Beamten in Ausübung seines Dienstes oder mit Beziehung auf seine amtliche Stellung bekannt geworden sind, einen Gegenstand des Amtsgeheimnisses bilden. Gemäß Art 20 Abs 3 B-VG sind alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen nur insoweit verpflichtet, als deren Geheimhaltung im Interesse einer Gebietskörperschaft oder der Parteien geboten ist. Gemäß § 23 der Dienstpragmatik, RGBl Nr 15/1914, in der als Landesgesetz geltenden, kraft Landesbeamtengesetznovelle 1989, LGBl 87/1989, geänderten Fassung, unterliegen nur solche Tatsachen der Amtsverschwiegenheit, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist. Auch § 15 des Steiermärkischen Gemeindebedienstetengesetzes enthält eine ähnliche Regelung. Wenn auch über die Entbindung allein die Dienstbehörde (der Bürgermeister) zu entscheiden hat, obliegt gleichwohl dem Gericht die Prüfung, ob überhaupt die Gefahr der Verletzung des Amtsgeheimnisses gegeben ist. Ergeben sich nämlich keine Hinweise in diese Richtung und beruft sich der Beamte auch nicht auf seine Verpflichtung zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit (was ihm § 23 Abs 4 der als Landesgesetz geltenden Dienstpragmatik - siehe oben - vorschreibt), so kann das Gericht den Beamten ohne Verstoß gegen § 151 Z 2 StPO auch zeugenschaftlich vernehmen (SSt 41/75). Da im gegebenen Fall, wo die Bezirkshauptmannschaft wohl im Bereich des Gewerberechts (nicht aber im Bauverfahren) eine Entscheidungskompetenz hatte, der Bezirkshauptmann Dr. F*** aber nur als Vermittler zwischen den Anrainern, dem Bauwerber und der Gemeinde Semriach einschritt, bestand für das Gericht keine Veranlassung, die Entbindung vom Amtsgeheimnis zu beantragen. Darüber hinaus wäre der Bezirkshauptmann wohl gemäß § 84 StPO anzeigepflichtig gewesen, wenn sich der Verdacht des Amtsmißbrauches damals schon gezeigt hätte, welcher Umstand allein seine Aussagepflicht begründen würde (siehe neuerlich SSt 41/75). Hinsichtlich der Aussage des Zeugen Walter O***, der die Vermittlungsgespräche mit dem Bezirkshauptmann nur bestätigte (S 205 bis 206), und des Zeugen Peter M***, der über seine Tätigkeit bei den Verhandlungen berichtete (S 216 bis 217), ist überdies nicht zu ersehen, daß die Angaben dieser beiden Beamten einen für den Angeklagten nachteiligen Einfluß auf die Beweiswürdigung üben konnten (§ 281 Abs 3 StPO).

Mit den Ausführungen zur Mängel- und Rechtsrüge (Z 5 und 9 lit a) versucht die Beschwerde zusammenfassend darzulegen, "daß die Vorgangsweise des Angeklagten nicht bloß rechtlich vertretbar, sondern vor allem auch in keinster Weise geeignet war, einen Schaden für wen auch immer zu verursachen" (S 265).

Dem ist vorweg aus rechtlicher Sicht entgegenzuhalten, daß nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes unter Schädigung im Sinn des § 302 StPO nicht nur die Beeinträchtigung eines privatrechtlichen Anspruches, sondern auch die Schädigung eines konkreten, auf einer bestimmten Rechtsnorm (Gesetz oder Verordnung) beruhenden Rechtes einer Gebietskörperschaft zu verstehen ist. Die Gebietskörperschaft ist jedenfalls dann an einem konkreten öffentlichen Recht geschädigt, wenn Verfahrensvorschriften, die dazu dienen, die materielle Berechtigung eines Anspruches zu beurteilen (hier die Umwidmung eines Grundstückes und die Erteilung einer Baubewilligung), übergangen werden und ihr daher vorweg die Möglichkeit genommen wird, ein Projekt oder einen Antrag auf seine Genehmigungsvoraussetzungen zu prüfen (JBl 1989, 263; 1990, 599 und die dort zitierte Vorjudikatur).

Hiezu konstatierte das Schöffengericht, daß der Angeklagte bereits seit 1967 Bürgermeister der Marktgemeinde Semriach und in dieser Funktion Baubehörde erster Instanz im Sinn des § 71 Abs 1 StmkBO war. Er war sich seiner Rechte und Pflichten, die er im Rahmen der örtlichen Baupolizei als Organ der Gemeinde im Bereich der Hoheitsverwaltung zu beachten hatte, durchaus bewußt und wurde überdies auf Grund von massiven Anrainerbeschwerden sowohl vom Bezirkshauptmann Hofrat Dr. F*** im Rahmen des bereits erwähnten Vermittlungsgespräches am 1.Juni 1987 als auch vom Amt der Steiermärkischen Landesregierung schriftlich auf seine aus der StmkBO erwachsenden Verpflichtungen hingewiesen. Es hatte nämlich der Gastwirt Johann J*** am 13.April 1987 beim Marktgemeindeamt Semriach die Ansuchen gestellt, das Grundstück Nr 299/1 der KG Semriach zum Bauplatz zu widmen und die Bewilligung zur Errichtung einer Freizeithalle auf diesem Grundstück zu erteilen (siehe S 135 b und S 135 d). Obwohl die Halle als Provisorium für die Abhaltung dreier Veranstaltungen anläßlich der 750-Jahr-Feiern der Gemeinde im Jahr 1987 gedacht war, war eine fixe Verankerung im Boden durch ein Betonfundament mit eingelassenen Eisenelementen vorgesehen, sodaß dieser Neubau im Sinn der §§ 57, 58, 62 StmkBO bewilligungspflichtig war. Tatsächlich führte der Angeklagte am 30. April 1987 eine Verhandlung zwecks Erteilung der Widmungsbewilligung durch, bei der auch Anrainer geladen waren, die - wie aus dem vorliegenden Bauakt ersichtlich ist - Einwendungen erhoben. Anschließend an diese Verhandlung wurde eine Bauverhandlung durchgeführt, von der die Anrainer allerdings keine Kenntnis hatten und bei der neben dem Bürgermeister und dem Gemeindebediensteten Peter M*** offensichtlich nur der bautechnische Sachverständige anwesend war. Obwohl nun weder eine ordnungsgemäße Bauverhandlung stattgefunden noch bescheidmäßig über die Widmungsverhandlung abgesprochen wurde und vom Anrainer Hans S*** bereits am 13. Mai 1987 ein (erster) Einstellungsantrag eingebracht wurde, wurde vom Bauwerber Johann J*** mit Kenntnis und Zustimmung des Angeklagten, der sogar selbst Tischlerarbeiten bei diesem Bauvorhaben durchführte und als Obmann des Musikvereins Geld für den Bau zur Verfügung stellte, vom 8.Mai 1987 bis zum 10. oder 12. Juni 1987 die geplante Veranstaltungshalle fertig errichtet. Der später erlassene Widmungsbescheid ist bisher nicht in Rechtskraft erwachsen und eine Baubewilligung daher nicht möglich. Nach der Überzeugung des Schöffengerichtes war dem Angeklagten jedenfalls nach dem 1.Juni 1987 (Besprechung beim Bezirkshauptmann) "klar und bewußt", daß die Freizeithalle, die nur als Provisorium errichtet war, nach Durchführung der drei Jubiläumsveranstaltungen wieder abzutragen gewesen wäre. Der Angeklagte aber hat geduldet, daß die ohne Baubewilligung errichtete Halle zu weiteren Veranstaltungen genutzt wurde und trotz wiederholter Aufforderungen keinen Auftrag zu ihrer Beseitigung erlassen (S 231 bis 241). Den umfangreichen Ausführungen zur Mängelrüge ist vorweg zu erwidern, daß nur solche Begründungsmängel, die den dargestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalt betreffen, Nichtigkeit begründen können. Solche Mängel liegen indes nicht vor. Die als mangelhaft gerügte Bezeichnung des Beweismittels "Verwaltungsakte" (womit unzweifelhaft die Bauakten der Marktgemeinde Semriach gemeint sind) kann sohin nicht Gegenstand einer gesetzmäßig ausgeführten Mängelrüge sein. Die "Darstellung" des wesentlichen Inhaltes dieser Akten in der Hauptverhandlung (S 226) anstatt deren "Verlesung" stellt für sich allein keine Nichtigkeit dar, war der Akteninhalt doch Gegenstand der Hauptverhandlung (§ 258 Abs 1 StPO). Ein Antrag der Verteidigung auf vollständige Verlesung der Akten wurde nicht gestellt, sodaß dieser Mangel auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 4 StPO zum Tragen kommen könnte.

Der Einwand mangelhafter Begründung der Feststellung, wonach die gegenständliche Freizeithalle nur als Provisorium gedacht war, geht jedenfalls am Inhalt der Bauakten vorbei. Der nunmehr in Zweifel gezogene provisorische Charakter dieser Halle ergibt sich nämlich unmißverständlich aus der vom Angeklagten verfaßten Niederschrift vom 25.Mai 1987 (S 47 der Vr-Akten), in der auch die Zahl der dort im Jahr 1987 abzuhaltenden Veranstaltungen auf drei beschränkt wurde und aus den eigenen Einlassungen des Angeklagten (S 39, 41 b, 184). Dem Umstand, daß trotz des (im Lichte der folgenden Ereignisse gesehen offensichtlich nur vorgegebenen) provisorischen Charakters der Halle eine feste Verankerung im Boden erforderlich war, wurde durch Abhaltung einer (allerdings mangelhaften) Bauverhandlung ohnehin Rechnung getragen. Weshalb der Angeklagte durch diese Urteilsannahmen beschwert sein soll, ist nicht recht zu sehen. Die in diesem Zusammenhang vorgebrachten Beschwerdeeinwände, mit denen eine Abtragungsverpflichtung bestritten wird, betreffen keine begründungsbedürftige Tatsachenfeststellung, sondern eine sich aus der StmkBO ergebende rechtliche Verpflichtung.

Entgegen dem weiteren Vorbringen in der Mängelrüge haftet auch den Aussprüchen, daß der Angeklagte "offenbar" großes Interesse an der Errichtung der Halle hatte (S 238), für ihn auf Grund eines Schreibens der Aufsichtsbehörde "wohl" kein Zweifel an der Rechtswidrigkeit der Vorgangsweise bestehen konnte (S 240) und er "offenbar" in der Absicht nachträglicher Sanierung des rechtswidrigen Zustandes untätig geblieben sei (S 242), eine undeutliche oder unzureichende Begründung nicht an. Denn die diesbezüglichen Urteilsannahmen lassen keine Zweifel an der aus der eigenen Verantwortung des Angeklagten (S 161, 192) abzuleitenden Überzeugung der Tatrichter, daß der Angeklagte als Obmann des Musikvereins mitgearbeitet und deshalb auch an der Bauerrichtung im besonderen Maße interessiert war, obwohl ihm die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens bewußt war. Das für die Untätigkeit maßgebende Motiv konnte das Erstgericht sohin denklogisch aus diesen Tatumständen und den im Akt erliegenden Schriftstücken erschließen. Ebensowenig zielführend ist der Vorwurf der Undeutlichkeit im Zusammenhang mit der in den Entscheidungsgründen enthaltenen Wiedergabe der Auffassung des Angeklagten (bzw seines Verteidigers) über die Notwendigkeit der Erlassung eines Beseitigungsauftrages (S 242), weil das behauptete Begründungsgebrechen keine Tatfrage, sondern eine Rechtsfrage betrifft (§ 73 Abs 2 StmkBO). Die weiters gerügte Urteilspassage, wonach der Angeklagte das Bauvorhaben unbedingt "durchziehen" wollte, ohne einen rechtskräftigen Widmungsbescheid erlassen zu haben (S 240), kann im Zusammenhalt mit den eigenen Einlassungen des Angeklagten nur dahin verstanden werden, daß im Errichtungszeitpunkt eine derartige gemäß §§ 2,58 StmkBO erforderliche Genehmigung fehlte, was dem Angeklagten bekannt war, ihn aber nicht veranlaßte, die Baueinstellung zu verfügen, vielmehr dazu bewog, durch tatkräftige Mithilfe dafür zu sorgen, daß die Halle möglichst rasch fertig wurde (S 41, 161, 162, 189). Auch der behauptete Widerspruch in den (sicherlich unklar formulierten) Urteilsgründen zwischen den Feststellungen, die gegenständliche Veranstaltungshalle sei am 10. bzw 12.Juni 1987 fertiggestellt gewesen (S 234), der Angeklagte habe danach die weitere Bauausführung geduldet (S 241), liegt nach dem Sinngehalt der Urteilsbegründung insgesamt nicht vor. Mit diesen Konstatierungen wollte das Erstgericht ersichtlich die während des (laut Urteilsgründen über die datumsmäßige Fixierung im Urteilsspruch hinausgehenden) Deliktszeitraums gezeigte Untätigkeit des Angeklagten zunächst durch Duldung und Förderung der gesetzwidrigen Bauführung und in der Folge durch Unterlassung eines Beseitigungsauftrages zum Ausdruck bringen.

Richtig ist wohl der Hinweis des Beschwerdeführers auf die Sinnwidrigkeit des laut handschriftlichem Einschub in der Urteilsurschrift zur rechtlichen Begründung (S 243) verwendeten Ausdrucks "pflichtwidrig". Bei Berücksichtigung des Sinnzusammenhanges dieser Ausführungen kann das mißbräuchliche (und gesetzwidrige) Vorgehen des Angeklagten nur in der Unterlassung der pflichtgemäßen Amtsausübung gelegen sein. Diese offensichtlich irrtümlich gewählte Formulierung bei der rechtlichen Subsumtion des festgestellten Sachverhaltes stellt keinen unter Nichtigkeitssanktion stehenden Begründungsmangel dar. Zu der vom Beschwerdeführer in Frage gestellten Beeinträchtigung von Anrainerinteressen ist festzuhalten, daß die tatbestandsessentielle, im Urteilsspruch allein angeführte Schädigung in der Verletzung der aus der StmkBO erfließenden konkreten Rechte der Gemeinde Semriach zu sehen ist. Nach den (mit dem Urteilsspruch eine Einheit bildenden) Entscheidungsgründen ging das Schöffengericht auch primär von einer solchen durch die wissentliche Mißachtung von Vorschriften bewirkten Schädigung der Gemeinde Semriach aus, woraus sich "auch" (S 243) Rechtsverletzungen zu Lasten der Anrainer ergeben. Es handelt sich sohin um eine rechtliche Beurteilung, die keines Beweises in tatsächlicher Richtung und daher auch keiner diesbezüglichen Begründung bedarf. Ebenso verhält es sich mit den weiteren rechtlichen Ausführungen zum Schädigungsvorsatz (S 243), denn die als widersprüchlich gerügten Ausführungen können im Hinblick auf die zum Tatverhalten getroffenen eindeutigen Feststellungen nur dahin verstanden werden, daß der Schädigungsvorsatz in bezug auf die mißbräuchliche Unterlassung des Hoheitsaktes gegeben war.

Der einleitende Einwand der Rechtsrüge (Z 9 lit a), wonach die ganze Angelegenheit zufolge der gegen den Widmungsbescheid erhobenen Berufungen der Entscheidungskompetenz des Angeklagten entzogen war, geht fehl, weil diesem als Bürgermeister und Baubehörde erster Instanz die Vollziehung der StmkBO oblag. Soweit die Beschwerde mit ihrem weiteren Vorbringen nicht am Urteilssachverhalt festhält, wird der relevierte materielle Nichtigkeitsgrund nicht prozeßordnungsgemäß dargestellt. Dies gilt sowohl für die urteilsfremde Annahme, das amtsmißbräuchliche Verhalten des Angeklagten bestehe in der Erledigung der Widmungsbewilligung, als auch für die das Vorliegen eines Schädigungsvorsatzes bestreitenden Ausführungen. Unrichtig ist auch die Behauptung, durch die Erteilung der Widmungsbewilligung seien Anrainerinteressen nicht beeinträchtigt worden, weil hiebei die aus dem Bauakt ersichtlichen Einwände, deren Prüfung das Gesetz vorsieht und über die nicht rechtskräftig abgesprochen ist, übergangen werden. Wenn der Angeklagte schließlich überhaupt die Unmöglichkeit einer Schadenszufügung durch sein Verhalten darzutun versucht, ist auf die bereits oben dargestellte Rechtslage zu verweisen. Das geschützte Recht der Gemeinde lag nicht nur in der Prüfung der Bauführung, sondern auch darin, bei Verstößen gegen baurechtliche Bestimmungen die unverzügliche Baueinstellung zu verfügen (§ 68 Abs 1 und 3 StmkBO) und vorschriftswidrige Bauten zu beseitigen (§ 73 Abs 2 leg.cit. in der zur Tatzeit geltenden Fassung; die in der Beschwerde zitierte, gleichfalls eine Baubeseitigung vorsehende Bestimmung des § 70 a Abs 1 StmkBO in der Fassung des LGBl 14/1989 trat erst mit 1.März 1989 in Kraft). Der Erlassung des bei der gegebenen Sachlage gebotenen Beseitigungsauftrages stand aber - wie das Erstgericht richtig erkannt hat - das lediglich die Vollstreckung hemmende Ansuchen des Bauwerbers um (nachträgliche) Baubewilligung nicht entgegen (vgl VwGH vom 24.4.1973, Slg 8.402 A, ergangen zu § 10 VVG in Verbindung mit der StmkBO, abgedruckt im Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens3 Hauer-Leukauf E 15 a zu § 10 VVG). Durch die dem Angeklagten zur Last fallenden Rechtsverletzungen wurde demnach das konkrete Recht der Gemeinde auf Durchführung des in der StmkBO vorgesehenen Verfahrens noch vor Bauausführung verletzt.

Da der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen seine Amtsstellung wissentlich mißbraucht und auch in Ansehung der dargelegten Rechtsbeeinträchtigung mit (zumindest bedingtem) Vorsatz gehandelt hat, haftet dem Schuldspruch ein Rechtsirrtum nicht an. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

II. Zur Berufung gegen den Strafausspruch:

Das Schöffengericht verhängte über Max Z*** nach § 302 Abs 1 eine unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von zehn Monaten und wertete als erschwerend keinen Umstand, als mildernd die bisherige Unbescholtenheit.

Der Angeklagte begehrt nun die Herabsetzung dieser (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe auf das gesetzliche Mindestmaß von sechs Monaten und meint, daß der durch seine Angaben zur Wahrheitsfindung geleistete Beitrag und der Umstand, daß ein großes öffentliches Interesse an der Errichtung dieser Freiheithalle bestand, als weitere Milderungsumstände zu werten seien. Es ist tatsächlich nicht zu übersehen, daß der Wunsch nach Errichtung einer Festhalle nicht nur dem Erwerbsstreben des bauwerbenden Gastwirtes, sondern auch dem Interesse der Gemeinde entsprach, einen wettersicheren Veranstaltungsraum für die im Zusammenhang mit den Jubiläumsfeierlichkeiten ins Haus stehenden Großveranstaltungen zu haben, sodaß die Schuld des Berufungswerbers, der immerhin zwei Jahrzehnte lang zum Wohle der Gemeinde als deren Bürgermeister gewirkt hat, nicht überbewertet werden soll, wenn er zunächst davon ausging, es werde eine nachträgliche Baubewilligung möglich sein und deshalb unter Zeitdruck die Bauführung zuließ und förderte. Allerdings belastet ihn sein nachfolgendes Verhalten, trotz der Zusagen an die Anrainer und wiederholter Hinweise auf die Rechtslage, nichts unternommen zu haben, um den rechtmäßigen Zustand herzustellen. Bei Abwägung dieser Umstände unter besonderer Berücksichtigung des bisher unbescholtenen Wandels und der langen Amtszeit erscheint die Herabsetzung der - bedingt

nachgesehenen - Strafe auf ein knapp über der Mindeststrafdrohung liegendes Ausmaß als gerechtfertigt.

Der Berufung wegen Strafe war daher spruchgemäß Folge zu geben.

III. Zur Berufung gegen das Adhäsionserkenntnis:

Der Vertreter der Privatbeteiligten Hertha G***, Theresia M*** sowie Ernest und Maria S*** schloß sich am Ende der Hauptverhandlung mit einem Betrag von je 1.000 S unter Vorbehalt weiterer Ansprüche dem Strafverfahren als Privatbeteiligter an, welche Ansprüche der Verteidiger aber nicht anerkannte (S 226). Das Gericht sprach diesen Privatbeteiligten gemäß § 369 Abs 1 StPO je 1.000 S zu und begründete dies damit, daß allein für die Anzeigeerstattung Kosten in dieser Höhe erwachsen seien (S 244). Der Angeklagte bekämpft diese Zusprüche im wesentlichen mit der Begründung, daß sie in der Hauptverhandlung weder konkretisiert wurden noch den Ansätzen des Rechtsanwaltstarifs entsprächen. Abgesehen von diesen Einwänden findet der Zuspruch an die Privatbeteiligten überhaupt keine Deckung im Gesetz. Da der Angeklagte nämlich im Rahmen seiner Tätigkeit in der Hoheitsverwaltung straffällig wurde, handelte er als Organ der Marktgemeinde Semriach in Vollziehung der Gesetze. Für die bei einer derartigen Tätigkeit wem immer schuldhaft zugefügten Schäden am Vermögen oder an der Person haftet aber gemäß § 1 Abs 1 AmtshaftungsG nicht das Organ, sondern ausschließlich der Rechtsträger, als dessen Organ (Organwalter) der Schädiger tätig wurde. Es durfte daher Max Z*** zur Bezahlung eines Schadenersatzbetrages an die Privatbeteiligten nicht verurteilt werden (siehe hiezu Mayerhofer-Rieder2 ENr 7 und 9 zu § 365 StPO, jüngst 11 Os 27/88).

Der Berufung gegen das Adhäsionserkenntnis war sohin aus diesem Grunde Folge zu geben; die Privatbeteiligten waren mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.

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