OGH 10ObS348/90

OGH10ObS348/9023.10.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Oskar Harter (Arbeitgeber) und Claus Bauer (Arbeitnehmer) in der Sozilarechtssache der klagenden Partei Adalbert S***, Pensionist, 6020 Innsbruck, Neu-Rum, Innstraße 50/6/298, vertreten druch Dr. Franz Pegger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei P***

DER A*** (Landesstelle Salzburg) 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 44 Cgs 33/88 des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3.Juli 1990, GZ 5 Rs 32/90-20, womit der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 18.Oktober 1989, GZ 45 Cgs 39/89-9, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das zwischen dem Kläger und der beklagten Partei vor dem Erstgericht zu AZ 44 Cgs 33/88 anhängig gewesene Verfahren wurde mit unbekämpft gebliebenem erstgerichtlichem Urteil vom 15.4.1988 abgeschlossen. Die auf eine vorzeitige Alterspension bei Arbeitslosigkeit vom 1.8.1987 an im gesetzlichen Ausmaß unter Berücksichtigung der 69 Monate umfassenden Zeit von Oktober 1949 bis Juni 1955, während der der Kläger infolge einer von der sowjetischen Besatzungsmacht verfügten Freiheitsbeschränkung an der Verfügung über seine Arbeitskraft gehindert war, gerichtete Klage wurde abgewiesen. Nach den damaligen Feststellungen erwarb der Kläger vom 1.11.1941 bis (richtig) 31.7.1987 48 Beitragsmonate und 46 Ersatzmonate, insgesamt also 94 anrechenbare Versicherungsmonate, davon 24 bis Mai 1945, 1 im April 1949, die restlichen 69 seit Oktober 1955. 128 Monate sind neutral. Der Kläger wurde im Oktober 1949 an der Demarkationslinie von der sowjetischen Besatzungsmacht verhaftet, etwa zwei Monate später freigelassen, am 25.1.1950 jedoch neuerlich inhaftiert, zunächst zum Tod verurteilt, dann zu 25 Jahren Zwangsarbeit begnadigt und in die Sowjetunion deportiert, aus der er erst am 25.6.1955 nach Österreich zurückkehren konnte. Deshalb konnte er insgesamt 69 Monate lang über seine Arbeitskraft nicht frei verfügen. Das Gericht konnte damals nicht feststellen, aus welchem Grund der Kläger von der sowjetischen Besatzungsmacht verhaftet und deportiert wurde, und ob er in Österreich wegen eines strafbaren Tatbestandes zur Verhaftung ausgeschrieben war. Nach seiner Rückkehr nach Österreich verbüßte er vom 21.11.1956 bis 20.11.1957 eine vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen "Bigamie" verhängte einjährige Freiheitsstrafe. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Gericht damals ua aus, daß die diesbezüglich beweisbelastete beklagte Partei ihren Einwand, die Freiheitsbeschränkung des Klägers durch die Sowjetunion wäre auf Grund einer auch nach den österreichischen Gesetzen strafbaren Tat geschehen, nicht habe beweisen können, weshalb davon auszugehen gewesen sei, daß dies nicht der Fall gewesen sei. Die 69 Monate von Oktober 1949 bis Juni 1955, in denen der Kläger infolge einer Freiheitsbeschränkung an der Verfügung über seine Arbeitskraft behindert gewesen sei, könnten jedoch dennoch nicht als Ersatzzeit nach § 228 Abs 1 Z 4 ASVG gelten, weil keine (unmittelbare) Beitrags- oder Ersatzzeit vorangehe. Die während des mit 1.12.1946 beginnenden Anrechnungszeitraumes erworbenen 70 Versicherungsmonate und die seit 1.11.1941 erworbenen 94 Versicherungsmonate reichten zur Erfüllung der Wartezeit nicht aus.

Mit der am 28.3.1989 eingebrachten Klage beantragte der Kläger, das mit dem erwähnten Urteil abgeschlossene Verfahren wieder aufzunehmen, weil er vor etwa drei bis vier Wochen in den Besitz neuer Beweismittel gelangt sei, deren Benützung im früheren Verfahren eine andere Entscheidung herbeigeführt hätte, bzw hätte sich dadurch die Richtigkeit seiner Behauptungen herausgestellt, daß die Internierung in einem russischen Lager zu Unrecht erfolgt und er nie zur Verhaftung ausgeschrieben und nie verurteilt worden sei. Die beklagte Partei beantragte, die begehrte Wiederaufnahme mangels eines Wiederaufnahmsgrundes nicht zu bewilligen. In der Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung vom 18.10.1989 erklärte der dabei qualifiziert vertretene Kläger, daß er mit der Wiederaufnahmsklage die Anrechnung der Zeit im selben Ausmaß begehre wie im wiederaufzunehmenden Verfahren. Auch aus seinen sonstigen Ausführungen in dieser Tagsatzung ergibt sich, daß sich die Beweismittel, deren Benützung im früheren Verfahren eine dem Kläger günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden, ausschließlich auf die Zeit der Freiheitsbeschränkung durch die seinerzeitige sowjetische Besatzungsmacht von Oktober 1949 bis Juni 1955 beziehen. Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmsklage unter Berufung auf § 530 Abs 2 ZPO mit der Begründung zurück, daß der Kläger die im Wiederaufnahmsverfahren genannten Beweismittel schon vor Schluß der mündlichen Verhandlung im früheren Verfahren hätte geltend machen können.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge. Dagegen richtet sich der nach § 47 ASGG zulässige Revisionsrekurs des Klägers mit den Anträgen, den angefochtenen Beschluß durch Bewilligung der Wiederaufnahme abzuändern oder ihn allenfalls aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist schon aus folgenden Überlegungen nicht berechtigt:

Nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO kann ein durch eine die Sache erledigende Entscheidung abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei wieder aufgenommen werden, wenn die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung in früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.

Die als Wiederaufnahmsgrund geltend gemachten Tatsachen und Beweismittel müssen daher geeignet sein, eine günstigere Entscheidung über den Streitgegenstand des Vorprozesses innerhalb von dessen Grenzen herbeigeführt zu haben. Bei der nur in abstracto vorzunehmenden Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen im Vorprüfungsverfahren läßt sich nur beurteilen, ob sich aus dem Klagevorbringen selbst ergibt, daß die vorgebrachten Tatsachen oder die aus den neuen Beweismitteln abzuleitenden Tatsachen sogar dann, wenn man sie als richtig unterstellt, zu keiner Änderung der (früheren) Entscheidung führen können. Wäre dies zu bejahen, dann sind die allfälligen Neuerungen auch abstrakt als Wiederaufnahmsgrund untauglich und die Klage ist mit Beschluß zurückzuweisen. Bei dieser Prüfung der Wiederaufnahmsklage, bei der von der dem früheren Urteil zugrunde gelegten Rechtsansicht auszugehen ist (15.7.1953 JBl 1954, 98), handelt es sich letztlich um eine Schlüssigkeitsprüfung (Fasching, Komm IV 513 f, 541; derselbe, ZPR2 Rz 2068; SSV-NF 1/40 mwH; 6.2.1990 10 Ob S 438/89 = RZ 1989/71).

Aus den eingangs dargestellten Entscheidungsgründen des das frühere Verfahren abschließenden Urteils ergibt sich, daß der damaligen rechtlichen Beurteilung ohnehin die Tatsachen zugrunde gelegt wurden, die der Kläger mit den im Wiederaufnahmsverfahren behaupteten Beweismitteln beweisen möchte, nämlich, daß der Freiheitsentziehung, die ihn von Oktober 1949 bis Juni 1955 in der Verfügung über seine Arbeitskraft gehindert hat, keine Tat zugrunde lag, die nach den österreichischen Gesetzen im Zeitpunkt der Begehung strafbar war oder strafbar gewesen wäre, wenn sie im Inland gesetzt worden wäre. Deshalb hätte die Benützung dieser Beweismittel im früheren Verfahren keine dem Kläger günstigere Entscheidung herbeiführen können.

Die Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage durch die Vorinstanzen war daher schon mangels eines in abstracto tauglichen Wiederaufnahmsgrundes und damit wegen Unschlüssigkeit der Wiederaufnahmsklage richtig. Deshalb war dem Revisionsrekurs ohne weiteres Eingehen auf seine auf einen anderen Zurückweisungsgrund bezüglichen Ausführungen nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG (SSV-NF 1/19; 2/26, 27 ua).

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