OGH 10ObS227/90

OGH10ObS227/9023.10.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Alfred Hoppi (Arbeitgeber) und Oskar Harter (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ferdinand B***, Tischlermeister, 3443 Rappoltenkirchen, Ziegelofen 1, vertreten durch Dr. Franz K***, Handelskammer Niederösterreich, 1014 Wien, Herrengasse 10, dieser vertreten durch Dr. Hans Pritz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei

S*** DER G*** W***, 1051 Wien,

Wiedner Hauptstraße 84-86, diese vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Erwerbsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7. März 1990, GZ 31 Rs 21/90-46, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 9. Oktober 1989, GZ 32 Cgs 68/88-41, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger ab 1. 11. 1987 die Erwerbsunfähigkeitspension in der gesetzlichen Höhe zu gewähren, und wies das auf Gewährung der Erwerbsunfähigkeitspension für die Zeit vom 1. 4. bis 31. 10. 1987 gerichtete Klagebegehren ab. Es stellte im wesentlichen folgendes fest:

Der am 6. 7. 1938 geborene Kläger führte einen Tischlereibetrieb, in dem er in den letzten fünf Jahren durchschnittlich fünf Arbeitskräfte beschäftigte. Zur Ergänzung dieses Betriebes führte er einen Möbelhandel, dem jedoch nur untergeordnete Bedeutung zukam. Mit 13. 10. 1987 legte er die Berechtigung für beide Gewerbe zurück.

Der Kläger kann bei bestehender posttraumatischer Sprunggelenksarthrose nur leichte und mittelschwere Arbeiten vorwiegend im Sitzen, bis zu einem Drittel der täglichen Arbeitszeit auch im Stehen und Gehen, verrichten. Nicht zumutbar sind ihm Arbeiten in ständiger Kälte und unter Stress (Akkord, Fließband). Er leidet an einem morbus Crohn und ist wegen der damit verbundenen Durchfälle gezwungen, während eines achtstündigen Arbeitstages etwa fünfmal für fünf bis zehn Minuten die Toilette zur Darmentleerung aufzusuchen. Er kann die Darmentleerung nicht so steuern, daß sie immer in den vorgesehenen Arbeitspausen notwendig wird. Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß der Kläger den Beruf eines Tischlermeisters nicht mehr ausüben könne, weil die damit verbundenen Arbeiten überwiegend im Stehen zu verrichten seien. Da er die Toilette bis zu fünfmal für bis zu zehn Minuten aufsuchen müsse, sei er vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen und deshalb gemäß § 133 Abs 1 GSVG erwerbsunfähig, weshalb ihm ab dem der Zurücklegung der Gewerbeberechtigung folgenden Monatsersten die Erwerbsunfähigkeitspension zuzuerkennen sei.

Das Berufungsgericht wies infolge Berufung der beklagten Partei das Klagebegehren zur Gänze ab. Der Kläger könne zwar nicht auf eine unselbständige Tätigkeit im Möbelhandel verwiesen werden, weil sie bekanntermaßen überwiegend im Stehen oder Gehen ausgeübt werde. Er könne aber auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch verschiedene Berufstätigkeiten, wie die Tätigkeit eines Fabriksportiers, Kontrollarbeiters oder Tischmontagearbeiters, ausüben. Zumindest teilweise könne er die im Arbeitszeitgesetz vorgesehenen Pausen zum Besuch der Toilette verwenden. Geschähe dies außerhalb der Arbeitspausen, so werde dies vom Arbeitgeber üblicherweise akzeptiert und sei diesem zumutbar, zumal auch gesunde Arbeitnehmer während eines Arbeitstages öfter die Toilette aufsuchen müßten. Der Kläger sei daher vom allgemeinen Arbeitsmarkt nicht ausgeschlossen und wegen der ihm noch zumutbaren Berufstätigkeiten somit nicht erwerbsunfähig gemäß § 133 Abs 1 GSVG.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinn der Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern oder es allenfalls aufzuheben und (die Rechtssache) zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Für den Anspruch des Klägers ist § 133 Abs 1 GSVG maßgebend. Nach dieser Bestimmung gilt als erwerbsunfähig der (die) Versicherte, der (die) infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner (ihrer) körperlichen oder geistigen Kräfte dauernd außerstande ist, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, daß nur eine unselbständige Erwerbstätigkeit in Betracht kommt. Es muß vielmehr die Unfähigkeit zu irgendeinem Erwerb und somit auch zu einer selbständigen Erwerbstätigkeit gegeben sein (vgl Teschner in Tomandl, System

2.4.2.4 4. ErgLfg 372; Tomandl, Grundriß4 Rz 69; SSV-NF 3/91; 10 Ob S 193/90). Aus diesem Grund ist es nicht zielführend, wenn sich der Kläger darauf beruft, daß er auf das Entgegenkommen des Arbeitgebers angewiesen wäre, weil dieses Argument für eine selbständige Erwerbstätigkeit nicht gilt. Da die Entscheidung SSV-NF 2/106 eine unselbständige Versicherte betraf, ist für den Kläger auch daraus nichts zu gewinnen.

Es ist nicht anzunehmen, daß der Kläger infolge der vom Erstgericht festgestellten Leiden zur Ausübung einer regelmäßigen selbständigen Erwerbstätigkeit nicht mehr imstande ist. Da er schon deshalb nicht gemäß § 133 Abs 1 GSVG als erwerbsunfähig gilt, muß auf die - in der Revision allein behandelte - Frage, ob er zu einer regelmäßigen unselbständigen Erwerbstätigkeit imstande ist, nicht weiter eingegangen werden. Es ergibt sich schon aus den dargestellten Überlegungen, daß das Berufungsgericht das Klagebegehren zu Recht abgewiesen hat.

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