Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.396,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 566,10 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 5.Juli 1943 geborene Klägerin war bei der beklagten Partei ab 1.Juni 1983 als Reinigungsfrau mit einer Arbeitszeit von 25 Wochenstunden gegen ein Entgelt von 7.290,50 S netto monatlich beschäftigt. Die Arbeit war von Montag bis Freitag nach Dienstschluß ab 17 Uhr zu verrichten. Zu den Dienstpflichten der Klägerin gehörte die tägliche Reinigung von acht Räumen im Obergeschoß und sechs Räumen im Parterre des Bürogebäudes. In zwei Räumen sind Teppichböden, in den übrigen Räumen Linoleum- und Steinböden verlegt. Die beiden Archivräume und das - mit Teppichboden versehene - Besprechungszimmer sind nicht täglich zu reinigen. Die Klägerin hatte nicht nur den Boden, sondern auch die Büroeinrichtung zu putzen. Darüber hinaus waren noch der Flur und zwei WC zu reinigen. Die Fensterfront war nur einmal monatlich zu putzen. Obwohl dieses Pensum in 25 Wochenstunden durchaus zu bewältigen ist, kam es (ab) dem Jahre 1988 zu Mängeln der von der Klägerin verrichteten Putzarbeiten. Die Klägerin wurde vom Prokuristen Rudolf S*** und auch von Karin S***, einer bei der beklagten Partei beschäftigten Sekretärin, mehrmals - vergeblich - aufgefordert, die Putzarbeiten ordentlich und vollständig zu verrichten. Vor allem die Böden und Toiletten sowie die Fenster waren nicht ordnungsgemäß gereinigt; es bildeten sich Schmutzansammlungen. Weiters wurde die Klägerin im Jahre 1988 darauf hingewiesen, daß Überstunden nur über ausdrücklichen Auftrag des Arbeitgebers zu verrichten sind. An diese Weisung hat sich die Klägerin nicht gehalten und immer wieder Überstunden verrechnet, zu deren Verrichtung kein Auftrag erteilt worden war. Mit Schreiben vom 13.Jänner 1989 wurde der Klägerin daraufhin mitgeteilt, daß Überstunden nur dann akzeptiert würden, wenn eine Genehmigung von Rudolf S*** vorliege. Die Klägerin telefonierte öfters auf Kosten der beklagten Partei und wurde auch des öfteren dort angerufen. Sie wurde erfolglos aufgefordert, dies zu unterlassen. Auch nach Weisung der beklagten Partei, dies abzustellen, langten öfters Fernschreiben für die Klägerin bei der beklagten Partei ein. Bereits im Jahre 1988 hatte Rudolf S*** der Klägerin erklärt, man müsse sich irgend einmal von ihr trennen, wenn sie die Weisungen nicht befolge. Am 22.September 1989 wurde der Klägerin das Kündigungsschreiben der beklagten Partei zugestellt. Das gleiche Arbeitspensum wird von der Nachfolgerin der Klägerin, Ingeborg R***, in der vorgesehenen Arbeitszeit von 25 Stunden zur vollsten Zufriedenheit der beklagten Partei bewältigt. Derzeit ist die Klägerin als arbeitslos gemeldet. Sie bezieht seit 1.November 1989 Arbeitslosengeld; der Tagessatz beträgt seit 1.Jänner 1990 184,40 S. Die Vermittlungsmöglichkeiten im Beruf der Reinigungsfrau sind im allgemeinen gut. Die Vermittlung der Klägerin wird durch ihr Alter und das gegenständliche Gerichtsverfahren erschwert. Eine Vermittlung auf einen gleich gut dotierten Arbeitsplatz ist nur schwer möglich. Im Dezember 1989 und im Februar 1990 wurde jeweils ein erfolgloser Vermittlungsversuch unternommen. Die Klägerin bewohnt mit ihrer 21jährigen selbsterhaltungsfähigen Tochter und ihrem 19jährigen Sohn, der noch eine Lehre absolviert, eine Wohnung, für die sie monatlich eine Miete von 5.000 S zu bezahlen hat. Bei der R*** B*** hat die Klägerin einen Kredit
aufgenommen, von dem noch 30.000 S offen sind.
Die Klägerin begehrt, die Kündigung für unwirksam zu erklären, weil diese wegen Beeinträchtigung wesentlicher Interessen sozial nicht gerechtfertigt sei. Seit Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei die Klägerin arbeitslos. Auf Grund ihres Alters sei es schwierig, eine gleichwertig entlohnte Arbeit zu finden. Allfällige Mängel ihrer Arbeit bei der beklagten Partei seien darauf zurückzuführen, daß die verlangte Arbeit in der zur Verfügung stehenden Arbeitszeit nicht zu bewältigen gewesen sei. Die Leistung von Überstunden sei zur Bewältigung der zugewiesenen Arbeit trotz gegenteiliger Anordnung notwendig gewesen; diese Leistungen seien von der beklagten Partei auch entgegengenommen worden. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Wesentliche Interessen der Klägerin würden durch die Kündigung nicht beeinträchtigt, weil sie als Reinigungsfrau jederzeit einen neuen Arbeitsplatz finden könne. Darüber hinaus sei die Kündigung durch in der Person der Klägerin gelegene, betriebliche Interessen nachteilig berührende Umstände begründet. Trotz wiederholter Ermahnungen, besser zu reinigen, habe eine Besserung der Arbeitsleistungen der Klägerin nicht erreicht werden können. Die Klägerin habe immer wieder Überstunden aufgeschrieben, obwohl ihr dies untersagt und angeordnet worden sei, Überstunden nur über ausdrückliche Weisung der beklagten Partei zu verrichten. Zum Putzen der Fenster sei die Klägerin zuletzt nur mehr gegen Entlohnung auf Überstundenbasis bereit gewesen. Außerdem habe die Klägerin während der Dienstzeit trotz Verbotes täglich sehr lange Telefongespräche geführt. Neben der Beschäftigung bei der beklagten Partei sei die Klägerin noch anderen Beschäftigungen nachgegangen und habe dadurch ihre Dienstpflichten verletzt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Klägerin habe ein durchaus zumutbares Arbeitspensum innerhalb der vorgegebenen Arbeitszeit nicht bewältigt und überdies Weisungen ignoriert, sodaß die Kündigung durch Umstände in der Person der Klägerin, die die betrieblichen Interessen nachteilig berührten, gerechtfertigt sei. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000,-- übersteige. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß durch die Kündigung wesentliche Interessen der Klägerin beeinträchtigt seien, weil sie auf ihr Einkommen zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes angewiesen und nach der Kündigung zumindest ein halbes Jahr arbeitslos gewesen sei; für die Klägerin sei es - auch im Hinblick auf ihr
Alter - schwierig, wieder einen ähnlich gut bezahlten Arbeitsplatz zu erlangen. Andererseits bestünden gute Vermittlungsmöglichkeiten für Reinigungskräfte. Auf seiten der beklagten Partei sei das Interesse an einer Reinigungskraft zu berücksichtigen, welche die ihr übertragenen Aufgaben ausreichend und zufriedenstellend erledige und die beklagte Partei nicht durch Kosten verbotener Privattelefonate belaste. Der unzulänglichen Arbeitsleistung der Klägerin trotz wiederholter Ermahnung und ihrem wiederholten Verstoß gegen das Verbot des Führens von Privattelefonaten komme nahezu das Gewicht eines Entlassungsgrundes (beharrliche Pflichtenvernachlässigung gemäß § 82 lit f GewO) zu. Bei Abwägung dieser Interessen überwiege das Interesse der beklagten Partei an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses jenes der Klägerin an seiner Aufrechterhaltung.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die behauptete Mangelhaftigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Zu Unrecht wendet sich die Revisionswerberin auch gegen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes.
Bei Beurteilung des Anfechtungsgrundes des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG ist primär zu prüfen, ob wesentliche Interessen des gekündigten - seit wenigstens sechs Monaten
beschäftigten - Arbeitnehmers beeinträchtigt sind. Bei dieser Prüfung ist nicht nur auf die Möglichkeit der Erlangung eines neuen, einigermaßen gleichwertigen Arbeitsplatzes abzustellen, sondern sind die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers einzubeziehen. Das Tatbestandsmerkmal der Beeinträchtigung wesentlicher Interessen ist dann erfüllt, wenn die durch die Kündigung bewirkte finanzielle Schlechterstellung ein solches Ausmaß erreicht, daß sie eine fühlbare, ins Gewicht fallende Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lage zur Folge hat, ohne daß aber eine soziale Notlage oder eine Existenzgefährdung eintreten müßte (vgl. Arb. 10.771; 10.775).
Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, sind durch die Kündigung wesentliche Interessen der Klägerin verletzt worden, die über den bloßen Verlust des bisherigen Arbeitsplatzes und damit über die mit jeder Kündigung verbundene Interessenbeeinträchtigung hinausgehen. Die Klägerin ist auf ihr Einkommen zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes angewiesen und hat - trotz an sich guter Vermittlungsmöglichkeiten in ihrer Branche - auch im Hinblick auf ihr Alter Schwierigkeiten, einen gleich gut bezahlten Arbeitsplatz zu erlangen.
Dem Berufungsgericht ist auch darin zu folgen, daß der beklagten Partei der Nachweis gelungen ist, daß in der Person der Klägerin gelegene Umstände die betrieblichen Interessen der beklagten Partei nachteilig berühren, da die Klägerin die ihr als Reinigungskraft übertragenen Aufgaben nicht ausreichend und zufriedenstellend erfüllte und wiederholt gegen das Verbot des Führens von Privattelefonaten verstieß. Diese Umstände müssen entgegen der von Cerny in ArbVG8 495 vertretenen Auffassung nicht so gravierend sein, daß sie die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über den Kündigungstermin hinaus unzumutbar machen. Wie Martinek in DRdA 1978, 336 ff [339] überzeugend dargelegt hat, hat der Verwaltungsgerichtshof diesen eine Abstufung nicht zulassenden Begriff aus dem Bereich der vorzeitigen Lösung von Dauerschuldverhältnissen, daher insbesondere auch von Arbeitsverhältnissen aus wichtigem Grund - ohne gesetzliche Grundlage - herangezogen und auf auf diese Weise der vom Gesetzgeber beabsichtigten Interessenabwägung den Boden entzogen; ähnlich auch Floretta "Die Interessenabwägung beim allgemeinen Kündigungsschutz" in FS Strasser 335 ff [342] sowie Firlei "Interessenabwägung beim allgemeinen Kündigungsschutz" WBl. 1989, 197 ff [199]. Es reicht vielmehr aus, daß die in der Person des Arbeitnehmers gelegenen Umstände die betrieblichen Interessen soweit nachteilig berühren, daß sie bei objektiver Betrachtungsweise einen verständigen Betriebsinhaber zur Kündigung veranlassen würden, und die Kündigung als gerechte, dem Sachverhalt adäquate Maßnahme erscheinen lassen (vgl. Kuderna "Die sozial ungerechtfertigte Kündigung nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG" DRdA 1975, 9 ff [14]). Der Arbeitgeber kann zwar auf sein Recht, die in der Person des Arbeitnehmers gelegenen Kündigungsgründe geltend zu machen, dadurch schlüssig verzichten, daß er das Arbeitsverhältnis trotz Kenntnis des Kündigungsgrundes fortsetzt (vgl. Kuderna aaO 13; Floretta in Spielbüchler-Floretta-Strasser Arbeitsrecht I3 283); ein derartiger Verzicht ist im vorliegenden Fall aber nicht anzunehmen, weil es sich um ein Dauerverhalten der Klägerin handelte, das sie - trotz Ermahnungen - bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortsetzte (vgl. Floretta aaO 303).
Da die betrieblichen Interessen durch das Verhalten der Klägerin in erheblichem Maße berührt wurden - sie erreichten, wie das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben hat, nahezu das Gewicht eines Entlassungsgrundes -, überwiegen sie das (wesentliche) Interesse der Klägerin an der Aufrechterhaltung eines Arbeitsverhältnisses, zumal sie gegen eine relativ gute Bezahlung eine unzureichende Arbeitsleistung erbrachte und trotz Verbotes einen Teil ihrer Arbeitszeit darauf verwendete, auf Kosten ihres Arbeitgebers privat Telefonate zu führen (vgl. Kuderna aaO 14 sowie Grillberger "Neue Tendenzen im Arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz?" WBl. 1990, 7 ff [12]).
Die Interessenabwägung führt daher dazu, daß die gegenständliche
Kündigung nicht sozial ungerechtfertigt ist.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 58 Abs 1 Satz 1 ASGG und 41, 50 ZPO.
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