OGH 5Ob89/90

OGH5Ob89/9023.10.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik, Dr.Zehetner, Dr.Klinger und Dr.Schwarz als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragsteller 1. Rosa T***, Tür Nr.2, 2. Josef S***, Tür Nr.5, 3. Karoline E***, Tür Nr.6, 4. Elfriede S***, Tür Nr.9,

  1. 5. Herbert T***, Tür Nr.10, 6. Dr.Rudolf E***, Tür Nr.11,
  2. 7. Hermine T***, Tür Nr.12, 8. Charlotte B***, Tür Nr.13,
  3. 9. Clementine B***, Tür Nr.13, 10. Dr.Cheryl B***, Tür Nr.14, 11. Anton K***, Tür Nr.16, 12. Christine B***, Tür Nr.17, 13. Maria H***, Tür Nr.18, 14. Ulla M***, Tür Nr.20, alle D'Orsaygasse 1, 1090 Wien, alle vertreten durch Dr.Rainer Brachtel, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner 1. Stephan D***, 1100 Wien, Columbusgasse 80, 2. Dkfm.Dr.Karl F***, Amundsenstraße 3, 1140 Wien, 3. Dr.Barbara E***, Sieveringer Straße 21/9, 1190 Wien, 4.Dipl.Ing. Dr.Erich E***, ebendort,
  4. 5. Dipl.Ing.Ursula R***, Neustiftgasse 127/6, 1070 Wien,
  5. 6. Felicitas L***, Hohe Wandstraße 44, 2344 Maria Enzersdorf, 7 Teiji K***, Große Neugasse 22-24/1/12, 1040 Wien, 8.Jacqueline K***, ebendort, 9. Ulrike M***, D'Orsaygasse 1/20, 1090 Wien, alle vertreten durch Dr.Daniel Charim, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 12 MRG iVm § 21 Abs 1 Z 4 MRG, infolge Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 6.Juni 1990, GZ 41 R 789/89-51, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 2.August 1989, GZ 42 Msch 84/86-46, teilweise bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragsteller begehren - soweit für das Revisionsrekursverfahren noch von Bedeutung - die Feststellung, daß ihnen gegenüber durch Überwälzung von Versicherungsprämien in überhöhtem Ausmaß das gesetzliche Zinsausmaß in der Zeit von Jänner 1982 bis Dezember 1985 (für die einzelnen Antragsteller sind wegen der unterschiedlichen Antragstellung im vorausgehenden Verfahren bei der Schlichtungsstelle verschiedene Zeiträume maßgebend) um den betriebskostenschlüsselmäßigen Anteil überschritten worden sei. Es dürften nur die Prämien für eine angemessene Versicherung des Gebäudes als Betriebskosten auf die Mieter überwält werden. Angemessen sei die Versicherung des Hauses nur dann, wenn der Neubauwert unter Zugrundelegung der mit Bescheid genehmigten "Besonderen Bedingung für die Neuwertversicherung von überwiegend Wohnzwecken dienenden Gebäuden, die dem Mietrechtsgesetz (MRG) unterliegen" ermittelt werde.

Die Antragsgegner vertraten den Standpunkt, auch unter Zugrundelegung der von den Antragstellern angeführten besonderen Bedingungen sei die Versicherung zu der von ihnen vorgenommenen höheren Summe erforderlich, weil in dem Haus überwiegend Wohnungen der Ausstattungskategorie A sowie eine besonders reich gegliederte Fassade vorhanden seien und die infolge von Zu- und Umbauten entstandene Wertsteigerung zu berücksichtigen sei (ON 4). Das Erstgericht gab - ausgehend von den aufgrund eines Sachverständigengutachtens festgestellten Neubauwerten des Gebäudes und den hiefür zu leistenden Gesamtversicherungsprämien von S 71.676,30 (im Jahre 1982), S 75.615,10 (für 1983), S 80.345,20 (für 1984) und S 85.502,30 (für 1985) - den Anträgen der Antragsteller insofern statt, als diesen gegenüber durch Vorschreibung der Differenzbeträge an Versicherungsprämien von S 3.685,70 (im Jahre 1982), S 15.981,90 (im Jahre 1983), S 1.231,80 (im Jahre 1984) und S 28.128,70 (im Jahre 1985) jeweils das gesetzliche Zinsausmaß um den auf den einzelnen Antragsteller entfallenden betriebskostenschlüsselmäßigen Anteil daran überschritten worden sei. Es vertrat die Rechtsansicht, der Hauseigentümer sei berechtigt, die Prämien für eine Versicherung des Hauses zum tatsächlichen Neubauwert auf die Mieter als Betriebskosten zu überwälzen. Auf die den besonderen Bedingungen entsprechenden Durchschnittssätze komme es nicht an. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung (soweit es sie nicht - was nicht mehr Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist - bezüglich einzelner Antragsteller und einzelner Zeiträume als nichtig aufhob). Es teilte die Rechtansicht des Erstgerichtes. Die Versicherung eines Wohnhauses müsse angemessen sein, was nach herrschender Ansicht die Versicherung zum Neubauwert bedeute. Einer Unterversicherung müsse sich der Hauseigentümer nicht aussetzen. Feuerversicherungsprämien könnten als Betriebskosten auf die Mieter nur überwälzt werden, sofern und soweit die Versicherungssumme dem Betrag entspreche, der im Schadenfall zur Wiederherstellung des Gebäudes (§ 7 MRG) ausreiche. Daraus folge (Arg: "sofern"), daß Feuerversicherungsprämien überhaupt nur dann als Betriebskosten überwälzt werden könnten, wenn sie zur Wiederherstellung des Gebäudes ausreichten. Die Prämie für eine in diesem Sinn unangemessen niedrige Feuerversicherung könne überhaupt nicht als Betriebskostenpost überwälzt werden. Übersteigt aber die Versicherungssumme den zur Wiederherstellung ausreichenden Betrag, so könne nur ein dem Neubauwert entsprechender Teil der Versicherungsprämie als Betriebskosten überwälzt werden (Arg: "soweit"). Die im zweiten Teilsatz des § 21 Abs 1 Z 4 MRG enthaltene Regelung, wonach dann, wenn für solche Versicherungen besondere Versicherungsbedingungen bestehen, die im Schadensfall den Einwand der Unterversicherung des Versicherers ausschließen, die entsprechend solchen Versicherungsbedingungen ermittelten Versicherungswerte als angemessen anzusehen seien, bedeute nur die Untergrenze eines als angemessen anzusehenden Versicherungswertes, selbst wenn dadurch die gänzliche Wiederherstellung des Gebäudes nicht gewährleistet sei.

Das Rekursgericht sprach die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses wegen fehlender Rechtsprechung zur Auslegung des § 21 Abs 1 Z 4 MRG aus.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragsteller ist nicht berechtigt. Der Oberste Gerichtshof erachtet die Rechtsansicht des Rekursgerichtes sowohl ihrem Ergebnis als auch der juristischen Ableitung nach als zutreffend.

§ 21 Abs 1 Z 4 Satz 1 MRG bestimmt als Betriebskosten die Kosten der angemessenen Versicherung des Hauses gegen Brandschaden (Feuerversicherung), sofern und soweit die Versicherungssumme dem Betrag entspricht, der im Schadenfall zur Wiederherstellung (§ 7) ausreicht. Durch die Bezugnahme auf § 7 MRG wird klargestellt, daß als Voraussetzung der Überwälzbarkeit der Versicherungsprämie die Versicherungssumme so hoch sein muß, daß damit das Haus wiederhergestellt werden kann und dadurch - auch im Interesse der Mieter, die wirtschaftlich die Versicherungsprämie leisten - eine Auflösung des Mietvertrages durch Untergang des Bestandgegenstandes (§ 29 Abs 1 Z 2 MRG) vermieden wird. Nur soweit die Versicherungssumme höher wäre, dürfte sie nicht unter dem Titel Betriebskosten auf die Mieter überwälzt werden. Bestünde die gesetzliche Regelung nur aus diesem ersten Satz des § 21 Abs 1 Z 4 MRG, könnten keine Zweifel daran bestehen, daß der Vermieter nur die Prämien einer mindestens dem Neubauwert entsprechenden bestehenden Feuerversicherung bis zu dieser Höhe als Betriebskosten auf die Mieter überwälzen darf.

Daran ändert auch der zweite Satz des § 21 Abs 1 Z 4 MRG nichts. Darin wird lediglich festgelegt, daß solche Versicherungswerte als angemessen gelten, die denjenigen besonderen Versicherungsbedingungen entsprechen, die im Schadenfall den Einwand der Unterversicherung ausschließen. Der Ausschluß des Einwandes der Unterversicherung bedeutet aber bloß, daß der Versicherer in jedem Schadenfall im Rahmen der Versicherungssumme zu leisten hat, während er im Falle der Zulässigkeit und Berechtigung des Einwandes der Unterversicherung nur bei Vorliegen eines Totalschadens die gesamte Versicherungssumme zu leisten hätte, bei Vorliegen eines Teilschadens aber nur jenen aliquoten Teil des Teilschadens, der dem Anteil der Versicherungssumme am tatsächlichen Gesamtwert der versicherten Sache entspricht. Die Bestimmung des § 21 Abs 1 Z 4 Satz 2 MRG schließt also nicht aus, daß eine dem Grundsatz des § 21 Abs 1 Z 4 Satz 1 MRG entsprechend dem tatsächlichen Neubauwert abgeschlossene Feuerversicherung eine angemessene Versicherung des Hauses ist, deren Kosten als Betriebskosten überwälzt werden dürfen. Die Bestimmung des zweiten Satzes dieser Gesetzesstelle soll vielmehr nur einen Streit darüber ausschließen, daß trotz Ausschlusses der Möglichkeit des Einwandes der Unterversicherung durch den Versicherer das Vorliegen einer nicht angemessenen Versicherung des Hauses behauptet und damit die Unmöglichkeit der Überwälzung der Versicherungsprämie zur Gänze abgeleitet wird. Auszugehen ist nämlich davon, daß es sich bei dem der Versicherung zugrundeliegenden Neubauwert immer nur um einen Schätzwert handelt, der bis zu einem gewissen Grad vom tatsächlichen Neubauwert abweicht. Verzichtet nun der Versicherer bei Zugrundelegung gewisser Werte auf den Einwand der Unterversicherung, so kann schon wegen der auf Gewinn gerichteten Tätigkeit des Versicherers davon ausgegangen werden, daß der Ausschluß eines solchen Einwandes in allgemein gehaltenen Bedingungen nur dann erfolgt, wenn im Großteil der Fälle der entsprechend diesen Bedingungen ermittelte Wert auch dem tatsächlichen Neubauwert weitgehend entspricht. Die vom Rekursgericht gezogene Schlußfolgerung, daß durch § 21 Abs 1 Z 4 Satz 2 MRG gleichsam eine Untergrenze für die Feuerversicherungssumme gesetzt wurde, bei deren Einhaltung der Einwand der Unangemessenheit (wegen zu geringer Höhe) seitens der mit der Prämie letztlich wirtschaftlich belasteten Mieter nicht erhoben werden kann, ist daher nicht zu bemängeln.

Zusammenfassend ist daher zu sagen, daß der Vermieter die Kosten einer angemessenen Versicherung des Hauses gegen Brandschaden als Betriebskosten auf die Mieter überwälzen darf, auch wenn diese angemessene Versicherung eine höhere Versicherungssumme erfordert als bloß diejenige, die den Ausschluß des Einwandes der Unterversicherung (also einer bloße aliquoten Befriedigung von Teilschäden) zur Folge hätte.

Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.

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