OGH 14Os111/90

OGH14Os111/906.11.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.November 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Herbert L*** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 30.Mai 1990, GZ 9 d Vr 7843/89-15, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten gemäß § 285 i StPO dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 50-jährige Volksschuloberlehrer Herbert L*** (1.) des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und (2.) des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in der Zeit von September 1988 bis März 1989 in Wien (zu 1) in wiederholten Angriffen unmündige Personen, nämlich die nachgenannten, jeweils die 2. Volksschulklasse besuchenden ca. acht- bis neunjährigen Mädchen, und zwar "zumindest Katharina T***, Tanja B***, Sonja B*** und Sandra G***", auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, indem er die genannten Mädchen jeweils auf seinen Schoß setzen ließ und sie (über der Kleidung) an ihrem Geschlechtsteil streichelte bzw. "kitzelte";

(zu 2) unter Ausnützung seiner Stellung als Lehrer gegenüber den seiner Erziehung, Ausbildung oder Aufsicht unterstehenden zu Punkt 1 genannten Mädchen diese durch die oben bezeichneten Tathandlungen zur Unzucht mißbraucht.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Gründe der Z 4, 5, 5 a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Eine Beeinträchtigung seiner Verteidigungsrechte im Sinn des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrundes (Z 4) erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung (S 139 iVm S 84) gestellten Antrages auf zeugenschaftliche Vernehmung des (Mitschülers) Peter A***. Durch den Genannten sollte - wie sich aus dem Antrag ON 9, S 84 - ergibt, dargetan werden, daß der Angeklagte - dem alle Kinder sehr zugetan gewesen seien, sich oft an ihn drängten, einige sich sogar an ihn zu hängen versuchten, wobei er die Kindern dann, um sie nicht wegzustoßen, durch Kitzeln dazu gebracht habe, von ihm abzulassen - "niemals ein Kind auf den Schoß genommen oder zugelassen" habe, daß es "sich auf seinen Schoß setzt und am Geschlechtsteil gestreichelt oder gekitzelt" habe.

Die Verfahrensrüge geht indes schon darum fehl, weil das in der Beschwerde relevierte Beweisthema, der beantragte Zeuge Peter A*** hätte bestätigen können, daß "der Angeklagte immer von allen Schülern der Klasse beobachtet werden konnte und beobachtet wurde", dem im abgewiesenen - für die Beurteilung auf Relevanz allein maßgeblichen - Antrag angegebenen Thema nicht entspricht. Zudem wäre der Angeklagte angesichts der auch von ihm nicht in Abrede gestellten ihn bestürmenden Ausgelassenheit der Kinder während der Unterrichtspausen und der Vernehmung mehrerer zum selben Thema beantragten Zeugen in der Hauptverhandlung (vom 30.Mai 1990) verpflichtet gewesen, durch die Angabe konkreter Umstände darzutun, aus welchen Gründen zu erwarten ist, daß gerade die zeugenschaftliche Vernehmung des Schülers Peter A*** das vom Beschwerdeführer behauptete Ergebnis haben soll und damit geeignet sein könnte, die dem Schöffengericht durch die Gesamtheit der ihm bereits vorliegenden Verfahrensergebnisse vermittelte Sach- und Beweislage maßgebend zu verändern (16 Os 2/90 ua). Daß aber die Tathandlungen vom Angeklagten "in den Pausen" bzw. "während des Unterrichts", also in Gegenwart von Mitschülern gesetzt wurden, haben die Tatrichter ohnedies als erwiesen angenommen (US 5 f). Soweit der Beschwerdeführer dem Erstgericht unter demselben Nichtigkeitsgrund (Z 4), das Unterbleiben der Beischaffung der Mitteilungshefte der Schülerinnen Katharina T*** und Sonja B*** betreffend das Schuljahr 1988/1989 zum Vorwurf macht, die Aufschluß über Motive gegeben hätten, gegen den Angeklagten zu konspirieren, behauptet er in Wahrheit einen Verfahrensmangel, für dessen Geltendmachung es jedoch schon an einem in der am 30.Mai 1990 neu durchgeführten Hauptverhandlung (konform) gestellten Antrag fehlt. Durch die Ablehnung der Beweisanträge wurden sohin Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht beeinträchtigt. Die Mängelrüge (Z 5) erschöpft sich in der Behauptung, zwischen den Angaben der Entscheidungsgründe über den Inhalt der gerichtlichen Aussagen und dem Hauptverhandlungsprotokoll bestünden erhebhiche Widersprüche. Die Rüge läßt solcherart die erforderliche Substantiierung vermissen und ist demzufolge einer sachbezogenen Erörterung unzugänglich.

Mit der Tatsachenrüge (Z 5 a) hinwieder vermag der Beschwerdeführer keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen. Die von der Beschwerde gegen die Aussagen der als Zeugen vernommenen Tatopfer vorgebrachten Einwände, wonach den Mädchen das Streicheln im Genitalbereich unangenehm gewesen, ihnen jedoch nicht bewußt geworden sei, welche Handlungen und zu welchem Zweck sie der Angeklagte vorgenommen habe, sind nicht geeignet, intersubjektiv begründete Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Mädchen zu erwecken.

Insoweit stellen sich die bezüglichen Beschwerdausführungen nur als Bekämpfung der erstrichterlichen Beweiswürdigung dar, worauf jedoch eine Tatsachenrüge nicht gestützt werden kann. Die in deren Rahmen angestellten rechtlichen Überlegungen aber lassen unberücksichtgt, daß nach herrschender Lehre und Rechtsprechung ein Mißbrauch zur Unzucht im Sinn des § 207 Abs 1 StGB immer dann vorliegt, wenn zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörige, somit den männlichen oder weiblichen Körper spezifisch eigentümliche Körperpartien des Opfers und des Täters mit dem Körper des anderen in eine nicht bloß flüchtige und oberflächliche Berührung gebracht werden, wobei es nicht nur auf die zeitliche Dauer der Berührung, sondern auch auf deren Intensität, Präzision und Zielsicherheit ankommt (EvBl 1976/205; EvBl 1977/184; Leukauf-Steininger2 § 207 RN 5). Soweit die Beschwerde - gleichfalls im Rahmen der Tatsachenrüge - gegen die Annahme, der Angeklagte habe die Tathandlungen gesetzt, um sich selbst geschlechtlich zu erregen und zu befriedigen, einwendet, daß kein einziger Zeuge Angaben über ein sexual-bezogenes Verhalten des Angeklagten, wie obszöne Äußerungen, schnelles Atmen oder Keuchen geben konnte, genügt der Hinweis, daß auf der subjektiven Tatseite des hier aktuellen ersten (wie auch des zweiten) Deliktsfalles des § 207 Abs 1 StGB eine auf sexuelle Erregung oder Befriedigung des Täters gerichtete Absicht nicht erforderlich ist (Leukauf-Steininger aaO RN 12).

Die sich in der bloßen Behauptung: "Da der Angeklagte nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht nach § 207 Abs 1 StGB schuldig geworden ist, kann diese Gesetzesbestimmung hier auch nicht zur Anwendung gebracht werden", erschöpfende Subsumtionsrüge (Z 10) schließlich läßt eine prozeßordnungsgemäße Ausführung vermissen, weil sie zum einen das andere Strafgesetz nicht angibt, welches auf den festgestellten Sachverhalt hätte angewendet werden sollen; zum anderen kann die behauptete Nichtigkeit nur vorliegen, wenn die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes, die unangefochten und unverrückbar bleiben müssen, nicht alle subjektiven und objektiven Merkmale des angewendeten Strafgesetzes enthalten (Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 8 ff zu § 281 Z 10).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach - übereinstimmend mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - schon bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285 d Abs 1 StPO zurückzuweisen. Daraus folgt, daß zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft der zuständige Gerichtshof zweiter Instanz berufen ist (§ 285 i StPO).

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