OGH 14Os109/90

OGH14Os109/906.11.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.November 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Stephan P*** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 14.August 1990, GZ 20 o Vr 3704/90-35, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugemittelt.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde der am 6.Dezember 1951 geborene Stephan P*** - dessen Geburtsdatum in der Urteilsausfertigung ersichtlich irrtümlich mit

16. anstatt richtig mit 6.Dezember 1951 (vgl S 9, 43, 146) angegeben ist - des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 (zweiter Fall) StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 30.März 1990 in Wien unter Verwendung einer Waffe dadurch, daß er Renate S*** in seinem PKW würgte, ihr ein Messer mit der Spitze am Hals anhielt und äußerte, er bringe sie um, ferner sie aufforderte, sie solle beim Verlassen des PKW ihre Handtasche im Auto lassen, die Genannte mit Gewalt gegen ihre Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Handtasche mit 3.900 S Bargeld, eine 1 US-Dollar Banknote und Wohnungsschlüssel, mit dem Vorsatz abgenötigt, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Die Geschwornen hatten die anklagekonform gestellte Hauptfrage bejaht und die für diesen Fall gestellte Zusatzfrage nach Begehung der Tat im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) verneint. Mit seiner auf die Gründe der Z 11 lit b und 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde macht der Angeklagte zum einen geltend, der Umstand, daß "auch die einzige Zeugin (Renate S***) von einer anfallsartigen Handlungsweise (des Angeklagten) sprach", sei ebensowenig berücksichtigt worden wie die Ausführungen des Sachverständigen, wonach "eine Verdrängung und damit eine geistige Störung gegeben" gewesen sei; zum anderen wendet er ein, daß man selbst dann, wenn der Angeklagte "voll Bewußtsein gehandelt hat", zum Ergebnis kommen müsse, daß "sein Vorsatz zumindest zum Zeitpunkt der Verwendung des Messers nicht auf Bereicherung, sondern bestenfalls auf eine Nötigung gerichtet" gewesen sei. Die Beschwerde entbehrt zur Gänze der gesetzmäßigen Ausführung. Bei der auf § 345 Abs 1 Z 11 lit b StPO gestützten Rechtsrüge verkennt sie, daß im geschwornengerichtlichen Rechtsmittelverfahren der offensichtlich angezogene Schuldausschließungsgrund des § 11 StGB - anders als im schöffengerichtlichen Verfahren nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO - nicht unmittelbar mit einem materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund releviert werden kann (Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr 4 zu § 345 Z 11 lit b). Die gesetzmäßige Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes erfordert nämlich, daß sich die behauptete unrichtige Gesetzesanwendung aus dem Vergleich der im Wahrspruch der Geschwornen enthaltenen Tatsachenfeststellungen mit der zur Anwendung gebrachten Norm ergibt. Der behauptete Rechtsirrtum muß sich demnach aus dem Wahrspruch selbst ableiten lassen; ein Zurückgreifen auf wirkliche oder vermeintliche Verfahrensergebnisse, die im Wahrspruch keine Berücksichtigung fanden, ist ausgeschlossen. Der Wahrspruch der Geschwornen über eine Zusatzfrage (nach § 11 StGB) ist demnach nur im Wege einer Anfechtung der Fragestellung (Z 6) oder der darauf bezogenen Rechtsbelehrung (Z 8) bekämpfbar (SSt 54/39 uva).

Ebenso erfordert aber auch die gesetzmäßige Geltendmachung einer Subsumtionsrüge (Z 12), daß am bezüglichen Inhalt des Wahrspruchs der Geschwornen festgehalten wird (Mayerhofer-Rieder aaO ENr 8 zu § 345 Z 12). Demnach ist bei der Beantwortung der Rechtsfrage, ob die dem Beschwerdeführer im Urteil angelastete Raubtat unter Verwendung einer Waffe begangen wurde (§ 143 zweiter Fall StGB), ausschließlich vom Wahrspruch auszugehen. Ein Rückgriff auf einzelne Verfahrensergebnisse - wie ihn die Beschwerde unternimmt - ist dabei nicht zulässig. Nach den Feststellungen im Wahrspruch hat der Angeklagte die Waffe (Messer) bei der Ausführung der (Raub-)Tat als Gewalt-/Drohmittel (sichtbar) zum Einsatz gebracht. Es wäre dem Beschwerdeführer (auch) insoweit freigestanden, zu versuchen, die von ihm vertretene Auffassung im Wege einer Anfechtung der Fragestellung (Z 6) allenfalls auch der Rechtsbelehrung (Z 8) durchzusetzen; über den materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs 1 Z 12 StPO ist dies prozeßordnungsgemäß ausgeschlossen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur gemäß §§ 285 d Abs 1, 344 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen. Daraus folgt, daß zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist (§§ 285 i, 344 StPO).

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