OGH 4Ob165/90

OGH4Ob165/906.11.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. (nunmehr:) K***-V*** Gesellschaft mbH & Co Vermögensverwaltung KG,

  1. 2. K***-V*** Gesellschaft mbH, beide Wien 19., Muthgasse 2,
  2. 3. M*** Zeitungs- und Zeitschriftenverlag Gesellschaft mbH Co KG, 4. M*** Zeitungs- und Zeitschriftenverlag

    Gesellschaft mbH, beide Wien 7., Lindengasse 52, sämtliche vertreten durch Dr. Ewald Weiss, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei (richtig nunmehr:) DIE G*** W*** Zeitschriftengesellschaft mbH, Wien 16., Odoakergasse 34-36, vertreten durch DDr. Walter Barfuß und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Unzulässigkeit einer Exekution (Streitwert S 470.000), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 21. Juni 1990, GZ 46 R 303/90-13, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Exekutionsgerichtes Wien vom 11. September 1989, GZ 3 C 14/89-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung insgesamt zu lauten hat:

"Der gegen die Klägerinnen als Verpflichtete erlassene Strafvollzugsbeschluß des Exekutionsgerichtes Wien vom 12.6.1989, 3 E 6207/89-13, wird für unzulässig erklärt."

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 69.725,36 bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin S 11.212,56 Umsatzsteuer und S 2.450 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit der auf Antrag der Beklagten erlassenen einstweiligen Verfügung vom 20.April 1989, 38 Cg 110/89, trug das Handelsgericht Wien den Klägerinnen auf, sofort und bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteiles "beim Vertrieb der periodischen Druckschrift 'Neue Kronen-Zeitung' das Ankündigen und/oder Durchführen (einschließlich beim Veröffentlichen oder sonstigen Vorstellen der Gewinner und/oder dem Zuwenden der Gewinne) von Gewinnspielen und/oder anderen Werbemaßnahmen zu unterlassen, bei denen Preise nicht unbedeutenden Wertes verlost werden oder der Erhalt von Preisen sonst von einem Zufall abhängig ist, wenn dabei - etwa durch die Teilnahmebedingungen oder die Art der Ankündigung - der Eindruck erweckt wird, daß zur Teilnahme der Erwerb der Druckschrift notwendig oder zumindest förderlich ist, insbesondere ab sofort das Ankündigen und/oder Durchführen von Gewinnspielen zu unterlassen, bei denen Preise nicht unbedeutenden Wertes ausgespielt werden, wenn die einzelnen Gewinne in der 'Neuen Kronen-Zeitung' - insbesondere in aufeinanderfolgenden Ausgaben - näher beschrieben werden und/oder wenn das Gewinnspiel - etwa im Rundfunk - beworben wird, ohne daß in jeder einzelnen Zeitungsverschleißstelle die Möglichkeit besteht, auf andere Weise als durch den Erwerb der 'Neuen Kronen-Zeitung' Näheres über dieses Gewinnspiel, insbesondere die Teilnahmebedingungen und die Art der Gewinne, zu erfahren."

Auf Grund dieser einstweiligen Verfügung bewilligte das Handelsgericht Wien mit Beschluß vom 27.4.1989 der Beklagten als Betreibender die Exekution gemäß § 355 EO gegen die Klägerinnen als Verpflichtete.

Nach Erlassung der Strafvollzugsbeschlüsse vom 2.5., 9.5., 30.5. und 1.6.1989 verhängte das Exekutionsgericht mit Beschluß vom 12.6.1989, 3 E 6207/89-13, über die Verpflichteten eine Geldstrafe von je S 50.000. In ihrem Strafvollzugsantrag vom 8.6.1989 hatte die Beklagte vorgebracht, daß die "Neue Kronen-Zeitung" derzeit eine Aktion "Urlaub in Österreich: Attraktiv genug?" durchführe, dabei auf der "Insider"-Seite Einsendungen zu diesem Thema veröffentlichte und in Verletzung der Exekutionsbewilligung für veröffentlichte Beiträge den Betrag von je S 500 ankündige.

Auf Seite 23 der "Neuen Kronen-Zeitung" vom 4.6.1989, der sog. "Insider"-Seite, war folgendes zu lesen gewesen:

"Die nächste Ideenbörse zum Thema: 'Urlaub in Österreich:

Attraktiv genug?' erscheint am 2.Juli. Veröffentlichte Beiträge (bitte unbedingt ein Foto mitschicken) honorieren wir mit 500 Schilling. Schreibt an: INSIDER, Kennwort: 'Gedanken und Ideenbörse', Muthgasse 2, 1190 Wien".

Gegen den Stafvollzugsbeschluß des Exekutionsgerichtes Wien, 3 E 6207/89-13, erheben die Klägerinnen Einwendungen gemäß § 36 EO mit dem Antrag, diese "Exekutionsbewilligung" für unzulässig zu erklären. Die beanstandete Ankündigung vom 4.6.1989 sei kein Gewinnspiel, bei dem Preise verlost werden, und erwecke auch nicht den Eindruck, ein solches zu sein. In ihr werde nur verbindlich zugesagt, daß die Leistung eines jeden jugendlichen Einsenders, dessen Beitrag von der Redaktion für wert befunden wird, einem breiten Publikum zur Kenntnis gebracht zu werden, mit S 500 honoriert werde. Tatsächlich würden jene Einsendungen ausgewählt, die das gestellte Thema sachlich am prägnantesten erörtern. Wollte man aber in der Ankündigung ein Gewinnspiel sehen, so läge doch kein Verstoß gegen § 28 UWG vor, weil der Erfolg nicht von einem Zufall abhängig sei.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Da in der Ankündigung vom 4.6.1989 nicht gesagt werde, wer die zu veröffentlichenden Einsendungen aussucht und nach welchen Kriterien dies geschieht, sei die Zuwendung von einem Zufall im Sinne des § 28 UWG abhängig; sie verstoße somit gegen den Exekutionstitel. Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Die dem bekämpften Strafvollzugsbeschluß zugrunde liegende Ankündigung erfülle alle Tatbestandsmerkmale der einstweiligen Verfügung des Handelsgerichtes Wien vom 20.4.1989. Die Zuwendung des Preises von S 500 sei sehr wohl zufallsbedingt, da ein bestimmtes Auswahlverfahren nicht angekündigt worden sei.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die Revision nicht zulässig sei. Die Veröffentlichung und Prämierung von Leserzuschriften sei als Werbemaßnahme zu werten, weil durch die Zahlung nicht unbedeutender Beträge für die Veröffentlichung das Publikum der Druckschrift gegenüber positiv gestimmt werden solle. Der Betrag von S 500 für jede veröffentlichte Leserzuschrift sei ein Preis nicht unbedeutenden Wertes. Die Vergabe der Preise sei von einem Zufall im Sinne des § 28 UWG abhängig, lasse doch die beanstandete Ankündigung keine Kriterien für die Bewertung der eingehenden Zuschriften erkennen. Der Teilnehmer sei auch gezwungen, die nächste Ausgabe der "Neuen Kronen-Zeitung" zu kaufen, um zu erfahren, ob seine Einsendung tatsächlich veröffentlicht wurde und er somit Anspruch auf die Zahlung des Gewinnes hat. Damit entstehe jedenfalls der Eindruck, daß der Erwerb der Druckschrift für die Teilnahme förderlich sei. Die beanstandete Ankündigung vom 4.6.1989 enthalte demnach alle Tatbestandsmerkmale eines Zuwiderhandelns gegen die Exekutionsbewilligung des Handelsgerichtes Wien vom 27.4.1989.

Gegen dieses Urteil wendet sich die außerordentliche Revision der Klägerinnen wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagte beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil zu der Frage, ob das Ankündigen eines Entgeltes für die Erbringung einer Leistung zugunsten des Ankündigenden als Gewinnspiel oder Werbemaßnahme gewertet werden kann, bei der auf Grund eines Zufalls Preise nicht unbedeutenden Wertes erlangt werden können, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes - soweit überblickbar - fehlt; sie ist auch berechtigt. Zunächst ist darauf zu verweisen, daß die Bezeichnungen der Erstklägerin und der Beklagten - wie es die Streitteile im Revisionsverfahren bereits getan haben - zu berichtigen sind. Die Firma der Erstklägerin ist nämlich in "K***-V*** Gesellschaft mbH & Co Vermögensverwaltung KG" geändert worden, während das Unternehmen der früher als Beklagte in Anspruch genommenen "DIE G*** W*** Zeitschriftengesellschaft mbH & Co KG" nach dem Ausscheiden der einzigen Kommanditistin mit 30.3.1990 ohne Liquidation mit Aktiven und Passiven auf die frühere (einzige) Komplementärin - "DIE G*** W*** Zeitschriftengesellschaft mbH" - übergegangen und damit Eigentum der Übernehmerin geworden ist. Das führt zu einer Gesamtrechtsnachfolge des Übernehmers im Wege der Anwachsung (SZ 44/171; Koppensteiner in Straube, HGB, Rz 10 zu § 142 mwN). Als Beklagte ist demnach nunmehr die "DIE G*** W*** Zeitschriftengesellschaft mbH" zu behandeln (vgl. SZ 52/50; MietSlg. 33.641; 4 Ob 89/90 uva).

Nach ständiger Rechtsprechung darf die Exekution nur dann bewilligt werden, wenn das behauptete konkrete Verhalten titelwidrig ist (ÖBl 1982, 51; ÖBl 1983, 149). Dabei kommt es nicht darauf an, was der Verpflichtete nach dem Gesetz, sondern was er nach dem Exekutionstitel zu unterlassen hat (SZ 47/2; ÖBl 1985, 49 uva); ein Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung ist als bejahende Bedingung für den Eintritt der materiellen Vollstreckbarkeit im Sinne des § 7 Abs 2 Satz 2 EO am Inhalt des Exekutionstitels zu messen. Behauptet der Verpflichtete, daß die Voraussetzungen für die Exekutionsbewilligung nicht zuträfen, dann kann er - auch anstelle eines allenfalls möglichen Rekurses - Klage nach § 36 Abs 1 Z 1 EO erheben (EvBl. 1973/184; 3 Ob 102/90 uva). Im vorliegenden Fall behaupten die Klägerinnen nicht, daß die Exekution zu Unrecht bewilligt worden sei, sondern nur, daß die Voraussetzungen für einen bestimmten auf Grund der Exekutionsbewilligung erlassenen Vollzugsbeschluß nicht vorhanden gewesen seien; auch in diesem Fall kann eine Impugnationsklage erhoben werden (Heller-Berger-Stix 434; SZ 6/30; SZ 45/84).

Nach dem Exekutionstitel und der damit übereinstimmenden Exekutionsbewilligung sind den Klägerinnen als

Verpflichteten - soweit hier von Bedeutung - Gewinnspiele und/oder andere Werbemaßnahmen untersagt, bei denen Preise nicht unbedeutenden Wertes verlost werden oder der Erhalt von Preisen sonst von einem Zufall abhängig ist. Mit Recht verweisen die Klägerinnen darauf, daß die dem bekämpften Strafvollzugsbeschluß zugrunde liegende Bekanntgabe in der "Neuen Kronen-Zeitung" vom 4.6.1990 nicht diese Tatbestandsmerkmale aufweist. Die Klägerinnen haben vielmehr dort nur zugesagt, daß sie Beiträge von Lesern veröffentlichen und den Autoren ein Honorar von S 500 zahlen würden. Von einem "Gewinnspiel" kann dabei keine Rede sein. Mag auch das (regelmäßige) Veröffentlichen und Honorieren von Leserzuschriften als "Werbemaßnahme" anzusehen sein, so verteilen doch die Klägerinnen nicht "Preise"; vielmehr versprechen sie, dem Verfasser eines Beitrages, den sie in ihrer Zeitung veröffentlichen, ein Entgelt zu leisten. Der Exekutionstitel kann nur dahin verstanden werden, daß den Klägerinnen das Veranstalten von Preisausschreiben, die mit dem Absatz ihrer Zeitung verknüpft sind, untersagt wird. Ein "Preisausschreiben" im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauches liegt aber dann nicht vor, wenn - wie hier - ein Unternehmer öffentlich erklärt, er werde für eine Werkleistung, die er selbst verwerten (hier: in seiner Zeitung veröffentlichen) wolle, ein Entgelt zahlen. Da die Klägerinnen in ihrer Zeitung Beiträge aus dem Publikum zu jeweils vorgegebenen Themen veröffentlichen wollen, liegt es in ihrem eigenen Interesse, entsprechende Zuschriften zu erhalten. Sie werben mit der beanstandeten Ankündigung sohin Laien zu einer Mitarbeit an ihrer Zeitung an und sind bereit, dafür eine Gegenleistung in Form eines Honorars zu erbringen, gegen dessen Angemessenheit keine Bedenken bestehen. Ob allenfalls dann, wenn der angebotene Geldbetrag in keinem vernünftigen Verhältnis zur geforderten Leistung stünde, von einem "Preis" im Sinne der im § 28 UWG genannten "Zuwendung (Prämie)" gesprochen werden könnte, kann hier offen bleiben. Der vorliegende Fall ist jedenfalls nicht anders zu beurteilen, als wenn eine Fachzeitschrift ankündigt, sie zahle dem Einreicher eines Manuskriptes, das sie veröffentlicht, ein bestimmtes Honorar.

Da sohin der bekämpfte Strafvollzugsbeschluß zu Unrecht erlassen wurde, war der Revision Folge zu geben; die Urteile der Vorinstanzen waren dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben wird. Der Ausspruch über die Kosten des Verfahrens erster Instanz gründet sich auf § 41 ZPO, jener über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf dieselbe Gesetzesstelle in Verbindung mit § 50 ZPO.

Stichworte