OGH 6Ob20/90 (6Ob21/90)

OGH6Ob20/90 (6Ob21/90)18.10.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Kellner als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach Alois O***, verstorben am 1. Dezember 1988, infolge der Revisionsrekurse der erbserklärten Erben 1.) Johann O***, Pensionist, Florian Geyer-Gasse 6/8/14/2/21, 1100 Wien,

2.) Hermine O***, Pensionistin, Währinger Gürtel 23, 1180 Wien, 3.) Angela B***, Hausfrau, Sandeben 9, 3243 St. Leonhard am Forst, 4.) Berta L***, Pensionistin, Rennbahnweg 27/42/5/11, 1220 Wien, 5.) Ingrid H***, Volksschullehrerin, Panholzergasse 8, 3252 Petzenkirchen, alle vertreten durch Dr. Hans-Jörg Schachner, Rechtsanwalt in Melk, 6.) Leopoldine D***, Baumgartenstraße 25, 1140 Wien, vertreten durch Dr. Peter Scheichlbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 21. Februar 1990, GZ R 61/90, 62/90-65, womit der Beschluß und die Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Ybbs vom 28. Dezember 1989, GZ A 199/88-61 und 62, aufgehoben wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Den Revisionsrekursen wird keine Folge gegeben.

Text

Begründung

Alois O*** ist am 1. Dezember 1988 ohne Nachkommen und ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung verstorben. Aus der ersten Ehe des Vaters des Verstorbenen stammen neben dem Erblasser seine Geschwister Johann O***, Berta L***, Hermine O***, Emma S***, Franz O***, Angela B***, Marianne V*** und der vorverstorbene Josef O***. Josef O*** hat eine Tochter, Ingrid H***, hinterlassen. Aus der zweiten Ehe des Vaters des Verstorbenen entstammt Leopoldine D***.

Aufgrund des Gesetzes haben die erblasserischen Geschwister Franz, Johann und Hermine O*** zu je 17/144, Angela B***, Berta L***, Emma S*** und Marianne V*** zu je 16/144 sowie die erblasserische Nichte Ingrid H*** zu 16/144 und die erblasserische Halbschwester Leopoldine D*** zu 13/144 jeweils bedingte Erbserklärungen abgegeben.

Die Geschwister des Verstorbenen, Franz O*** und Marianne V***, beantragten unabhängig von ihren Erbserklärungen, sie als Anerben einzusetzen.

Der Erblasser war Alleineigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebes, nämlich der Liegenschaft EZ 5 KG Landfriedstetten, bestehend aus mehreren Grundstücken, wovon 9,4056 ha landwirtschaftlich genutzt wurden und 1,0891 ha Wald sind. Daraus ergibt sich eine reduzierte landwirtschaftliche Nutzfläche von 9,6779 ha.

Die Niederösterreichische Landwirtschaftskammer hat ein Gutachten erstattet, wonach der erblasserische landwirtschaftliche Besitz in seiner bisherigen Bewirtschaftungsform nicht in der Lage sei, im Sinne des § 1 AnerbenG einer fünfköpfigen Familie Unterhalt zu bieten. Im Jahre 1987 wurde ein landwirtschaftliches Einkommen von S

133.255 erzielt. Bei einer vorzunehmenden Änderung der Bewirtschaftungsform auf die Erzeugung von Feldgemüse oder auf Milchschafhaltung mit Erzeugung von Schafkäse hat die Niederösterreichische Landwirtschaftskammer ein landwirtschaftliches Einkommen von S 195.358 beziehungsweise S 225.787 errechnet. Zu diesem landwirtschaftlichen Einkommen hat die Niederösterreichische Landwirtschaftskammer ausgeführt, daß dieses ausreiche, um den Unterhalt einer fünfköpfigen Familie im Sinne des § 1 AnerbenG zu bestreiten.

Im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens wurde der Verkehrswert der land- und forstwirtschaftlichen Gründe einschließlich des Hofes mit S 6,540.079 geschätzt, wobei Einrichtung und Zubehör in diesem Betrag nicht enthalten sind.

Der gesamte Nachlaß hat einen Wert von S 6,815.042,50, dem Schulden in Höhe von S 801.239,85 gegenüberstehen.

Mit Beschluß vom 28.Dezember 1989, ON 61, nahm das Erstgericht die Bevollmächtigung der Erbenvertreter zur Kenntnis (Punkt 1.), die von den oben genannten Erben abgegebenen bedingten Erbserklärungen zu den genannten Quoten an und erkannte das Erbrecht der Erben für ausgewiesen (Punkt 2.), genehmigte das Inventar der Verlassenschaft mit einem Reinnachlaß von S 6,013.802,65 (Punkt 3.), verständigte die Gläubiger über das Ergebnis des Verlassenschaftsverfahrens (Punkt 4. bis 6.) und die Bezirkshauptmannschaft Melk von der Berechtigung der Erben, über den zum Nachlaßvermögen gehörigen Traktor Deutz D 4506 gemeinsam zu verfügen (Punkt 7.), bestimmte die Gebühren des Gerichtskommissärs (Punkt 8.), wies die Anträge des Franz O*** und der Marianne V***, sie als Anerben anzuerkennen, zurück (Punkt 9.) und sprach aus, daß eine den Punkten 1. bis 9. entsprechende Einantwortungsurkunde erlassen werde, mit deren Rechtskraft die Verlassenschaft für beendet erklärt und der Akt dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern in Wien übermittelt werde (Punkte 10. und 11.).

Diese Entscheidung, die nur hinsichtlich der Behandlung der Verlassenschaft als Erbhof strittig ist, begründete das Erstgericht im wesentlichen damit, daß der erblasserische landwirtschaftliche Betrieb in seiner derzeitigen Form nicht in der Lage sei, fünf Personen im Sinne des § 1 AnerbenG zu ernähren. Aufgrund der bestehenden Schulden und des vom Anerben zu zahlenden Übernahmspreises vertrat das Erstgericht die Ansicht, daß eine Umstellung aus Erträgnissen des Betriebes nicht finanzierbar sei. Es zog daher die Möglichkeit einer Betriebsumstellung nicht in Betracht.

Mit der ebenfalls angefochtenen Einantwortungsurkunde vom 28. Dezember 1989 hat das Erstgericht den oben genannten Erben zu den angeführten Quoten die Verlassenschaft nach dem am 1. Dezember 1988 verstorbenen Alois O*** eingeantwortet und die grundbücherliche Durchführung in Aussicht gestellt.

Gegen die Punkte 4. bis 11. des Beschlusses vom 28.Dezember 1989, ON 61, und die Einantwortungsurkunde, ON 62, erhob Franz O*** Rekurs mit dem Antrag, diese Entscheidungen aufzuheben und festzustellen, daß es sich bei dem landwirtschaftlichen Betrieb des Erblassers um einen Erbhof im Sinne des Anerbengesetzes handle.

Das Rekursgericht hob die Punkte 2. bis 11. des Beschlusses ON 61 sowie die Einantwortungsurkunde ON 62 auf und trug dem Erstgericht eine Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Rechtlich führte das Rekursgericht in Wiedergabe der Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes 6 Ob 12/86 und 6 Ob 4/87 aus, der im § 1 Abs 1 Z 2 AnerbenG vom Gesetzgeber umschriebene Durchschnittsertrag eines landwirtschaftlichen Betriebes habe infolge tiefgreifender technischer, betriebswirtschaftlicher und sozialer Veränderungen während der seit Inkrafttreten des Anerbengesetzes vergangenen Jahrzehnte die vom Gesetzgeber angestrebte Kennzeichnungskraft für erhaltenswerte landwirtschaftliche Betriebe in signifikanter Weise eingebüßt. Der Gesetzgeber habe mit Absicht ein von der Betriebsart, der örtlichen Lage und auch von dem in den Zeitläufen wechselnden Lebensstandard abhängiges Bestimmungsmerkmal gewählt. Es seien daher grundsätzlich die jeweiligen örtlichen und zeitlichen Verhältnisse maßgeblich, jedoch müsse, um die aufgezeigten, nicht im Sinne des Gesetzgebers gelegenen Folgen zu vermeiden, auch die hypothetische Ertragslage unter den Verhältnissen, die der Gesetzgeber als feststehend angesehen habe, Berücksichtigung finden. Bei der Ermittlung der Ertragsfähigkeit, die einen schutzwürdigen bäuerlichen Mittelbetrieb bestimme, sei daher auch die Vornahme einer im Einzelfall objektiv durchführbaren Produktionsumstellung vorauszusetzen, falls volkswirtschaftliche und allgemein soziale Gegebenheiten eine strukturelle Umgestaltung der übernommenen Betriebsform gebieten. Das von der Niederösterreichischen Landwirtschaftskammer entwickelte betriebswirtschaftliche Modell bei Produktionsumstellung sei daher eine taugliche Grundlage für die Ertragsermittlung, welche den gegenständlichen Betrieb als Erbhof ausweise. Der Gesetzgeber habe aber die Erbhofeigenschaft nicht nur von der Ertragskraft des landwirtschaftlichen Betriebes, sondern auch vom typischen Bedarf einer im Gesetz näher umschriebenen bäuerlichen Familie abhängig gemacht, der aus den Erträgnissen dieses Betriebes befriedigt werden müsse. Dieser Bedarf sei nach den spezifischen örtlichen Verhältnissen zu prüfen, wobei jedoch auf eine strikte betragsmäßige Festlegung zu verzichten sei. Bei der Erhebung dieses Umstandes sei nicht nur die Mitteilung statistisch erfaßbarer Größen, sondern auch eine nachvollziehbare Begründung, inwieweit der örtliche typische Bedarf einer bäuerlichen Familie aus den Erträgnissen gedeckt werden könne, erforderlich. Daran fehle es bisher. Das Erstgericht werde daher im ergänzenden Verfahren zu erheben haben, ob der im Gutachten der Niederösterreichischen Landwirtschaftskammer ermittelte Ertrag nach Auffassung der bäuerlichen Verkehrskreise in der Region, in der der gegenständliche Betrieb liege, den Bedarf einer fünfköpfigen bäuerlichen Familie zu decken vermöge und diesen Personen eine angemessene Lebensführung ermögliche, weiters, ob die von der Niederösterreichischen Landwirtschaftskammer vorgeschlagene Umstellung der Bewirtschaftungsform mit den Mitteln des Betriebes finanziert werden könne.

Jene Erben, die beantragt hätten, sie als Anerben zu bestimmen, bildeten im Verhältnis zu den übrigen Erben eine einheitliche Streitpartei. Die Anfechtung des Punktes 9. des Beschlusses ON 61 durch Franz O*** verhindere daher auch den Eintritt der Teilrechtskraft gegenüber Marianne V***.

Da der Oberste Gerichtshof zur Möglichkeit einer Betriebsumstellung nur vereinzelt Stellung genommen habe und die Frage ungelöst sei, "ob der landwirtschaftliche Betrieb selbst die für die in Aussicht genommene Betriebsumstellung erforderlichen Mittel allein erwirtschaften können" müsse und welcher Zeitraum hiefür zur Verfügung stehe, aber auch, ob jene Erben, die sich auf ihr Anerbenrecht berufen hätten, gegenüber den übrigen Erben eine einheitliche Streitpartei bildeten, sei der ordentliche Revisionsrekurs zuzulassen.

Rechtliche Beurteilung

Die beiden Revisionsrekurse sind aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen zwar zulässig, sie sind aber nicht berechtigt. Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 5. Februar 1987, 6 Ob 4/87, welche schon vom Rekursgericht auszugsweise herangezogen wurde, ebenso wie in seiner Entscheidung vom 23. Oktober 1986, 6 Ob 12/86 = SZ 59/187 = NZ 1987, 312, dargelegt, daß der Gesetzgeber für die im § 1 Abs 1 Z 2 AnerbenG umschriebene Ertragsfähigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebes und die gewählte Kennzeichnung der Betriebsgröße nur die zur Zeit der Gesetzwerdung festzustellenden betriebswirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten in der Landwirtschaft berücksichtigen konnte und wegen der signifikanten Änderungen dieser Voraussetzungen in den vergangenen drei Jahrzehnten eine erhebliche Verfälschung der Kennzeichnungskraft des gesetzlich umschriebenen Mindestertrages für das Vorliegen eines "mittleren Bauerngutes" eingetreten ist. Wenn das Verhältnis des Aufwandes zur angemessenen Erhaltung einer fünfköpfigen Bauernfamilie zu dem bei anerkannten Bewirtschaftungsmethoden erzielbaren Reinertrag (unter Beachtung der Ertragsminderung, aber auch der Bedarfsminderung durch Selbstverbrauch) als bestimmendes Merkmal gewählt wurde, änderte sich die Auswahl der einer Sonderregelung unterworfenen landwirtschaftlichen Betriebe in einer der offenkundigen gesetzgeberischen Absicht zuwiderlaufenden Weise, etwa dadurch, daß in einem bedeutenden Maß menschliche Arbeitskraft durch einen kostenintensiven Einsatz von Maschinen ersetzt wird, der volle Aufwand für die Betriebsmittel und die Amortisation der Maschinen als reinertragsmindernd angesetzt und dennoch vom Erfordernis der angemessenen Erhaltung einer fünfköpfigen Bauernfamilie ausgegangen wird. Zum Zeitpunkt dieser Entscheidung war die Regierungsvorlage zu einer Gesetzesnovellierung bereits in Vorbereitung. Der Oberste Gerichtshof hat daher ausgesprochen, daß zwar grundsätzlich die jeweiligen örtlichen und zeitlichen Verhältnisse maßgeblich sind, allerdings mit der Einschränkung, daß schwerwiegende Verzerrungen infolge nicht bedachter Veränderungen auszuschalten sind, daß es in Grenzfällen zu einer Berücksichtigung der hypothetischen Ertragslage unter den Verhältnissen, die der Gesetzgeber als feststehend zugrundelegte, kommen muß, daher unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung schutzwürdiger bäuerlicher Mittelbetriebe und der offensichtlich eingetretenen nicht gewollten Gesetzeslücke zur Ermittlung der objektiven Ertragsfähigkeit auch Nutzungsmöglichkeiten im Rahmen einer im betroffenen Gebiet bisher noch nicht allgemein geübten, aber nach anerkannten allgemeinen betriebswirtschaftlichen Erwägungen zweckmäßigen Bewirtschaftungsart zugrundezulegen sind.

Inzwischen hat der Gesetzgeber diesen geänderten Verhältnissen Rechnung getragen und im § 1 Abs 1 AnerbenG in der Fassung des BGBl. Nr. 659/1989 den Begriff des Erbhofes neu definiert. Danach sind Erbhöfe mit einer Hofstelle versehene land- und forstwirtschaftliche Betriebe, die im Eigentum einer natürlichen Person, von Ehegatten oder eines Elternteiles und eines Kindes stehen und mindestens einen zur angemessenen Erhaltung von zwei erwachsenen Personen ausreichenden, jedoch das Zwanzigfache dieses Ausmaßes nicht übersteigenden Durchschnittsertrag haben. Abs 3 bestimmt, daß die Frage, ob die Erhaltung von zwei erwachsenen Personen im Sinne des Abs 1 angemessen ist, nach den örtlichen Verhältnissen zu beurteilen ist. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (518 BlgNR XVII. GP, 5) wurde dazu ausgeführt:

"Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Grundlagen der Landwirtschaft haben sich seit dem Inkrafttreten des Anerbengesetzes im Jahr 1958 tiefgreifend verändert. Das Bild eines sich weitgehend selbst versorgenden Betriebes mit zahlreichen Familienmitgliedern und unselbständigen Arbeitskräften trifft heute häufig nicht mehr zu. Vielfach bearbeitet nur mehr ein Ehepaar allein mit Hilfe von Maschinen den Hof. Kinder und Seitenverwandte, aber oft auch ein Ehegatte, gehen hauptberuflich an deren Erwerbstätigkeiten nach, Landarbeiter sind im Zuge der Mechanisierung selten geworden. Auch die Ertragsverhältnisse haben sich gewandelt. Um der dadurch in den letzten Jahren - schleichend und ohne Gesetzesänderung - eingetretenen Einengung des Anwendungsbereiches des Anerbengesetzes entgegenzuwirken, muß der Begriff des Erbhofes neu gefaßt werden:

Die für die Festlegung der Untergrenze des Anwendungsbereiches maßgebliche Zahl der Personen, auf deren Erhaltung es ankommt, soll gesenkt werden. Das Vielfache des Durchschnittsertrages ist dagegen zu erhöhen, um ein Absinken der Obergrenze zu vermeiden. Mit dieser Erhöhung wird der Geltungsbereich des Gesetzes geringfügig ausgedehnt." Der Gesetzgeber hat damit in eindeutiger Weise klargelegt, daß der Oberste Gerichtshof in seinen zitierten Entscheidungen dessen Absicht richtig interpretiert hat. Wenn auch das Anerbengesetz in der nunmehr geltenden Fassung auf den vorliegenden Fall noch nicht anwendbar ist, weil der Tod des Erblassers vor Wirksamwerden des Gesetzes eingetreten ist (§ 22 in Verbindung mit Art III Z 1 und 2

Abs 1 des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 1989, BGBl. Nr. 659), so kommen doch die oben dargelegten Grundsätze, daß in Grenzfällen - und um einen solchen handelt es sich hier - die Untergrenze der Ertragsfähigkeit zur Vermeidung von Verzerrungen flexibel gehandhabt werden muß und insbesondere auch Nutzungsmöglichkeiten im Rahmen einer im betroffenen Gebiet bisher noch nicht allgemein geübten, aber nach anerkannten allgemeinen betriebswirtschaftlichen Erwägungen zweckmäßigen Bewirtschaftungsart zugrundezulegen sind. Die im Gutachten der Niederösterreichischen Landwirtschaftskammer vorgeschlagene Umstellung der Bewirtschaftung auf die Erzeugung von Feldgemüse oder von Milchschafhaltung mit Erzeugung von Schafkäse läßt sich ebenso zwanglos unter den Begriff "landwirtschaftlicher Betrieb" einordnen wie die bisherige Bewirtschaftungsart (vgl. die Begriffsbestimmung im § 5 des LAG:

Hervorbringung und Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse mit Hilfe der Naturkräfte und die mit der Bodennutzung verbundene Tierhaltung zur Gewinnung tierischer Erzeugnisse). Die Art der Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Betriebes ist immer mehr oder weniger in der Willkür des jeweiligen Eigentümers gelegen, sie kann daher ebensowenig dafür maßgeblich sein, welches Erbrecht einzutreten hat, wie der Umstand, in welchem Zustand sich die Wirtschaftsgebäude befinden (EvBl. 1978/86 mwN). Ist ein dem Anerbengesetz entsprechender Ertrag nur bei Umstellung auf eine bisher noch nicht geübte Bewirtschaftungsart möglich, dann beeinflussen die damit verbundenen Kosten die Rentabilität dieser Bewirtschaftungsart. Der hypothetische Ertrag bei Zugrundelegung der neuen Bewirtschaftungsmöglichkeit wird daher auch unter Berücksichtigung der Umstellungskosten und deren Aufteilung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu ermitteln sein. Daß die bäuerliche Landwirtschaft mit Schulden behaftet ist, ist nicht für die Beurteilung der Erbhofeigenschaft, sondern nur für die Festsetzung der Höhe des Übernahmspreises von Bedeutung. Zu Recht ist das Rekursgericht daher zu edem Ergebnis gelangt, daß das gemäß § 19 AnerbenG eingeholte Gutachten im Sinne der aufgezeigten Grundsätze noch ergänzungs- und begründungsbedürftig ist.

Auch die Aufhebung des Punktes 9. des erstgerichtlichen Beschlusses erfolgte zu Recht. Durch die zwingend im Abhandlungsverfahren vorzunehmende Klärung, ob ein Erbhof im Sinne des Anerbengesetzes vorliegt (und bejahendenfalls die Festsetzung des Übernahmspreises), soll eine zur Fortsetzung und Beendigung der Abhandlung einheitliche, alle Parteien (Erbansprecher) erfassende Grundlage geschaffen werden. Die Entscheidung hierüber ist für alle Parteien, gleichgültig, ob sie sich auf das Anerbenrecht berufen oder eine Einschränkung der gesetzlichen Erbfolge verneinen, bindend. Der Antrag der Marianne V***, sie zum Anerben einzusetzen, wurde vom Erstgericht nur deshalb zurückgewiesen, weil es die Erbhofeigenschaft des in die Verlassenschaft fallenden landwirtschaftlichen Betriebes verneinte und den Antrag in Wahrheit deshalb als gegenstandslos erachtete. Sollte sich im fortgesetzten Verfahren herausstellen, daß ein Erbhof vorliegt, steht es allen nach dem Anerbengesetz in Frage kommenden Personen (§ 3 AnerbenG) frei, sich um die Bestimmung zum Anerben zu bewerben.

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