OGH 4Ob147/90

OGH4Ob147/9023.10.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josü C***, Opernsänger, Barcelona, El turo del Home 26, Spanien, vertreten durch Dr.Skender Fani und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei DIE E*** Ö*** S***-C***-B***, Wien 1., Graben 21, vertreten durch Dr.Christian Haas, Rechtsanwalt in Wien, und die Nebenintervenientin auf der Seite der beklagten Partei Angele Z***, Verlag für Kunst und Kultur, Salzburg, Mildenburggasse 6, vertreten durch Dr.Wolfgang Broesigke und Dr.Bertram Broesigke, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 200.000 (Revisionsinteresse S 20.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 7.Mai 1990, GZ 4 R 51/90-55, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 11.Dezember 1989, GZ 39 Cg 204/86-47, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Schreiben vom 28.5.1985 erteilte die Beklagte der Nebenintervenientin als Medieninhaberin und Herausgeberin der "Festspiel-Illustrierten" den Auftrag, in dieser Zeitschrift eine Werbeanzeige im Umfang einer Viertelseite einzuschalten. In diesem Schreiben, welchem eine Textvorlage für das Inserat angeschlossen war, hieß es: "Bei Rechnungslegung ersuchen wir um Überlassung eines Belegexemplars". Einen weiteren Kontakt zwischen der Nebenintervenientin und der Beklagten gab es in dieser Angelegenheit nicht; insbesondere wurde die Plazierung der Anzeige nicht erörtert. Die Beklagte erhielt keinen Bürstenabzug, wohl aber ein Belegexemplar der Zeitschrift. Das dort veröffentlichte Inserat war das einzige, das die Beklagte jemals in der "Festspiel-Illustrierten" hatte einschalten lassen. Die Seite 35 der "Festspiel-Illustrierten" vom Juli/August 1985 hatte folgendes Aussehen:

Abbildung nicht darstellbar!

Die Brutto-Auflage der "Festspiel-Illustrierten" betrug im Jahr 1985 etwa 30.000, ihre Netto-Auflage etwa 16.000 Exemplare; sie hatte demnach rund 80.000 bis 100.000 Leser.

Durch die Plazierung ihres Werbetextes unmittelbar unter dem Foto des Klägers erlangte die Beklagte einen mit S 20.000 zu bewertenden Vorteil.

Mit der - für das Revisionsverfahren allein noch

maßgebenden - Behauptung, daß die Beklagte durch die graphische Einheit zwischen ihrem Inserat und dem Lichtbild des Klägers dessen Werbewirksamkeit zu ihrem Vorteil benützt und sich dadurch ein angemessenes Entgelt dafür erspart habe, begehrt der Kläger von der Beklagten S 200.000 sA.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe auf die Plazierung des Inserates keinen Einfluß genommen. Da ein sachlicher Zusammenhang zwischen der Abbildung des Klägers, dem Inhalt des über ihn veröffentlichten Artikels und der Werbeaussage im Inserat fehle, sei ein Verwendungsanspruch ausgeschlossen; einem solchen stünden auch die Rechtsbeziehungen auf Grund der zwischen den Beteiligten geschlossenen Verträge entgegen. Überdies sei der Beklagten kein Nutzen entstanden.

Der Erstrichter sprach dem Kläger - unter Abweisung des Mehrbegehrens von S 180.000 sA - den Betrag von S 20.000 sA zu. Der geltend gemachte Verwendungsanspruch (§ 1041 ABGB) sei zu bejahen:

Eine Verwendung im Sinne des § 1041 ABGB könne auch durch den Eingriff eines Dritten, ja sogar durch eine versehentliche Handlung des Verkürzten oder auch durch Zufall erfolgen. Der Nutzen könne in der Ersparnis von Aufwendungen liegen. Bei bloßer Benützung einer fremden Sache sei ein angemessenes Entgelt zu zahlen. Auch der Bekanntheitsgrad einer Person, die ihr Bild regelmäßig nur gegen Entgelt zur Verfügung stellt, könne ein schützwürdiges Rechtsgut sein. Durch den bloßen Gebrauch dieses Bekanntheitsgrades erlange der Verwender einen Nutzen, der regelmäßig mit dem Betrag bemessen werde, den er sich dadurch erspart habe. In einem solchen Fall könne der Eigentümer ein entsprechendes Benützungsentgelt verlangen; der redliche Benützer habe den Vorteil zu vergüten, der ihm nach seinen subjektiven Verhältnissen entstanden sei, im vorliegenden Fall also S 20.000.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Ein Verwendungsanspruch könne nur dann geltend gemacht werden, wenn die Verwendung zum Nutzen eines anderen (als des Berechtigten) ungerechtfertigt sei. Im Drei-Personen-Verhältnis führe die Regel von der ergänzenden Funktion dann zum Ausschluß von Ansprüchen aus § 1041 ABGB, wenn die Vermögensverschiebung im (Vertrags- oder sonstigen Schuld-)Verhältnis zu einem Dritten ihren hinreichenden Rechtsgrund findet. Eine solche Beziehung bestehe jedoch hier zwischen dem Kläger und der Nebenintervenientin nicht. Ob dem Kläger Schadenersatzansprüche gegen die Nebenintervenientin zustehen, könne dahingestellt bleiben, weil ein solcher Schadenersatzanspruch den Verwendungsanspruch nicht ausschließe. Der Kläger habe daher gegen die Beklagte einen Anspruch nach § 1041 ABGB. Mehrere Personen, die in das fremde Recht eingreifen oder daraus Nutzen ziehen, hafteten alle dem Verkürzten, ohne daß das interne Verhältnis zwischen den Verwendungschuldnern Auswirkungen auf ihn hätte.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen wird.

Die Beklagte und die Nebenintervenientin haben sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Da im Hinblick darauf, daß der Kläger in Spanien wohnt und offenkundig nicht österreichischer Staatsbürger ist, ein Sachverhalt mit Auslandsberührung (§ 1 IPRG) zu beurteilen ist, hat das Berufungsgericht mit Recht die Frage geprüft, welche Rechtsordnung zur Anwendung kommt. Ihm ist darin beizupflichten, daß der vom Kläger geltend gemachte Anspruch als Bereicherungsanspruch im Sinne des § 46 IPRG, nämlich als Anspruch aus ungerechtfertigter Vermögensverschiebung (Schwimann in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 46 IPRG), zu werten ist; er ist daher nach österreichischem Recht als dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem die Bereicherung eingetreten ist (§ 46 Satz 1 IPRG).

Das Gericht zweiter Instanz hat aber auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1041 ABGB mit Recht bejaht:

Nach § 1041 ABGB kann dann, wenn eine Sache ohne Geschäftsführung zum Nutzen eines anderen verwendet worden ist, der Eigentümer sie in Natur, oder wenn dieses nicht mehr geschehen kann, den Wert verlangen, den sie zur Zeit der Verwendung gehabt hat, obgleich der Nutzen in der Folge vereitelt worden ist. Der Begriff der "Sache" ist weit zu verstehen; darunter fällt jedes vermögenswerte Gut, soweit es einem anderen als dem Verwender ausschließlich zugewiesen ist (Rummel in Rummel, ABGB2, Rz 2 zu § 1041; Apathy in Schwimann, Praxiskommentar zum ABGB, Rz 2 zu § 1041; SZ 49/43; SZ 55/12 uva); auch der geldwerte Bekanntheitsgrad einer Persönlichkeit wie etwa eines bekannten Sportlers (SZ 55/12) oder - wie hier - eines berühmten Sängers gehört dazu. Der Hinweis der Beklagten, daß nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SZ 55/12, ÖBl 1990, 91) § 86 UrhG die Entgeltansprüche für das Recht am eigenen Bild (§ 78 UrhG) abschließend regelt, ist ohne Bedeutung, weil hier der vom Kläger (auch) geltend gemachte Anspruch nach § 1041 ABGB zu behandeln ist, welcher eben nicht auf die Verletzung des Rechtes am eigenen Bild, sondern auf die Verwendung seines, des Klägers, geldwerten Bekanntheitsgrades gestützt ist.

Schon aus dem Wortlaut des § 1041 ABGB ergibt sich zweifelsfrei, daß es nicht darauf ankommt, ob der in Anspruch Genommene die fremde Sache bewußt verwendet hat oder doch die Möglichkeit hatte, die Verwendung abzulehnen. "Verwendung" im Sinne des § 1041 ABGB ist jede Nutzung entgegen dem Zuweisungsgehalt (Koziol-Welser8 I 383; Rummel aaO Rz 3; ÖBl 1981, 8). Sie kann durch einen (zumeist rechtswidrigen) Eingriff des Begünstigten oder eines Dritten, aber auch ohne Zutun des Verkürzten und des Bereicherten erfolgen (Rummel aaO Rz 3; Apathy aaO Rz 3; JBl 1986, 235). Im vorliegenden Fall hat zwar die Beklagte in keiner Weise dazu beigetragen, daß das Bildnis des Klägers mit ihrer Werbung in Zusammenhang gebracht werden konnte; sie hat daraus aber - nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen - einen Nutzen gezogen, der mit S 20.000 bewertet wurde.

Auch aus der "Subsidiarität" oder der bloß "ergänzenden Funktion" der Verwendungsklage (Rummel aaO Rz 9; Apathy aaO Rz 5) läßt sich für die Klägerin nichts gewinnen: Ein Verwendungsanspruch ist nach Lehre und Rechtsprechung zu verneinen, wenn im mehrpersonalen Verhältnis ein Vertrag zwischen dem Verkürzten und dem Dritten die Vermögensverschiebung rechtfertigt (Rummel aaO Rz 10; Apathy aaO Rz 5; SZ 47/130; SZ 52/110 uva). Nach Stanzl (in Klang2 IV/1, 915) schließt auch ein vom Gesetz gegenüber der Mittelsperson eingeräumter Ersatzanspruch den Verwendungsanspruch gegen den Dritten aus; deshalb könne der Geschädigte, dem durch eine Mittelsperson betrügerisch Ware herausgelockt wurde, denjenigen, der von dieser Mittelsperson die Ware gegen Zahlung eines ordnungsgemäßen Preises gekauft hat, nicht gemäß § 1041 ABGB in Anspruch nehmen; vielmehr sei der Verkürzte auf seinen Schadenersatzanspruch gegen die Mittelsperson beschränkt. Daraus läßt sich aber nicht folgern, daß ein Schadenersatzanspruch gegen den "Mittelsmann" den Verwendungsanspruch immer ausschlösse. Soweit der Entscheidung SZ 52/110 - welche sich mit einer Doppelzession zu befassen hatte - eine gegenteilige Auffassung zugrunde lag, wurde diese in der Folge nicht aufrechterhalten (JBl 1986, 235; dazu ausführlich Reischauer, Doppelzession, Bereicherung und unechte (angewandte) Geschäftsführung ohne Auftrag [§§ 1393 ff, § 1041, § 1035 ff iVm § 336 ABGB] in ÖJZ 1987, 257 ff [258]). Da die schädigende Handlung, die Grundlage für einen Schadenersatzanspruch des Klägers gegen die Nebenintervenientin sein kann, die Vermögensverschiebung zwischen den Streitteilen nicht rechtfertigt, diese Vermögensverschiebung also im (Vertrags- oder sonstigen Schuld-)Verhältnis der Beklagten zu einem Dritten (= der Nebenintervenientin) nicht ihren zureichenden Rechtsgrund findet (Rummel aaO Rz 10 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung; Apathy aaO Rz 5), besteht kein Grund, dem Kläger den Verwendungsanspruch gegen die Beklagte zu versagen und ihn auf Schadenersatzansprüche gegen die Nebenintervenientin zu verweisen. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, daß der Beklagten kein Schuldvorwurf zu machen ist. Die Wertungen des Gutglaubenerwerbes können entgegen den Revisionausführungen hier nicht zur Anwendung kommen. Der gutgläubige Erwerber (etwa nach § 367 ABGB, § 366 HGB udgl) ist zwar dem Verwendungsanspruch nicht ausgesetzt, weil die Vermögensverschiebung zu seinen Gunsten durch das Gesetz gedeckt ist (Koziol-Welser aaO 384; SZ 61/158 mwN); die Beklagte hat aber im Zusammenhang mit der beanstandeten Werbeeinschaltung weder Eigentum noch sonstige Rechte kraft guten Glaubens erworben. Die Revision mußte mithin erfolglos bleiben.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte