OGH 3Ob593/90

OGH3Ob593/9017.10.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Egermann und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Heinz H***, Autohändler, Wien 8, Lerchengasse 10/21, vertreten durch Dr. Gunter Granner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Walter H***, Privater, Wien 15, Fuchsgasse 4/13, vertreten durch Dr. Ruth Ernstberger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 915.000 S sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 24.April 1990, GZ 11 R 9/90-37, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 1.September 1989, GZ 8 Cg 265/87-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die neue Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind als weitere Kosten des Berufungsverfahrens zu behandeln.

Text

Begründung

Der Kläger behauptet, er habe für die Dauer seiner Haft dem Beklagten ein Autohandelsunternehmen übergeben und der Beklagte müsse nun die ihm anvertrauten Bargeldbeträge von 16.000 S und 56.000 S und die erzielten Verkaufserlöse von 541.000 S und 302.000 S herausgeben. Er begehrt somit 915.000 S.

Der Beklagte bestreitet das Klagsvorbringen, macht aufrechnungsweise Mietzinsforderungen von 63.000 S und 38.500 S sowie Darlehensforderungen von 170.000 S (Korrektur der Klagebeantwortung in S 26 des Aktes) und 195.500 S geltend und beantragt die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren in einem eingliedrigen Spruch ab.

Es traf im wesentlichen folgende Tatsachenfeststellungen:

Der Kläger betrieb einen Gebrauchtwarenhandel und hatte sich vom Beklagten hiefür schon vor dem 21.11.1985 Geldbeträge von zusammen 160.000 S ausgeliehen. An diesem Tag mußte er eine Haftstrafe antreten und übergab dem Beklagten die Geschäftsunterlagen mit dem Auftrag, Autos zu verkaufen, sowie einen Barbetrag von 10.000 S zur Abdeckung der Kosten des Betriebes. Der Beklagte verkaufte in der Folge vier bis fünf Autos. Im April 1986 übergab er dem Kläger die Abrechnung über alle getätigten Geschäfte. Die geringen Verkaufserlöse wurden mit den höheren Verbindlichkeiten des Klägers gegenüber dem Beklagten verrechnet. Der Kläger überprüfte die Abrechnung und bestätigte sie am 10.4.1986 und verpflichtete sich zur Zahlung der nach der Verrechnung offengebliebenen Verbindlichkeit. In der Folge gewährte der Beklagte dem Kläger weitere Darlehen von zusammen 195.500 S. Weiters schuldet der Kläger dem Beklagten an Mietzinsen einen rückständigen Betrag von 101.500

S.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, daß sowohl die erwähnten 10.000 S als auch die erzielten Verkaufserlöse mit höheren Verbindlichkeiten des Klägers verrechnet worden seien, die Hingabe der Kraftfahrzeuge sei in diesem Sinne zahlungshalber erfolgt, sodaß der Beklagte nichts mehr herausgeben müsse. Der Kläger bekämpfte in seiner Berufung vor allem die Beweiswürdigung des Erstgerichtes über die Abrechnung vom April 1986, wies auf die von ihm behauptete Unechtheit der Übernahmebestätigung vom 10.4.1986 (Beilage 1) hin und rügte als Verfahrensmangel die unterbliebene Vernehmung mehrerer Zeugen. Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß die Revision nicht zulässig sei.

Es verneinte den geltend gemachten Verfahrensmangel mit der Begründung, der Kläger habe die Echtheit der Urkunde Beilage 1 nicht bestritten, weshalb diese im Verfahren als echt zugrundegelegt werden müsse. Habe aber der Kläger am 10.4.1986 die Richtigkeit der Abrechnung des Beklagten anerkannt, dann sei das Klagebegehren nicht berechtigt. Ausgehend von den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes übernahm das Berufungsgericht auch die Rechtsansicht, daß der Kläger dem Beklagten die strittigen Fahrzeuge zahlungshalber übergeben habe.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig. Das Berufungsgericht hat nämlich in aktenwidriger Weise angenommen, daß der Kläger die Echtheit der Urkunde Beilage 1 nicht ausdrücklich bestritten und damit zugestanden habe, und hat aus diesem Grund den Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht geprüft. In einem solchen Fall berührt die Aktenwidrigkeit nicht nur den Tatsachenbereich (MietSlg 36.792), sondern die Aktenwidrigkeit bewirkt auch einen Verstoß gegen § 498 Abs. 1 ZPO, denn das Berufungsgericht legt jetzt dem Verfahren Ergebnisse zugrunde, die von den Berufungsgründen berührt werden und daher nicht ungeprüft übernommen werden dürfen (vgl E wie SZ 59/87, SZ 59/92, EFSlg 55.094), womit auch eine erhebliche Rechtsfrage des Verfahrensrechts vorliegt.

Es ist zwar richtig, daß die Erklärungen der klagenden Partei zur strittigen Urkunde etwas mißverständlich sind. Ursprünglich allerdings noch nicht in der Klagebeantwortung hatte die klagende Partei im Schriftsatz ON 5, dargetan in der Tagsatzung vom 17.3.1988 (S 31 des Aktes), die Echtheit der zunächst in Fotokopie vorgelegten Urkunde ausdrücklich bestritten. Nach Verlesung sämtlicher von der Beklagten vorgelegten Urkunden in dieser Tagsatzung gab die klagende Partei zur Echtheit "dieser Urkunden" keine (neuerliche) Erklärung ab und verwies (nur) zur Richtigkeit auf das eigene Vorbringen (S 32 d. A). Als dann in der Tagsatzung vom 19.10.1988 das Original der strittigen Urkunde verlesen wurde, gab die klagende Partei zur Echtheit und Richtigkeit an, sich hierüber wie bisher zu erklären (S 65 d.A). Wenn aber somit schon vor Verlesung der Urkunde die Echtheit bestritten wurde und nach ihrer Verlesung keine (neue) Erklärung zur Echtheit abgegeben wurde, gilt die Echtheitsvermutung des § 312 Abs. 1 ZPO nicht; sondern mangels Zurücknahme der ausdrücklichen Bestreitung geht die Bestreitungsabsicht vielmehr im Sinne des § 312 Abs. 1 ZPO "aus den übrigen (nämlich früheren) Erklärungen" hervor.

Damit ist aber die Revision auch berechtigt. Das Berufungsgericht durfte nicht von einer zugestandenen Echtheit der Urkunde Beilage 1 ausgehen und mußte daher das Vorliegen der oben dargestellten Berufungsgründe prüfen.

Ist die Urkunde Beilage 1 echt und wegen gegebener Geschäftsfähigkeit des Klägers auch wirksam, dann ist die Entscheidung der Vorinstanzen allerdings zutreffend. Dann kann es nämlich auf sich beruhen, ob der Kläger die strittigen Fahrzeuge dem Beklagten an Zahlungs statt oder zahlungshalber oder nur im Rahmen eines Auftrages übergeben hat. Letzteres wäre hier im Zweifel das Naheliegendste, weil dann der Kläger den erzielten Erlös als richtig bestätigt und auch die ordnungsgemäße Abführung durch entsprechende Verrechnung mit einer höheren Forderung des Beklagten aus einem dem Kläger zugezählten Darlehen anerkannt hätte. Andernfalls müßten jedoch zu den Tatsachenbehauptungen des Klägers entsprechende Feststellungen getroffen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 Abs. 1 ZPO.

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